Weg mit der Zwei-Klassen-Medizin!
Harald Weinberg (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuhörerinnen und Zuhörer sind leider keine mehr da.
(Heinz Lanfermann (FDP): Kein Wunder!)
Kein vergleichbares Land auf der Welt hat ein so unsinniges Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wie Deutschland.
(Lars Lindemann (FDP): Das stimmt nicht!)
Bei uns werden die Menschen in die beiden unterschiedlichen Systeme mehr oder minder aufgrund des beruflichen Status eingeteilt; historisch ist das weitgehend überholt. Wer selbstständig ist, Beamter, gut verdienender Angestellter oder Berufspolitiker, zudem noch jung und gesund, der kommt in die private Krankenversicherung, alle anderen müssen in die gesetzliche. Dieses Nebeneinander ist ein Ärgernis. Es ist ein Symbol für die Zweiklassenmedizin in Deutschland, die wir nicht wollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit stehen wir allerdings schon lange nicht mehr allein. Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse hat vor kurzem umstandslos festgestellt:
"Die PKV passt nicht in unser System. Wir sollten sie abschaffen."
(Beifall bei der LINKEN)
Sogar der Kollege Jens Spahn hält die Trennung für „nicht mehr zeitgemäß“ und stellt laut Presse die Systemfrage.
(Zurufe von Abgeordneten der SPD und der LINKEN: Ui! Ui!)
Welchen Grund gibt es, von Menschen mit gleichem Einkommen unterschiedliche Beiträge zu verlangen? Welchen Grund gibt es, Menschen mit der gleichen Krankheit, mit der gleichen Diagnose, die beim selben Arzt in Behandlung sind, verschieden zu behandeln? Ich rede hier nicht von schlechter oder besser. Die Annahme, die auch in der Bevölkerung weit verbreitet ist, als Privatpatient werde man automatisch besser behandelt, ist zumindest sehr zweifelhaft. Richtig ist: Man bekommt schneller einen Termin beim Facharzt. Richtig ist: Man hat womöglich eigene Wartezonen. Richtig ist: Man bekommt vielleicht einen Kaffee. Aber man wird zweifellos häufiger und teurer behandelt, weil mehr Geld zu verdienen ist. Das ist nicht nur schädlich für das Portemonnaie, das kann auch durchaus der Gesundheit abträglich sein, weil letztlich auch Fragwürdiges abgerechnet werden kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, kaum ein Privatversicherter kann seinen Versicherungsvertrag in allen Einzelheiten verstehen. Häufig tun das noch nicht einmal diejenigen, die diese Verträge vermitteln: die Versicherungsmakler.
(Lars Lindemann (FDP): Als ob die gesetzlich Versicherten das SGB V auswendig könnten!)
Die Konstruktionen und Kalkulationen der Tarife werden auch nicht offengelegt. Es gibt Unbekannte in der Kalkulation, zum Beispiel die Zinsentwicklung. Warum ist das wichtig? Einen Teil der Beiträge junger Versicherter nutzt das Versicherungsunternehmen, um Rückstellungen zu bilden, wenn die Versicherten alt sind. Die Zinserträge hieraus entscheiden auch über die Höhe der Beiträge. Bei einem dauerhaft niedrigen Zinssatz, wie wir ihn derzeit haben, ist die direkte Folge: Die Beiträge steigen. Selbst wenn die Zinsen über die gesamte Vertragslaufzeit hoch genug wären: Weder steigende Gesundheitskosten noch die Inflation sind ausreichend in diese Berechnungen eingepreist.
(Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Deswegen Zwangsbeglückung, oder wie?)
Die Folge: Die Beiträge, vor allen Dingen für ältere Privatversicherte, gehen „durch die Decke“.
Dann zeigt sich, dass „Hier die gesetzliche Krankenversicherung, die als bürokratische Staatsmedizin daherkommt, und dort die private Krankenversicherung als innovative wettbewerbsorientierte Alternative“ schlicht ein Märchen ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Versuchen Sie als Privatversicherter so ab 50 doch einmal, die Wettbewerbsfähigkeit zu testen und zu einer anderen Versicherung zu wechseln. Welch böses Erwachen! Die Versicherungen verlangen eine Gesundheitsprüfung, und bei ehrlicher Beantwortung der Fragen lehnen einige der Versicherungsunternehmen wegen Vorerkrankung einfach die Versicherungsmöglichkeit ab, andere wollen entsprechende Leistungsausschlüsse, und wieder andere wollen Risikozuschläge erheben, die den Beitragssatz noch weiter in die Höhe treiben. Oder es wird angeboten, den Beitragssatz durch deutliche Erhöhung der Selbstbehalte stabil zu halten. Hier ist weit und breit kein Wettbewerb. Es gibt nur einen Wettbewerb um die Jungen und Gesunden. Wer schon länger dabei ist, kann so gut wie nicht mehr wechseln und ist auf Gedeih und Verderb einer Versicherung ausgeliefert. Das soll innovativer Wettbewerb sein? Für mich ist das eine Bankrotterklärung der privaten Krankenversicherung.
(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU)
Jetzt wird wieder behauptet, die Linke mache eine Politik gegen die Privatversicherten. Das ist falsch. Wir wollen die bestmögliche gesundheitliche Versorgung für alle Menschen in Deutschland. Das ist mit der Privatversicherung nicht möglich, dazu brauchen wir die Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, in die alle Menschen einbezogen sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Dann wird noch der Vorwurf kommen, das gehe verfassungsrechtlich nicht. Das haben die Konservativen in der USA auch zu Obamas Gesundheitsreform gesagt. Letztendlich hat dort der Oberste Gerichtshof Obama aber zugestimmt. Es kommt also auf den Versuch an, den die Linke wagen will.
(Heinz Lanfermann (FDP): Was hat der amerikanische Oberste Gerichtshof mit deutscher Politik zu tun?)
Denn man kann mit Kurt Marti nur sagen:
"Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen!"
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN - Heinz Lanfermann (FDP): So ein Unfug!)