Birgit Wöllert (DIE LINKE):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer und Zuhörerinnen und Zuhörerinnen! Zu Anfang sei gleich gesagt, dass es eine spannende Arbeit in diesem Petitionsausschuss ist, weil es eine Arbeit ist, die durch die Breite aller Politikfelder reicht. Als Abgeordnete, die auch in einer Stadtverordnetenversammlung und in einem Kreistag tätig ist, schätze ich es sehr, diese Breite der Politik oftmals auch in der politischen Bewertung zu haben. Das sei vorausgeschickt.
Ganz interessant finde ich, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales deutlich auf Platz eins der Liste der Petitionen liegt, gefolgt von dem Bundesministerium für Gesundheit auf Platz vier, das auch eine recht hohe Anzahl von Petitionen betrifft. Soziale Fragen, ich zähle diese einmal zusammen, sind somit mit einem hohen Anteil Gegenstand von Petitionen. Ich denke, das ist eine Widerspiegelung dessen, was gesamtgesellschaftlich diskutiert wird. Das halte ich für sehr wichtig, und deshalb möchte ich dies an zwei ganz konkreten Beispielen näher ausführen.
Wir hatten insgesamt elf öffentliche Petitionen in vier Sitzungen. Davon waren 36 Prozent aus dem Bereich des Ministeriums für Gesundheit. Spitzenreiter bei den öffentlichen Petitionen war die Petition zur Reform der Pflegeversicherung auf der Grundlage eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, an der sich 176 523 Menschen beteiligt haben. Ich finde, das ist eine tolle Form, seine eigenen Angelegenheiten selbst in die Hände zu nehmen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Worum ging es dabei? - Es ging um ein neues Verständnis von Pflegebedürftigkeit. Ich bin immer für eine konstruktive Arbeit. Harmonisch muss sie nicht immer sein, das sind wir auch sonst nicht alle,
(Zuruf von der CDU/CSU: Gar nicht!)
und das unterscheidet uns als Opposition von der Koalition.
(Paul Lehrieder (CDU/CSU): Wir bemühen uns!)
Eine nur harmonische Opposition erübrigt sich eigentlich.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was heißt das im Einzelnen? - Der Hilfebedarf der Menschen ist ganzheitlich und unter Einbeziehung von seelischen, geistigen und körperlichen Einschränkungen zu beurteilen. Seit 2009 liegen dazu Ergebnisse von verschiedenen Sachverständigen vor. Nun will die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag den Pflegebedürftigkeitsbegriff erst 2017 wirklich auf die Tagesordnung bringen. Das geht den Petentinnen und den Petenten zu langsam, und ich sage: zu Recht.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Betroffenen haben einfach nicht so lange Zeit. Ihnen rennt die Zeit buchstäblich davon, und wir Politikerinnen und Politiker haben da einfach schneller zu sein. Wenn Expertinnen und Experten sich in eigener Sache zu Wort melden, geben sie auch immer gute Hinweise, wie etwas finanziert werden kann. Es ist nämlich ein Märchen, dass immer nur gefordert und nicht gesagt wird, wie das bezahlt werden kann. Auch das zeigte sich in der öffentlichen Anhörung, und ich sage noch einmal recht herzlichen Dank dafür, dass alle, die sich diesen öffentlichen Anhörungen stellen, mit einer solchen Sachkompetenz gut vorbereitet dorthin kommen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Beispiel zwei: Sicherstellung der flächendeckenden wohnortnahen Versorgung mit Hebammenhilfe. Mit 88 512 Unterschriften lag diese Petition auf Platz drei, hinter der Massentierhaltung. Hier ging es erstens um Sofortmaßnahmen für die Hebammen wegen der Haftpflichtversicherung und zweitens darum, Voraussetzungen zu schaffen, dass Hebammen ohne Einschränkung bei normalen Geburten, der Nachsorge und der Hilfe bei Beschwerden ihrer Arbeit gut nachkommen können. Es ist leider nicht gesetzlich gesichert das wird auch mit dem neuen Gesetz, dessen Entwurf wir im Rahmen der zweiten und dritten Beratung unter Tagesordnungspunkt 6 verabschieden werden, nicht gesichert sein , dass Hebammen künftig eine Absicherung haben.
Vizepräsident Johannes Singhammer:
Frau Kollegin Wöllert, als erfahrene Parlamentarierin wissen Sie, dass jede Redezeit einmal ein Ende hat.
Birgit Wöllert (DIE LINKE):
Ich kann nur noch sagen: Ich habe das jetzt auf den Weg gebracht. Die Sache läuft.
Liebe Petentinnen und Petenten, bleiben Sie weiterhin so fleißig, und sorgen Sie dafür, dass der Bundestag so viel wie möglich Arbeit hat. Sie haben durchaus Möglichkeiten, hier mitzuwirken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU