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Patientenverfügung schafft keine Sicherheit - stattdessen: Vertrauen stärken!

Rede von Ilja Seifert,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin weder katholisch noch eine Frau. Aber eine der vielen Zuschriften, die wir zum Beispiel von einer katholischen Frauenorganisation bekommen haben, enthält den bemerkenswerten Satz, dass es den Damen lieber sei, wir fällten keine Entscheidung als eine, die noch mehr verwirrte. Ich spreche hier als jemand, der keinen der vorliegenden Gesetzentwürfe unterstützt; denn ich kenne viele Menschen, die keine Patientenverfügung verfassen wollen.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Sie müssen es auch nicht!)

Es wurde bereits mehrfach gesagt, dass dieses Recht selbstverständlich weiterexistiert. Ich möchte in dieser Debatte extra dafür sprechen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass jede Patientenverfügung, wie auch immer sie verfasst sein mag, eher zur Verwirrung beiträgt, weil sie den Glauben vermittelt, man hätte Sicherheit von fast allen Seiten wurde bereits gesagt, dass der Wille anderer in der Regel mehr Verwirrung stiftet als der eigene und wäre in einer rechtlich klaren Situation. Das stimmt aber in Wirklichkeit nicht.

Was brauchen wir denn wirklich, wenn wir nicht mehr fähig sind, unseren Willen zu bekunden, wenn es an das Sterben geht? Ich denke, das Wichtigste ist das Vertrauen zu den Personen, die um uns herum sind. Deshalb plädiere ich sehr dafür, zum Beispiel eine Vorsorgevollmacht auszustellen, also zu sagen, welche Person meines Vertrauens dann, wenn ich selber nicht mehr reden, mich nicht mehr äußern kann, in der Lage ist, für mich zu sprechen. Mit dieser Person muss ich natürlich vorher geredet haben; das ist doch klar. Das sind in der Regel sehr nahe Angehörige. Das muss aber nicht sein. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns deshalb nicht den Eindruck vermitteln, dass wir mit einer notariell beglaubigten Patientenverfügung wirklich Sicherheit haben, dass am Ende des Lebens unser Selbstbestimmungsrecht und unsere Würde so gewahrt bleiben, wie wir es uns wünschen und erwarten dürfen.

Wir müssen in unserem ganzen Leben immer auf bestimmte Menschen vertrauen, gerade in der Situation der Krankheit. Ich muss darauf vertrauen, dass die Ärzte ihr Handwerk verstehen und mich richtig beraten, dass sie mich nicht so beraten, dass sie möglichst viel verdienen, sondern so, dass es mir möglichst gut geht. Das hat etwas mit dem Vertrauen zu tun, das ich zu meinem Hausarzt oder zu wem auch immer habe. Das Gleiche trifft in jeder anderen Situation zu, erst recht in der Situation des Sterbens. Deshalb: Lassen Sie uns die Palliativmedizin ausbauen, lassen Sie uns die ambulanten und stationären Hospize stärken, lassen Sie uns die Pflege verbessern usw. Damit helfen wir den Menschen wirklich. Und: Lassen Sie uns das altbewährte Prinzip des Vertrauens von Menschen, die sich lieben vielleicht darf man so etwas in diesem Zusammenhang einmal sagen , stärken. Wir sollten nicht so tun, als ob wir mit einem Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen aller Art wirklich etwas in der Situation, über die wir hier gerade reden, erreichen würden.
Noch einmal: Man muss weder katholisch noch eine Frau sein, um diesem Satz zuzustimmen. Bevor wir dadurch mehr Verwirrung schaffen, dass wir so tun, als ob wir etwas getan hätten, lassen Sie uns lieber bewusst die Entscheidung fällen, keine Patientenverfügung vorzuschreiben.

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Wir schreiben keine vor!)
Das wäre eine bewusste Entscheidung zur Stärkung des Vertrauens untereinander. Betonen Sie bitte überall, wenn Sie draußen mit den Leuten reden, dass es keine Pflicht zum Verfassen von Patientenverfügungen gibt. Wer es doch tut, nimmt sein gutes Recht wahr, aber man sollte nicht denken, es ginge nicht ohne.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD)