Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Rüddel, ich hatte es bisher immer so verstanden, dass der Herr Minister Rösler dieses Jahr zum Jahr der Pflege erklärt hat. Sie haben es jetzt zum Jahr der Patienten gemacht.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Das gehört doch zusammen!)
Vielleicht einigen Sie sich da koalitionsintern, damit wir wissen, was jetzt eigentlich angesagt ist.
(Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Multitasking!)
Ich habe einmal das Wort „Patientenrechte“ gegoogelt und 143 000 Einträge gefunden. Bei demselben Begriff auf Englisch oder Spanisch erhalte ich jeweils 17 Millionen Einträge, und wenn ich den französischen Begriff eingebe, sind es sogar 19 Millionen Einträge.
(Rudolf Henke (CDU/CSU): Sie haben eine neue Zählmaschine! Das war gestern auch schon so!)
Wenn ich ihn auf Niederländisch eingebe, sind es immerhin noch 219 000 Einträge. Zumindest hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung scheint es mit den Patientenrechten in Deutschland und im deutschsprachigen Raum nicht ganz so weit her zu sein, wie uns das hier immer dargestellt wird.
(Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Das machen wir jetzt an Google-Einträgen fest? Heinz Lanfermann (FDP): Geben Sie einmal „Kommunismus“ ein, und schauen Sie, was dabei herauskommt!)
Worüber reden wir jetzt eigentlich? Dazu will ich Ihnen einmal eine Geschichte aus meiner Heimat erzählen, die sich etwa vor einer Woche zugetragen hat. Es wäre ganz gut, wenn Sie zuhören würden, weil das nicht erfreulich ist:
(Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Wir hören immer zu!)
Ein 83-Jähriger blinder Mann kommt zu einer Untersuchung ins Krankenhaus. Dort erleidet er einen Kreislaufzusammenbruch und wird stationär aufgenommen. Nach einigen Untersuchungen wird er entlassen und mit einem Krankenwagen nach Hause gebracht: allein, im OP-Hemd und noch mit der Infusionsnadel im Arm.
Dieses Ereignis ist einfach mehr als ein Fehler, den Menschen nun einmal machen. Für mich ist das Ausdruck eines Gesundheitswesens, das immer mehr von der Ökonomie beherrscht wird, in dem der Patient nicht mehr ein leidender Mensch ist, dem zu helfen ist, sondern so etwas wie ein Werkstück, das im Fließbandtakt die Fabrik durchläuft, und in dem die Pflegenden und Behandelnden immer mehr zu selenloser und entwürdigender Fließbandarbeit gezwungen werden.
Die Linke setzt sich deswegen für ein Gesundheitswesen ein, das allen Menschen barrierefrei und unabhängig von ihrem Einkommen eine gute medizinische Versorgung garantiert. Ich finde es ganz wichtig, dass die Wahrung ihrer Würde und Selbstbestimmung dabei stärker als bisher in den Mittelpunkt gerückt wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Die derzeitigen Rechte für Patientinnen und Patienten ich glaube, darin sind wir alle uns einig finden sich in vielen Einzelgesetzen wieder, und vieles ist gar nicht gesetzlich geregelt, sondern ergibt sich nur aus der Rechtsprechung.
(Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): „Nur“?)
Ich glaube, die Patientinnen und Patienten haben den Gerichten in Deutschland in den letzten Jahren tatsächlich mehr zu verdanken als der Politik.
Der Antrag mit dem Titel „Für ein modernes Patientenrechtegesetz“, den die SPD hier vorgelegt hat, hat ja schon vor einem Monat seinen ersten Geburtstag gefeiert.
(Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Darum diskutieren wir das ja hier auch!)
Er kann also schon fast laufen. Er enthält einige richtige und wichtige Gedanken das möchte ich auch unterstützen , wie den Entschädigungsfonds und die Regulierung der sogenannten IGeL. Man merkt ihm aber doch noch ein bisschen seine Entstehungsgeschichte an.
Gleich zu Beginn der Legislaturperiode haben Sie ihn eilig aus dem zusammengezimmert, was Sie in der gemeinsamen Regierungsarbeit mit der CDU/CSU liegenlassen mussten. Die Linke auch ich kann sicher mit Ihnen mitgehen, wenn Sie fordern, die Rechte der Patientinnen und Patienten zusammenzufassen und zu stärken. Ich kann es mir aber nicht verkneifen, Sie daran zu erinnern, dass Sie bis 2009 die Verantwortung für das Justiz- und das Gesundheitsministerium hatten. Insofern stellt sich die Frage, warum Sie damals nicht eine der Maßnahmen durchgesetzt haben, die Sie jetzt von Schwarz-Gelb fordern.
(Jörg van Essen (FDP): Bei Ulla Schmidt stellt sich die Frage nicht!)
Meiner Ansicht nach hätten Sie die 13 Monate Liegezeit dafür nutzen können, den Antrag nachzubessern und konkreter zu machen; denn bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss sind seitens der Patientinnen- und Patientenorganisationen einige gute Impulse gekommen. Das haben Sie leider versäumt. Deswegen und wegen des völlig überzogenen Eigenlobs in der Einleitung muss sich die Linksfraktion leider in der Abstimmung enthalten.
Es gibt aber erhebliche Schnittmengen zwischen unseren Auffassungen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir dann, wenn die Regierungsfraktionen ihren schon lange angekündigten Gesetzentwurf vorlegen, gemeinsam unsere Alternativvorschläge formulieren.
Die von der Bundesregierung vorgelegten Eckpunkte zum Patientenrechtegesetz lassen befürchten, dass der lang und breit angekündigte Entwurf nicht die nötige Weite haben wird und nicht mehr als ein kleiner Hopser wird: kein Satz zum Entschädigungsfonds, kein Gedanke an Beweiserleichterung. Lediglich den Krankenkassen wollen Union und FDP neue Lasten auferlegen.
Ich fand es schon symptomatisch, dass Sie in der Anhörung die anwesenden Patientenvertreter fast völlig ignoriert haben. Was sie zu sagen hatten, schien für Sie völlig uninteressant zu sein.
Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, machen Sie es sich bitte nicht so einfach. Wenn man etwas im Sinne der Menschen erreichen will, muss man sich eben auch manchmal mit Lobbygruppen anlegen.
(Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Damit haben Sie Erfahrung!)
Wenn Ihnen dazu der Mut fehlt, dann überlassen Sie das Regieren bitte anderen. Denn Regieren ist nichts für Feiglinge.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Selbst das haben Sie vom Blatt abgelesen!)