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Altbekannte Sprechblasen helfen dem Handwerk nicht

Rede von Alexander Ulrich,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem nun auch der letzte Ampelpolitiker geredet hat, fragt man sich, warum diese Aktuelle Stunde überhaupt beantragt worden ist. Der Titel lautet: „Gemeinsam für unser Handwerk“. Aber den Handwerksbetrieben, den Handwerkerinnen und Handwerkern, die jetzt am Bildschirm saßen und gehofft haben, dass neue Impulse für das Handwerk kommen, muss man sagen: Fehlanzeige! – Sie haben beim Handwerk eine riesige Enttäuschung hervorgerufen; denn das, was Sie hier gesagt haben, war nichts als altbekannte Sprechblasen. Das Handwerk hat davon aber überhaupt nichts.

(Beifall bei der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Die volkseigenen Betriebe, oder?)

Man hat sich gegenseitig die Zahlen erklärt, die jeder auch selbst heraussuchen kann: dass man 1 Million Betriebe hat, 5,6 Millionen Handwerker/-innen und über 130 Ausbildungsberufe. Jeder hat sich noch mal davon überzeugt, dass die Zahlen richtig sind. Ansonsten haben die drei Koalitionäre uns hier nichts auf den Tisch gelegt.

Dass das Handwerk sehr bedeutsam ist, ist ja unbestritten; nur ist das Problem, dass das Handwerk nicht die Lobby hat, wie sie andere Zweige der Wirtschaft haben. Ich will Ihnen sagen und auch uns allen ins Stammbuch schreiben: Das hängt auch damit zusammen, dass wir hier im Bundestag zu wenig Lobbyismus fürs Handwerk haben. Die „Deutsche Handwerks Zeitung“ hat nach der letzten Bundestagswahl herausgefunden, dass hier gerade mal 32 Parlamentarier mit handwerklichem Bezug sind; das sind 4,4 Prozent. Dieser Wirtschaftszweig ist hier im Bundestag unterrepräsentiert. Deshalb haben die Handwerker zu Recht den Eindruck: Für die Großindustrie wird alles getan, aber fürs Handwerk zu wenig. – Das hängt auch mit der Zusammensetzung des Bundestags zusammen. Ich bin Werkzeugmacher. Ich gehöre zu den 32, die da aufgezählt worden sind. In allen Fraktionen übrigens gibt es ein paar wenige; die verstecken sich da. Nur bei den Grünen gibt es keinen Einzigen, der laut der „Deutschen Handwerks Zeitung“ diesen Handwerksbezug hat.

(Stephan Brandner [AfD]: Wundert mich nicht! Studienabbrecher! – Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)

Deshalb glaube ich – das richtet sich auch an die Bürgerinnen und Bürger da draußen –: Wenn wir mehr Bedeutsamkeit des Handwerks brauchen, brauchen wir auch eine andere Zusammensetzung des Deutschen Bundestags.

(Beifall bei der LINKEN)

Kein Redner hat hier darüber geredet, warum möglicherweise der Fachkräftemangel auch im Handwerk vorhanden ist. Keiner hat darüber geredet, dass zum Beispiel die Arbeitsbedingungen, die Entlohnungsbedingungen im Handwerk mal mindestens einen Tausender weniger bedeuten als in der Industrie. Deshalb kann, glaube ich, das Handwerk auch selbst dafür sorgen, dass mehr Fachkräfte im Handwerk verbleiben. Denn wenn es nun mal so ist, dass ich trotz einer guten handwerklichen Ausbildung lieber in einen anderen Beruf in der Industrie wechsle, weil ich dort 800 Euro mehr habe, muss man sich nicht wundern, dass die Leute weggehen in einer Zeit, wo das Einkommen sehr, sehr wichtig ist. Deshalb braucht es, glaube ich, eine Stärkung der Tarifbindung im Handwerk.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen mehr Allgemeinverbindlichkeit, wir brauchen höhere Löhne, und wir brauchen endlich eine Verabredung und auch eine gesetzgeberische Maßgabe dafür, dass in den Innungen Mitgliedschaften ohne Tarifbindung endlich abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir das Handwerk stärken wollen, dann müssen wir uns für noch etwas einsetzen – denn davon profitiert insbesondere das Handwerk –: Nahezu alle öffentlich ausgeschriebenen Aufträge, die es gibt, gerade auch in den Kommunen, in den Ländern, auch im Bund, werden ja von Handwerksbetrieben erfüllt; deshalb braucht es unbedingt eine Regelung im Vergaberecht des Bundes, dass nur solche Betriebe diese Aufträge bekommen, die nach Tarif bezahlen, die ausbilden und in denen es eine Mitbestimmung gibt, das heißt diejenigen, in denen Betriebsratswahlen durchgeführt werden und wo es Betriebsräte im Betrieb gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb: keine Investition des Staates ohne die Verbindung mit guter Arbeit.

Es sind viele junge Menschen auf der Tribüne und hoffentlich auch draußen an den Bildschirmen. Wir reden auch heute wieder darüber, warum es so ist, dass immer mehr Menschen eine akademische Ausbildung gegenüber einer dualen Ausbildung bevorzugen. Das hat natürlich seine Gründe; die habe ich eben schon erwähnt. Ich glaube, wir müssen nochmals deutlich machen, dass es nach der dualen Ausbildung riesige Chancen gibt, oftmals auch bessere Verdienstmöglichkeiten gibt als mit einer akademischen Ausbildung. Aber wir brauchen dazu auch ein anderes gesellschaftliches Klima. Jeder von uns kennt Beispiele aus seinem Freundes- oder Bekanntenkreis, wo jemand sich fast schon entschuldigt, wenn er sagt: Meine Tochter, mein Sohn macht „nur“ – in Anführungszeichen – eine duale Ausbildung. – Diese Mentalität in unserem Land muss sich verändern. Es muss ganz normal sein, dass der Abschluss einer dualen Ausbildung, vielleicht mit den Fortbildungsmöglichkeiten zum Meister usw., als gleichwertig angesehen wird mit einem akademischen Abschluss. Dafür tut diese Bundesregierung viel zu wenig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Letztes, Frau Präsidentin. Wir hätten gerne heute hier über den Bildungsnotstand geredet. In keinem Bildungszweig sind die Schulen qualitativ so geringwertig, so schlecht ausgestattet, in so einem desolaten Zustand wie in dem der berufsbildenden Schulen. Wer die duale Ausbildung stärken will, muss viel mehr Lehrer in den berufsbildenden Schulen einsetzen und dort viel mehr Investitionen tätigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)