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Aus der Zeitenwende eine Steuerwende machen!

Rede von Gesine Lötzsch,

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird viel von „Zeitenwende“ gesprochen; aber eigentlich geht es um etwas anderes. Es geht um einen Politikwechsel. SPD und Grüne haben den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl soziale Gerechtigkeit versprochen. Aber ich frage Sie: Wie geht es weiter mit der Kindergrundsicherung? Wo ist das Bürgergeld? Warum haben Sie das verschoben, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hatten auch eine Vermögensteuer in das Wahlprogramm geschrieben. Die Vermögensteuer haben Sie schon über Bord geworfen. Ich stelle Ihnen die Frage, Herr Lindner: Wenn Sie ernsthaft meinen, dass Sie 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten wollen, wie und wovon sollen diese sozialpolitischen Projekte finanziert werden? Die Antwort darauf sind Sie schuldig geblieben, und das nehmen wir nicht hin.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, in dieser Woche wurde auch viel über den Krieg gegen die Ukraine gesprochen. Wir als Linke sagen: Dieser Krieg muss sofort beendet werden. Der erste Schritt dahin ist ein Waffenstillstand. Die Bundesregierung muss alles tun, um ihn durchzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wir müssen auch über die Kriegsgewinnler sprechen. Wenn wir uns vor Augen führen, dass sich der Panzerhersteller Rheinmetall noch im Jahre 2014 – und da gab es schon einen Krieg in der Ukraine, gegen die Ukraine – die Freiheit genommen hat, Waffen an Russland und die Ukraine zu liefern und damit viel Geld zu verdienen, dann frage ich mich: Warum ist das in diesem Land hingenommen worden? So etwas muss ein Ende haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wissen doch auch: Je länger der Krieg dauert, desto besser ist das für die Aktionäre von Rheinmetall. Auch deshalb sagen wir: Es muss einen sofortigen Waffenstillstand geben. Das ist für die Menschen das Beste.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, Gesine, dann mach mal!)

In der Krise sind viele ärmer, aber viele auch reicher geworden. Darum sagen wir: Es muss endlich eine Übergewinnsteuer geben; wir als Fraktion Die Linke haben dies ja hier, im Deutschen Bundestag, beantragt. Das lehnt die FDP mit dem Verweis auf den Koalitionsvertrag ab.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Doch dieser Koalitionsvertrag wurde vor der von Ihnen immer angeführten „Zeitenwende“ – auch Sie von der FDP haben dieses Wort ja verwendet – geschlossen. Wir fordern Sie auf: Ziehen Sie aus Ihrer Zeitenwende die Schlussfolgerung, endlich eine Steuerwende zu machen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Die EU hat die Einnahmen aus einer Übergewinnsteuer EU-weit auf 200 Milliarden Euro beziffert. Warum, frage ich Sie, Herr Lindner, wollen Sie auf dieses Geld verzichten? Ich finde das verantwortungslos.

(Beifall bei der LINKEN)

Auffällig ist doch für alle: Die Schuldenbremse gilt nur, wenn es um Sozialpolitik und Investitionen in eine friedliche Zukunft geht. Die Schuldenbremse gilt nicht, wenn es um ein neues Wettrüsten geht. Sie messen mit zweierlei Maß, und das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Allein der Rüstungshaushalt für dieses Jahr, ohne die zusätzlichen 100 Milliarden Euro, die beschlossen werden sollen – das ist übrigens kein Sondervermögen, es sind zusätzliche Schulden –, beträgt 50,4 Milliarden Euro; nach NATO-Kriterien berechnet, sind es sogar 55,6 Milliarden Euro. Sie geben also für das Militär in diesem Jahr weit mehr Geld aus als insgesamt für Bildung, Forschung, Familie, Senioren, Frauen, Jugend, Wohnungsbau und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, es gibt einige Entlastungspakete. Aber vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung ist schon berechnet und nachgewiesen worden, dass diese Entlastungspakete völlig aufgefressen werden und dass die Preissteigerungen allein in den ersten vier Monaten des Jahres mehr als die Hälfte der versprochenen Entlastung verschlungen haben. Alleinlebende mit niedriger Rente haben auf jeden Fall ein Minus. Die Inflation hat sie schon jetzt mehr gekostet, als sie je an Entlastung bekommen werden. Wir brauchen einen Schutzschirm: Rettung für die Menschen, die kein Geld mit Krieg und Krisen verdienen. Das wäre die Aufgabe der Bundesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun haben sich ja schon viele das 9‑Euro-Ticket gekauft, und ich bin enttäuscht, Herr Dobrindt, dass wir beide uns nicht auf Sylt treffen können; aber vielleicht bietet sich da noch eine andere Gelegenheit.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Nur, wenn Herr Kindler dabei ist!)

Aber leider ist dieses Ticket ja nur ein Sommertraum. Danach werden wieder die vollen Preise verlangt. Mit Nachhaltigkeit hat das wirklich wenig zu tun, im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, dass die Menschen abgeschreckt werden und im Herbst wieder auf das Auto umsteigen.

Meine Damen und Herren, die wichtigsten Aufgaben, die erfüllt werden müssen, sind: Erstens muss Frieden wiederhergestellt werden. Waffenstillstand sofort! Zweitens muss die Armut bekämpft werden. Die Ärmsten der Armen leiden am stärksten unter der Klimakrise. Und darum ist – drittens – der Einsatz gegen die Klimakrise auch aktive Armutsbekämpfung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)