Zum Hauptinhalt springen

Privatisierung der Justiz

Rede von Jens Petermann,

168. Sitzung des Deutschen Bundestages, 22. März 2012
TOP 11: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare und erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 98 a)
Drucksachen 17/1468 und 17/1469

Jens Petermann (DIE LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder erstaunlich, mit welchen Initiativen wir uns hier befassen dürfen. Einige Bundesländer wollen mit diesem Gesetzentwurf, letztlich auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger, ihre Justizverwaltung verschlanken. Eine Reihe von Aufgaben, die bisher von den Gerichten erfüllt werden, soll zukünftig auf die Notare verlagert werden. Die Länder wollen auf die Weise Sach- und Personalkosten einsparen.
Sicher wurde diese Idee nicht in den Justizministerien, sondern bei den Sparkommissaren der Finanzministerien geboren. Ich frage mich zum wiederholten Mal, welchen Stellenwert die Justizministerien als zuständige Organisatoren der rechtsprechenden Gewalt innerhalb der Landesregierungen haben. Man hat immer wieder den Eindruck, dass sie das 13. Rad am Wagen sind.
Das ganze Vorhaben hat aber auch Züge eines Schildbürgerstreiches. Die Kostendeckung der Nachlassgerichte, deren Aufgaben auf die Notare übergehen sollen, liegt bei weit über 100 Prozent. Damit wäre der Einnahmeverlust für die Justiz bei einem Wegfall der Aufgaben höher als eine denkbare Einsparung bei Personal- oder Sachkosten.


                                 (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Da stellt sich automatisch die Frage, welche Ideologie hinter diesem Plan steckt. Wollen die Bundesländer ernsthaft eine der wenigen Einnahmequellen der Justiz privatisieren? Offensichtlich ja; denn sie versprechen sich höhere Steuereinnahmen durch höhere Gewinne bei den Notaren. Das wäre ganz offensichtlich ein Geschäft zulasten Dritter, nämlich der rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger, die letztlich die Zeche zahlen werden. Das wird mit der Linksfraktion nicht zu machen sein.


                                   (Beifall bei der LINKEN)


Die Folge wäre: Nachlassverfahren würden erheblich teurer als bisher. Ein Erbscheinverfahren kostete damit mindestens 19 Prozent mehr. Das nicht kostendeckende Beschwerdeverfahren sowie das kostenfreie Erinnerungsverfahren sollen bei den Amtsgerichten verbleiben, während die lukrativen Teile des Nachlassverfahrens auf die Notare übertragen werden sollen.
Die mögliche Freisetzung von Personal wird letztlich nur das Bedürfnis der Sparfanatiker auf Stellenstreichungen befriedigen, die Personalausstattung an den Gerichten jedoch keinesfalls verbessern. Die Finanzminister werden die Stellen kassieren und zugleich höhere Steuereinnahmen erreichen, während die Einnahmen und Aufgaben im Justizressort wegbrechen. Daraus ergeben sich neue Argumente für die Diskussion um die Schließung von Gerichtsstandorten; da bin ich mir ziemlich sicher. Das sollten sich die Justizminister, also die in der Exekutive verankerten Sachwalter der dritten Gewalt, eigentlich nicht bieten lassen.


                                       (Beifall bei der LINKEN)


Die Bürgerinnen und Bürger haben einen gesetzlichen Justizgewährungsanspruch. Eine weitere Aushöhlung durch Privatisierungen werden wir nicht akzeptieren. Die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Justiz darf durch weitere Privatisierungen nicht gefährdet werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Länder haben gemerkt, dass ihr Vorhaben mit dem Grundgesetz kollidieren wird, und wollen es darum gleich mit ändern; davon war hier schon mehrfach die Rede. Ich hoffe, dass das Vorhaben in diesem Haus keine Mehrheit findet; das zeichnet sich bereits jetzt, in der ersten Lesung, ab. Für diesen Schildbürgerstreich, liebe Kolleginnen und Kollegen, lohnt es sich nun wirklich nicht, das Grundgesetz anzutasten.
Der Gesetzentwurf suggeriert, dass es für den Bürger zukünftig nur noch einen besonders qualifizierten Ansprechpartner für Erbsachen gibt: die Notariate. Da diese aber auch beratend tätig werden, besteht ein Interessenkonflikt; Notare kann man nicht zu ihrem eigenen Kontrollorgan machen.
Herr Stadler, an das Haus der Justizministerin gerichtet: Ich denke, Ihnen wird sicher daran gelegen sein, dass es so bleibt, wie es ist. Ich hoffe, dass Sie helfen, das Vorhaben zu beerdigen. Denn diese Vorschläge führen zu einer schlechteren Ausstattung der Gerichte und zu einer Verteuerung justizieller Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Das ist diesmal mit Links nicht zu machen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Wir machen nichts mit links! Wir machen alles sehr ordentlich!)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


                                     (Beifall bei der LINKEN)