Zum Hauptinhalt springen

Pseudo-Dialog im Wendland

Rede von Dorothée Menzner,

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Wenn es der Bundesregierung um einen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern des Wendlands gegangen wäre, dann hätte sie nicht ein Dreivierteljahr verstreichen lassen, nachdem die Bürgerinitiativen, die örtlichen Initiativen und der Kreistag um ein Gespräch gebeten haben. Darum wurde letztes Jahr im Frühjahr oder Frühsommer gebeten. Aber nein, erst jetzt hat der Minister Zeit: erst jetzt, nachdem das Atomrecht verändert wurde, erst jetzt, nachdem die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert wurden.
(Patrick Döring [FDP]: Sagen Sie doch mal, wie oft andere Umweltminister da waren! Gar nicht!)
Was bedeutet die Laufzeitverlängerung? Die Laufzeitverlängerung bedeutet circa 500 weitere Castoren
mit hochradioaktivem Müll.
(Patrick Döring [FDP]: Das debattieren wir jetzt aber nicht!)
Die Änderung des Atomgesetzes – sie wurde angesprochen – bedeutet unter anderem, dass Enteignungsmöglichkeiten geschaffen wurden, um Gorleben – so nennt man es – weiter zu erkunden. Dass jetzt ein Gespräch stattfinden soll, das müssen die Bürgerinnen und Bürger, das muss der Kreistag als Alibiveranstaltung verstehen. Sehr deutlich formuliert er dies in einem offenen Brief, der von allen möglichen gesellschaftlichen Gruppen und fast allen Fraktionen im Kreistag unterschrieben ist, übrigens auch von der FDP-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ute Vogt
[SPD]: Hört! Hört! – Patrick Döring [FDP]: Wir sind hier aber im Bundestag und nicht imKreistag! – Gegenruf des Abg. Frank Schwabe
[SPD]: Aber Sie benehmen sich, als wären Sie in einem Kreistag!)
Wie ich höre, ist auch die CDU-Fraktion nicht besonders glücklich über das Vorgehen. Ich möchte zwei Stellen aus diesem offenen Brief zitieren. Sie aber – so dieser offene Brief – bieten uns lediglich einen „Dialog“ an, der „die Arbeiten im Salzstock Gorleben begleiten“ soll. Während dort die Baumaschinen bereits Fakten schaffen. Es wird deutlich: Die Bürgerinnen und Bürger betrachten das als eine Alibiveranstaltung und haben das Gefühl,
es werden Tatsachen geschaffen, wie seit 30 Jahren Tatsachen geschaffen werden, ohne dass sie wirklich gehört
und ihre Ängste und Bedenken wahrgenommen werden.
Weiter heißt es: Herr Bundesumweltminister, wir wollen eine offene und transparente Debatte über das Atommüllproblem. In ganz Deutschland. Keinen regionalen Scheindialog. Recht haben die Bürgerinnen und Bürger; das wird Woche für Woche auch im Untersuchungsausschuss deutlich. Es wird in diesem Land nicht über die Frage diskutiert: Wohin mit dem Müll, den wir seit 50 Jahren produzieren? Es wird weiter in Gorleben erkundet, obwohl seit 30 Jahren klar ist, dass es zumindest sehr große Zweifel an der Eignung dieses Salzstockes gibt. Es wird weiter erkundet, weil dieser Salzstock der Entsorgungsnachweis für die in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke ist. In dem Moment, in dem klar wäre, dass Gorleben ungeeignet ist, müssten die Betriebsgenehmigungen zurückgenommen werden. Dass das im Moment politisch nicht passt, ist vollkommen klar. Aber daran wird deutlich, dass im Moment, genau wie in den letzten 30 Jahren, nicht die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, nicht der Stand von Wissenschaft und Technik und nicht die Sorge um zukünftige Generationen im Fokus Ihrer Betrachtungen stehen, sondern nur der Weiterbetrieb und die Möglichkeit, den Konzernen weiterhin Geld zuzuschustern. Das hören wir Woche für Woche von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Schließen möchte ich mit einem Zitat aus der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses, in der ein mit der Erkundung befasster Ingenieur sagte:
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das stimmt ja gar nicht!)
Selbst mit den besten technischen Bauwerken – die man bei Brücken oder Tunneln vielleicht verantworten kann, die man bei Zeiträumen von 1 Million Jahre aber nicht verantworten kann, weil man die Havarie unter Umständen nicht mehr feststellen wird – und unterirdischen Maßnahmen wird man aus einem maroden Kübelwagen keinen Mercedes machen. – Genau darum geht es. Es ist längst widerlegt, dass die Grundvoraussetzungen, die Sie am Anfang immer eingefordert haben, zum Beispiel ein intaktes Deckgebirge, erfüllt sind. Sie versuchen weiterhin, Möglichkeiten zu finden, um diesen Salzstock zu rechtfertigen, obwohl längst deutlich ist: Die Eignung ist nicht gegeben.
Ich danke.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Patrick Döring [FDP]: Was Sie alles wissen!)