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Rede von Alexander S. Neu zu Protokoll gegeben am 30.03.2017

Rede,

Die Sunday Times berichtete vergangenes Wochenende, US-Präsident Trump habe im Kontext des Besuchs von Bundeskanzlerin Merkel in Washington in der vorvergangenen Woche nicht nur per Twitter behauptet, Deutschland schulde der Nato und den USA „riesige“ Summen für die Verteidigung des Landes. Er habe ihr auch gleich eine Rechnung über umgerechnet rund 350 Milliarden Euro übergeben. Beginnend im Jahr 2002 seien darin – einschließlich Zinsen – die Beträge aufaddiert worden, die Deutschland zurückgeblieben sei hinter dem NATO-Ziel, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militärausgaben aufzubringen. Die Bundesregierung dementiert, dass eine Rechnung übergeben wurde. Ein deutscher Militärblogger las in dieser Meldung: Die Milliardenrechnung sei Deutschland für die Stationierung von US-Truppen in Deutschland präsentiert worden.

Im hier debattierten Gesetzentwurf der Bundesregierung geht es um die Kosten der NATO-Hauptquartiere in Deutschland. Im Vergleich zu der bei der Sunday Times thematisierten 350-Milliarden-Euro-Rechnung – und auch mit Blick auf den deutschen Militäretat von in diesem Jahr fast 40 Milliarden Euro – geht es in dem Gesetzentwurf um geringere Beträge. Er soll eine veränderte Kostenteilung zwischen der NATO und Deutschland als Stationierungsstaat möglich machen.

Die anderen Fraktionen weisen darauf hin, dass die auf Grundlage des Gesetzentwurfs zu erwartenden Mehrkosten für Instandsetzung und Instandhaltung der NATO-Liegenschaften in Deutschland sich auf „nur“ 0,2 Millionen Euro beliefen, während Einsparungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro zu erwarten seien, weil der deutsche Anteil am gemeinsamen NATO-Haushalt sich auf Basis des zugrunde liegenden Abkommens von 2016 reduziere. Was alle anderen Fraktionen zu erwähnen vergessen, sind die Kosten, die damit verbunden sind, dass die Nutzung der Hauptquartiere durch die NATO-Truppen für diese unentgeltlich ist, was bedeutet: Diese Kosten, die die ersparten Kostenansätze natürlich deutlich übersteigen, tragen weiterhin die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Worüber die anderen Fraktionen außerdem beiläufig hinweggehen, sind die Einrichtungen, um die es hier konkret geht, zum Beispiel das Hauptquartier Uedem, zum Beispiel das Hauptquartier Ramstein – das Ramstein, das schon seit langem als militärisches Luft- und Drehkreuz der konventionellen Kriegführung von USA und NATO dient und sowohl die Einsatzzentrale der in Deutschland stationierten Atomwaffen ist als auch Führungs-, Kommando- und Kontrollstützpunkt für das NATO-Raketenabwehrsystem, und das Ramstein, auf dem die US-Armee eine Satelliten-Relaisstation errichtet hat, über die die für den völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg der USA notwendigen Signale übermittelt werden – mithilfe dieser Station werden die Kampfdrohnen in den Einsatzregionen gesteuert; sie ist erforderlich, um Angriffsbefehle an diese Killerdrohnen weiterzuleiten –, die Airbase Ramstein also, die die Bundesregierung schon längst hätte schließen sollen, weil die Völkerrechtswidrigkeit von sogenannten „gezielten Tötungen“, also Hinrichtungen mutmaßlicher Terroristen mit Drohnen im US-Antiterrorkrieg, zugleich eine rechtswidrige Nutzung des Hauptquartiers in Ramstein bedeutet. Die Bundesregierung muss verhindern, dass vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland aus rechtswidrige Militäreinsätze unterstützt werden. Da sie das ganz offenbar von selbst nicht tut, werden wir jede Gelegenheit nutzen, sie daran zu erinnern.

Verteidigungsministerin von der Leyen fühlt sich dem 2-Prozent-Ziel der NATO verpflichtet. Auf dem Stand des heutigen Bruttoinlandsprodukts wären das rund 76 Milliarden Euro, die sie ausgeben will – fast eine Verdopplung des derzeitigen ohnehin viel zu hohen Militäretats. Deutschland hätte damit einen der höchsten Militäretats der Welt, höher als die russischen Militärausgaben. Das wäre außerdem eine Summe, mit der die Kapazitäten der NATO erhöht werden könnten.

Eine Stärkung der kriegerischen Struktur der NATO lehnen wir ab. Wir fordern die Auflösung der NATO und einen sofortigen Ausstieg aus den militärischen Strukturen der NATO. Stattdessen setzen wir uns ein für ein System kollektiver Sicherheit unter Einschluss aller europäischer Staaten, also beispielsweise auch Russlands, Weißrusslands und der Ukraine; denn die NATO, über die wir hier reden, ist gerade kein Garant für Sicherheit irgendwo auf der Welt, wie es die anderen Fraktionen darstellen wollen, sondern Akteurin der globalen Destabilisierung.

Wir Linke lehnen den Gesetzentwurf der Bundesregierung daher ab und bleiben bei unseren Forderungen: Auflösung und sofortiger Ausstieg aus den militärischen Strukturen der NATO, keine Übernahme des 2-Prozent-Ziels der NATO, Ramstein schließen, und den völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg beenden!