HaraldWeinbergDIE LINKEHarald Weinberg (DIE LINKE): Zu Beginn möchte ich Folgendes festhalten: Der Widerstand und der Protest der Fachverbände und der betroffenen Kolleginnen in den psychiatrischen Einrichtungen zusammen mit ihrer Gewerkschaft verdi gegen die Einführung eines Pauschalen Entgeltsystems in Psychiatrie und Psychosomatik, PEPP, hat sich gelohnt: PEPP kommt nicht so wie geplant – und das ist gut so. Es ist aber noch nicht weg, es droht, durch die Hintertür eingeführt zu werden.
Und das wäre falsch, denn eine angemessene psychiatrische Versorgung der Patientinnen und Patienten kann nicht gewährleistet sein, wenn den Krankenhäusern für ihre Patientinnen und Patienten nicht die tatsächlich entstehenden Kosten erstattet werden, sondern irgendwie ermittelte Durchschnittskosten. Man muss der SPD in dieser Frage zugestehen, dass sie sich in der Koalition für Verbesserungen eingesetzt hat – etwas, was man ja in diesen Tagen von der SPD nicht in allen Fragen sagen kann, wenn man zum Beispiel ihr Einknicken bei CETA oder ihren Eiertanz bei der hälftigen Finanzierung der Krankenkassen durch die Arbeitgeber anschaut. Mein Glückwunsch dazu!
Nach den Eckpunkten liegt nun der Gesetzentwurf zum PsychVVG – noch so ein schönes Kürzel – vor. Ausgeschrieben heißt das: Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen.
Im Rahmen meiner viel zu kurzen Redezeit kann ich nur kurz auf drei Punkte eingehen:
Erstens die Möglichkeit für die Krankenhäuser, eine stationsäquivalente Behandlung einzurichten, das sogenannte Home-Treatment, zweitens die Einführung eines krankenhausindividuellen Budgetsystems verbunden mit Einführung eines systematischen Krankenhausvergleichs, drittens Bestimmungen zur Mindestpersonalausstattung und ihre Kontrolle.
Diese Möglichkeit einer stationsäquivalenten Versorgung im häuslichen Umfeld der Patientinnen einzurichten, ist zunächst einmal sehr zu begrüßen. Neue, sektorübergreifende Versorgungsformen sind gerade in diesem Bereich dringend erforderlich.
Problematisch ist jedoch, dass dies an eine Verringerung der Bettenzahl gekoppelt ist. Hierzu sollen Kassen und Krankenhausgesellschaft auf der Bundesebene „Grundsätze(n) für den Abbau nicht mehr erforderlicher Betten aufgrund der Durchführung der stationsäquivalenten Behandlung“ vereinbaren. Nach diesen Grundsätzen sollen Krankenkassen und Krankenhaus vor Ort „im Benehmen“ mit den Ländern konkret Bettenabbau beschließen. Das ist ein starker Eingriff in die Planungshoheit der Länder bei der Krankenhausplanung, denn „Benehmen“ bedeutet nicht, dass die Länder dabei wirklich mitbestimmen können. Ein Automatismus zum Bettenabbau jenseits einer genauen Prüfung ihrer Erforderlichkeit darf es nicht geben. Es ist aus gutem Grund Aufgabe der Länder und nicht der Kostenträger, den Bedarf an Krankenhäusern festzulegen. Dieses Prinzip sollte nicht durchlöchert werden.
Wichtig ist aus unserer Sicht, dass diese neuen Versorgungsformen ausreichend personell und finanziell ausgestattet werden. Und da sind einige Zweifel angebracht, ob sich die stationsäquivalente Behandlung kostenneutral umsetzen lässt.
Die Vergütung soll auf Krankenhausebene durch die Vertragsparteien als Gesamtbudget vereinbart werden. Das soll gelten ab 2018. In den Jahren 2018 und 2019 erfolgt sie budgetneutral. Grundlage sind die Vorjahresbudgets, dabei wird ein krankenhausindividueller Basisentgeltwert ermittelt. Und hier kommt dann doch wieder der bundeseinheitliche PEPP-Katalog zur Anwendung.
Ab 2020 gelten dann die neuen Regelungen für die Ermittlung des Gesamtbudgets. Sie enthalten ein deutliches Droh- und Druckpotenzial zur Durchsetzung von Durchschnittspreisen. Es werden Bundesdurchschnittsentgelte für Leistungen ermittelt und als Vergleichsmaßstab herangezogen. Krankenhäuser und Kassen sollen vor Ort beraten, wie über Anpassungsvereinbarungen die Ausgaben an den Bundesdurchschnitt angeglichen werden können. Das könnte einen ganz ähnlichen Effekt haben wie die in PEPP ursprünglich vorgesehene automatische Konvergenz.
Einige Verbände und Organisationen sprechen in dem Zusammenhang von der Einführung von PEPP durch die Hintertür. Das ist aus meiner Sicht noch nicht entschieden, aber die Gefahr ist unverkennbar.
Bis einschließlich 2019 gilt die Psychiatrie-Personalverordnung, Psych-PV, als Personalbemessungsinstrument weiter. Ab 2020 soll es verbindliche Mindestanforderungen für die berufsgruppenbezogene Personalausstattung geben. So weit, so gut. Diese sollen aber vom Gemeinsamen Bundesausschuss, G-BA, festgelegt werden, also von Kassen und Krankenhäusern. Damit besteht die Gefahr, dass die dringend notwendige Personalbemessung nicht im Rahmen von Leitlinien evidenzbasiert erfolgt, sondern von Interessenkonflikten zerrieben und verwässert wird. Wir fordern, dass hier Fachgesellschaften, Gewerkschaft und Patientenorganisationen in die Entscheidungen eingebunden werden.
Außerdem kann man Zweifel bekommen, wie ernst es die Bundesregierung mit Verbesserungen beim Personal meint. Derzeit wird die durchschnittliche Deckungsquote der Psych-PV um die 90 Prozent geschätzt. Wenn wir 100 Prozent Erfüllung der Personalvorgaben wollen, müssten die Personalkosten in einer Größenordnung von 600 Millionen Euro pro Jahr steigen. Der Gesetzentwurf geht aber nur von 65 Millionen im Jahr 2018 aus. Das reicht hinten und vorne nicht. Wenn die Bundesregierung das, was sie vorhat, auch ernst nähme, dann müsste sie wesentlich mehr Geld einplanen. Notwendig wäre auch ein Sanktionsmechanismus, der Krankenhäuser belohnt, die Stellen schaffen, oder die bestraft, die es nicht tun. Aber der Gesetzentwurf sieht ja noch nicht einmal vor, dass die Kliniken den Kassen nachweisen müssen, ob sie die zusätzlichen Mittel bis 2019 für Personal einsetzen oder für eine Dividendenerhöhung ihrer Aktionäre. So wird das nichts! Da auch für die notwendige Aufstockung der Personalmittel Referenzwerte der Kalkulationskrankenhäuser herangezogen werden sollen, muss auf jeden Fall sichergestellt sein, dass die in die Kalkulation einbezogenen Häuser die Vorgaben der Psych-PV voll erfüllen. Ansonsten sind sie aus der Stichprobe auszuschließen.
Fazit: Das PsychVVG hat einiges an Licht zu bieten, aber auch noch ziemlich viel Problematisches, das sich im Schatten findet. Ich hoffe, wir werden das Gesetz in den Beratungen noch erheblich verbessern, denn das ist im Sinne der Patientinnen und Patienten dringend nötig. Aber wir wissen zu würdigen, dass dies seit Jahren die erste Regelung ist, die zumindest vordergründig nicht in Richtung Markt und Wettbewerb geht, sondern die Versorgung im Fokus hat. Auch im Antrag der Grünen sind einige vernünftige Vorschläge enthalten, die die Koalition prüfen sollte.