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Privatisierungswahn in Deutschland führt zu neuer Wohnungsnot

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Rede von Heidrun Bluhm, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, in der abschließenden Haushaltsdebatte zum Bundeshaushalt 2013 zum Etat des Bundesministeriums Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor allem ein herzliches Willkommen den Gästen aus Mecklenburg-
Vorpommern, meinem Heimatland!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Fraktion Die Linke hat sich in ihren Anträgen zum Haushalt 2013 beim Etat „Bauen und Wohnen“ auf zwei Schwerpunkte konzentriert, zum Ersten auf den sozialen Wohnungsbau und zum Zweiten auf die Altschuldenhilfe für die ostdeutsche Wohnungswirtschaft. Die Ereignisse zeigen, dass unsere Schwerpunkte gleichzeitig
leider auch Brennpunkte sind.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach was!)

Am 10. November dieses Jahres hat es in mehreren deutschen Städten – in Berlin, Hamburg und Freiburg – wohl erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Demonstrationen von Mieterinnen und Mietern gegeben. Die Menschen wollen und können die rasant steigenden Miet- und Wohnkosten nicht mehr länger hinnehmen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das sind vor allem die kommunalen Belastungen! Die Nebenkosten sind höher als die Miete!)

Sie machen die Bundesregierung und deren jahrelange Fehlleistung in der Wohnungspolitik dafür verantwortlich, dass die Wohnkosten überall dramatisch steigen und mittlerweile einen Großteil des Haushaltseinkommens förmlich auffressen.

Die Demonstrationen hätten ebenso gut in Greifswald, Jena oder München stattfinden können. Das werden sie sicherlich zukünftig auch; denn das wird sich zu einem Flächenbrand in der Republik entwickeln, und die Bundesregierung ist immer noch nicht wach.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ja!)

Sie hat noch nicht akzeptiert, dass Wohnen eine soziale Frage und eine politische Aufgabe ist.

Durch den Privatisierungswahn in Deutschland steuern wir auf eine neue Wohnungsnot zu. Eine der grundlegenden Ursachen für den galoppierenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist der faktische Zusammenbruch des sozialen Wohnungsbaus in den vergangenen Jahren.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sollen wir uns ein Vorbild an der ehemaligen DDR nehmen? War das super?)

In den letzten zwei Jahrzehnten sind immer mehr Wohnungen aus der Sozialbindung herausgefallen, allein in den letzten zehn Jahren 100 000 pro Jahr. Die Pestel-Studie, die uns allen vorliegt, hat das Ergebnis, dass, vorsichtig gerechnet, bundesweit insgesamt 5,6 Millionen Sozialwohnungen benötigt werden. Tatsächlich sind zurzeit nur noch 1,6 Millionen solcher Wohnungen verfügbar, und wir werden zum Jahresende die 1,5-Millionen-Grenze unterschreiten.

In Metropolregionen, Groß- und Universitätsstädten zeigt sich die Wohnungsnot schlicht in fehlendem Wohnraum; dort kann alles, egal in welchem Zustand, vermietet werden – und das zu Mondpreisen. Die Folge ist: Nicht nur Transferempfänger werden aus städtischen Quartieren ausquartiert, auch Berufstätige mit geringerem Einkommen oder durchschnittlichem Einkommen können es sich einfach nicht mehr leisten, in angemessener Entfernung zu ihrer Arbeitsstätte zu wohnen. Der Wohnungsmarkt ist für sie faktisch geschlossen. Notwendig sind dringend mehr Sozialwohnungen.

Im ländlichen Raum, in kleineren Städten, abseits der Boomtowns, gibt es zwar kein Wohnungsproblem, das sich in fehlenden Quadratmetern ausdrücken ließe. Hier
zeigt sich die Wohnungsnot allerdings in einem Mangel an energetisch sanierten und altersgerechten Wohnungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Trotz stabiler Kaltmieten treiben die Mietnebenkosten die Preise für das Wohnen steil nach oben. Wer heute im Niedriglohnsektor arbeitet oder Hartz IV bezieht, wird
später von Altersarmut betroffen sein und das Wohnen überhaupt nicht mehr bezahlen können. Wohnen wird überall in unserer Republik zu einem existenziellen Problem.

Neben dem Umstand, dass immer mehr Wohnungen aus der Mietpreisbindung herausfallen, werden einfach zu wenige Wohnungen mit Preisbindung oder Belegungsbindung gebaut. Neu gebaut werden aktuell noch 10 000 solcher Wohnungen im Jahr. Gebraucht würden fünfmal so viele.

Wir fordern deshalb nicht nur, dass die Kompensationszahlungen
des Bundes beibehalten werden, sondern wir wollen, dass sie auf 700 Millionen Euro angehoben und auf diesem Niveau verstetigt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies muss begleitet werden von verbindlichen Vereinbarungen mit Ländern und Kommunen, damit diese Mittel tatsächlich restlos zweckgebunden eingesetzt werden.

Nun noch ein Satz zu den Altschulden. Wir fordern, dass die noch verfügbaren Mittel der Altschuldenhilfe auch über das Jahr 2013 hinaus für die ostdeutschen
Wohnungsunternehmen verfügbar gehalten werden; denn wenn diese Mittel – circa 75 Millionen Euro – bis Ende 2013 nicht abgerufen werden sollten, dann nicht deshalb, weil sie nicht gebraucht würden, sondern deshalb, weil es gerade den kleineren Wohnungsunternehmen in ländlichen Bereichen an Wirtschaftskraft mangelt, um die Mittel der Altschuldenhilfe formal fristgerecht einzusetzen. Das sagt auch der GdW. Also kassieren Sie diese Millionen nicht wieder ein! Denn damit verhindern Sie den Abriss von 20 000 leerstehenden Wohnungen im Osten.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Minister, ein letztes Wort: Sie sagen, man könne die Städtebauförderung mit einem Tanker vergleichen. Das sage ich auch öfter, und das ist auch richtig. Aber
der Unterschied zwischen einem Tanker und der Wohnungspolitik der Bundesregierung ist, dass ein Tanker am Start mit ausreichend Treibstoff und mit einem Navigator ausgestattet ist. Nehmen Sie unsere Anträge als Navigator

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Dann würden wir aber bald am nächsten Riff auflaufen!)

und die Fördermittel als Treibstoff! Dann kommen Sie gemeinsam mit den Mieterinnen und Mietern in Deutschland und mit uns ins Ziel. Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sören Bartol [SPD] und Daniela Wagner
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])