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Rede von Christine Buchholz zu Protokoll gegeben am 09.03.2017

Rede von Christine Buchholz,

In zwei Jahren wird ein Verfassungsauftrag, die Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften betreffend, 100 Jahre alt. Der Artikel 140 unserer Verfassung hat den Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung aus dem Jahr 1919 zum Bestandteil des Grundgesetzes gemacht. Er lautet: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“ Die Staatsleistungen im engen Sinne – altrechtliche Staatsleistungen genannt – liegen gegenwärtig im gesamten Bundesgebiet bei rund 460 Millionen Euro jährlich. Gut Ding will Weile haben, aber 98 Jahre sind eine beachtlich lange Zeit, und deshalb ist aus unserer Sicht die Erfüllung des damals gegebenen Auftrages mehr als überfällig.

In der vergangenen Legislaturperiode hatte meine Fraktion einen Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen vorgelegt, der abgelehnt wurde. Das passiert uns hin und wieder mit unseren Vorschlägen, trotzdem blieb im Ergebnis dieser Ablehnung ein weiterhin nicht eingelöster Verfassungsauftrag. Mit unserem Antrag zur Einrichtung einer Kommission beim Bundesministerium der Finanzen zur Evaluierung der Staatsleistungen seit 1803 haben wir die Hürden für Ihrer aller Zustimmung niedriger gelegt. Wir sehen uns bestätigt, da es in allen Fraktion Stimmen gibt, nach denen die Ablösung der Staatsleistungen endlich in Angriff genommen werden muss. Und auch die beiden großen Kirchen sind bereit, darüber zu verhandeln.

Wir sind davon ausgegangen, dass niemand etwas dagegen vorbringen kann, eine Kommission, bestehend aus Kirchenhistorikerinnen, Kirchen- und Verfassungsrechtlerinnen, Ökonominnen, Vertreterinnen der Länder und beider großer Amtskirchen einzusetzen, die sich des zu erfüllenden Auftrags annimmt und einen Vorschlag unterbreitet, wie er konsensual erfüllt werden kann.

Die CDU/CSU hat die mögliche Ablösesumme als ein Problem ausgemacht. Und ja, das ist eine Frage, die diskutiert werden muss. Durch Aussitzen kommt man an dem Punkt aber nicht weiter. Und weil es in der Vergangenheit immer wieder zu Verwirrungen und falschen Behauptungen geführt hat: Wir reden hier nicht von Subventionen für Religionsgesellschaften zur Unterstützung ihrer Tätigkeit in Bereichen wie Sozialarbeit, Kindergärten, Schule, Jugendhilfe, Denkmalpflege. Die Leistungen der Kirchen sind hoch zu achten und tragen viel zum Zusammenhalt und friedlichen Zusammenleben in unserer Gesellschaft bei, vor allem auch wenn es um die Unterstützung und Hilfe für sozial benachteiligte Menschen geht.

Lothar Binding von der SPD hat in der ersten Lesung darauf verwiesen, dass dabei nicht die Handlungsfähigkeit der Kirchen auf dem Spiel steht, sondern dass die Summe der Staatsleistungen gerade mal 2 Prozent des Etats für die kirchliche Arbeit ausmacht.

Das Ablösungsgebot hat einen guten Grund, ist es doch eine rechtliche Voraussetzung für einen säkularen und bekenntnisneutralen Staat und somit wichtig für die Entflechtung der finanziellen Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Man kann mit Fug und Recht sagen, gerade in Zeiten einer weitaus größeren religiösen Vielfalt, als wir sie vor 100 Jahren hierzulande hatten, verstößt eine Bevorzugung bestimmter Kirchen gegenüber anderen Bekenntnisgemeinschaften und nichtreligiösen gesellschaftlichen Gruppen gegen das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche. Und auch im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot gegenüber allen Religionsgemeinschaften lässt sich auf Ewigkeit und Dauer die Bevorzugung nur zweier von ihnen nicht rechtfertigen. Aber es bleibt die Frage zu klären, inwieweit die Zahlungen im engeren Sinne heute noch angemessen und zeitgemäß sind. Wir sagen, das sind sie nicht. Wir wollen aber, dass darüber, ob dies so stimmt oder nicht, eine Expertinnen-kommission befindet. Die Voraussetzungen dafür sind gut, wie gesagt, beide große Kirchen haben mehrfach die Bereitschaft signalisiert, über die Ablösung der Staatsleistungen zu verhandeln. Dem sollte der Deutsche Bundestag nicht nachstehen.

Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung.