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Petra Pau: Gegen Demokratieverdruss hilft nur mehr Demokratie

Rede von Petra Pau,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein erster Gedanke. Unter der Generalüberschrift „Nachhaltigkeit“ geht es auch um Fragen lebendiger Demokratie – zu Recht. Denn unsere Demokratie steht keineswegs auf sicheren Füßen. Sie muss im Alltag verteidigt und grundsätzlich weiterentwickelt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gegen Demokratieverdruss hilft letztlich nur mehr Demokratie, mehr direkte Demokratie. Das fordert Die Linke seit Langem, auch auf Bundesebene.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein zweiter Gedanke.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hört die FDP zu?)

Zu nachhaltiger Demokratie gehört auch, dass in besonderen Zeiten – aktuell angesichts der Coronapandemie – Maßnahmen dagegen prinzipiell parlamentarisch begründet, begrenzt und begleitet werden.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Sehr richtig!)

Sondervollmachten für die Exekutive widersprechen dem.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Konstantin Kuhle [FDP] und Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Drittens. Bundesinnenminister Seehofer hat vor Monaten festgestellt: Von Rechtsextremisten geht die größte Gefahr für die Demokratie aus. – Das unterstreiche ich hier – auch für Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Feststellung muss dann aber auch Konsequenzen haben. Dazu gehört, dass Initiativen, die sich für Bürgerrechte und Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagieren, dauerhaft und auch hinreichend gefördert werden müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist nach wie vor nicht der Fall. Wir fordern dies hier ein, und ich füge hinzu: Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ist gemeinnützig und ungemein wichtig, und wir sollten uns dieser Sache annehmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Antidemokratisch!)

Ein vierter Gedanke. Demokratie ist gemäß dem Grundgesetz ein hohes Verfassungsgut. Aber es gibt auch immer wieder Versuche, das umzudeuten, etwa als die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Jahren eine marktkonforme Demokratie forderte. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wir brauchen einen demokratiekonformen Markt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Davon entfernen wir uns derzeit rasant.

Fünftens. Auf die Frage, ob die Digitalisierung Bürgerrechte und Demokratie stärkt oder schwächt, habe ich einmal geantwortet: Chancen groß, Gefahren riesig. – Dazu will ich uns und Ihnen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1983 in Erinnerung rufen. Es wird „Volkszählungsurteil“ genannt. Es besagt verkürzt und sinngemäß: Bürgerinnen und Bürger, die nicht mehr wissen oder nicht mehr wissen können, was wer über sie weiß, sind nicht mehr souverän. Eine Demokratie ohne Souveräne aber ist undenkbar.

Fragen wir uns selbst, ob wir noch wissen können, wer was über uns weiß! Die Antwort dürfte Nein sein, und dabei spreche ich nicht etwa nur über Datenbegehren von Staats wegen oder von Geheimdiensten. Die Digitalisierung – inklusive der sogenannten sozialen Netzwerke – ist ein wachsender Datenstaubsauger. Umso wichtiger ist ein umfangreicher Datenschutz, der dem 21. Jahrhundert gerecht wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sechstens. Damit bin ich bei einem global ungelösten Problem. Datenmonopole wie Google, Amazon, Facebook usw. horten, verknüpfen und manipulieren Milliarden persönlicher Daten und vermarkten sie mit einem wahnsinnigen Profit. Dagegen gibt es bislang weder Kontroll- noch Schutzmechanismen. Ich räume ein: Auch ich kenne kein erfolgversprechendes Modell, wie diese digitale Aushöhlung der Demokratie zu bannen ist. Aber es zeigt, wohin eine marktkonforme Demokratie führt. Verlierer sind die Demokratie und die Würde des Menschen.

Damit zu meinem siebten und abschließenden Gedanken. Fundierte Untersuchungen, aber auch der Alltag zeigen: Demokratisches Engagement braucht eine solide soziale Basis.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Eine Gesellschaft, die in massenhaft Arm und elitär Reich zerfällt, bei der zudem die verbindende Mitte schwindet, eine solche Gesellschaft wird demokratischer Teilhabe entzogen, und deshalb engagiert sich Die Linke für beides: für soziale Gerechtigkeit und für mehr Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN)