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Rechte des Bundestages in Angelegenheiten der EU

Rede von Alexander Ulrich,

Alexander Ulrich (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Vorredner gehört. Sie alle freuen sich über die zusätzlichen Rechte, die der Deutsche Bundestag in Zukunft in den Angelegenheiten Europas hat. Man sollte aber darauf hinweisen, dass man dafür, dass der Bundestag diese Rechte bekommen hat, der Fraktion Die Linke und auch dem Kollegen Gauweiler Danke schön sagen muss; denn das waren diejenigen, die nach Karlsruhe gegangen sind und das letztlich erstritten haben.
(Beifall bei der LINKEN Markus Löning (FDP): So ein Quatsch!)
CDU/CSU, FDP und Grüne haben das immer als antieuropäische Reflexe begriffen und nie verstanden, dass sie sich durch das, was sie tun, ihrer eigenen Rechte, ihrer Möglichkeiten berauben. Jetzt hört man, dass das alles ein wohldosierter Gang war. Deshalb kann man schon sagen, dass heute ein Stück weit Demokratie zurückgewonnen worden ist,
(Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD): Das ist Geschichtsklitterung hoch drei!)
von der Regierungspolitik zum demokratischen Handeln. Das ist, wie gesagt, auch ein Verdienst unserer Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben doch gegen etwas anderes geklagt!)
Herr Oppermann, Sie erklären, dass die Fraktion Die Linke und CSU-Politiker antieuropäisch gehandelt hätten. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Willy Brandt pflegte den großen Satz zu sagen: Mehr Demokratie wagen. Dass Sie Fraktionen und Abgeordnete, die zum Beispiel bei wichtigen europäischen Entscheidungen den Volksentscheid wollen, als antieuropäisch bezeichnen, zeigt, wie verkommen die Sozialdemokratie mittlerweile ist.
(Beifall bei der LINKEN Thomas Oppermann (SPD): Sie wollen einen Volksentscheid gegen Europa!)
Ganz nebenbei: Wenn Sie das zu politischen Rändern erklären, dann haben Sie damit auch erklärt, dass Klaus Wowereit zum politischen Rand gehört; denn Berlin hat den EU-Verträgen im Bundesrat nicht zugestimmt. Auch Ihre Partei hat mitgemacht.
(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schlimm genug! Markus Löning (FDP): Die schämen sich dafür, aber ordentlich!)
Auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
Wir als Linke haben über die kompletten vier Jahre hinweg die Debatte über die EU-Verfassung und dann den Vertrag von Lissabon geführt. Das war das zentrale Thema im EU-Ausschuss und damit auch das zentrale Thema der Europapolitik im Bundestag. Wie oft hat man gesagt, Europa ist in der Krise? Dann kam die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Die Bundeskanzlerin hat sich sehr früh dafür feiern lassen, sie hätte die EU-Verträge gerettet. Mittlerweile wissen wir, da hat man zu früh gejubelt; denn die deutsche EU-Ratspräsidentschaft war auch in dieser Hinsicht ein Flop.
(Markus Löning (FDP): Sie waren offensichtlich in einem anderen Film!)
Danach kamen die Iren, die verstanden haben, dass es nicht zu einer anderen Entscheidung kommen kann, wenn man der EU-Verfassung nur einen anderen Titel gibt, aber 95 Prozent der Inhalte beibehält. Deshalb kann ich hier nur sagen: Wir hoffen, dass die No-Campaign in Irland erfolgreich ist und wir uns in der nächsten Legislaturperiode nochmals über dieses Vertragswerk unterhalten müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben immer gesagt, wir lehnen die EU-Verfassung nicht aus antieuropäischen Gründen ab. An die Adresse der Union, die hier gerne zujubelt, sage ich: Wer wie Ministerpräsident Rüttgers die Bevölkerung eines EU-Mitgliedslands so bezeichnet und wer das wie die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin durch Nichtssagen toleriert, ist ein wahrer Antieuropäer. So geht man mit den Menschen eines Mitgliedslandes nicht um. Sie sollten sich für solch antieuropäische Reflexe schämen!
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben immer gesagt, wir wollen, dass Europa sozial, demokratischer und friedlich gestaltet wird. Das waren und sind die Hauptgründe, warum wir diese Verträge ablehnen. Wir fühlen uns durch das Bundesverfassungsgericht und Ihre Argumentation in dieser Ansicht bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht zeigt zum Beispiel auf, dass die EU-Verfassungsverträge aufgrund der Ausgestaltung des Begleitgesetzes nicht verfassungskonform sind. Nur durch eine verbindliche Regelung des Begleitgesetzes wird das verfassungskonform.
Herr Oppermann, ich finde es schön, dass Sie sich hier und heute dazu geäußert haben. Es wäre aber sinnvoll gewesen, wenn Sie bei den Beratungen manchmal wirklich dabei gewesen wären. Vieles von dem, was Sie in der Öffentlichkeit gesagt haben, hat gezeigt, dass Sie von dieser Materie wenig Ahnung haben. Als Parlamentarischer Geschäftsführer waren Sie zwar dabei, von der Sache haben aber Sie keine Ahnung. Sie konnten mit „Seehofer als Bettvorleger“ zwar glänzen, aber zu den Inhalten haben Sie auch heute wenig gesagt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Mehrheit der Abgeordneten in diesem Haus wollte und will weiterhin eine Europäische Union, die den wirtschaftlich Mächtigen verpflichtet ist. Wir haben das sehr oft gesagt. Auch die SPD hat im Zusammenhang mit den EuGH-Urteilen zu Viking, Laval usw. gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund Erklärungen zur Fortschrittsklausel abgegeben. Die SPD hat die Gewerkschaften aber auch da im Stich gelassen und bei der Klausel für den sozialen Fortschritt mit Nein gestimmt. Wenn Sie jetzt gemeinsam mit den Gewerkschaften Wahlkampf machen wollen, müssen Sie auch sagen, dass Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser Sache im Stich gelassen haben. Sie haben nichts dagegen getan, dass die Regelungen durch den Europäischen Gerichtshof eingeschränkt wurden. Auch da hat die Sozialdemokratie vollkommen versagt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben heute die letzte Plenarsitzung in dieser Legislaturperiode. Für Rainder Steenblock und Markus Löning ist die heutige Plenarsitzung die letzte. Im Europaausschuss haben wir oft darum gekämpft, dass auch die kleineren Fraktionen eine tatsächliche Mitsprache in Europaangelegenheiten bekommen. Wir haben oft versucht, Parlamentsrechte zu erhalten. Ich glaube, auch die kleinen Fraktionen hatten einen Anteil an dieser BBV. Weil ihr heute zum letzten Mal da seid, sage ich: Wir haben zwar unterschiedliche Standpunkte, aber Danke schön für eure Arbeit. Ich glaube, ihr gehört auch zu denen, denen es um das Parlament und nicht um Regierungshandeln geht. Europa kann man sozialer machen, aber nicht mit dieser SPD und nicht mit dieser CDU/CSU.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)