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Parteiensponsoring: Geld, Macht und Politik

Rede von Halina Wawzyniak,

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her¬ren!

Als ich vor einem halben Jahr in den Bundestag gewählt wurde, hätte ich nicht gedacht, dass ich hier so häufig reden muss,

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich Sie so häufig ertragen muss!)

und das nur, weil ältere Herren zu blöd sind, mit Geld umzugehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Wellenreuther, man sollte vielleicht etwas mehr lesen als Überschriften. Ich verstehe ja, dass Sie ein Problem mit der Gründung der neuen Linken haben.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist die alte SED!)

Das, was Sie angesprochen haben, war eine Unterstützung des Wahlkampfes der WASG, weil die Linke nicht angetreten ist. Dies war im Rechenschaftsbericht der WASG nicht aufgeschrieben worden. Machen Sie daraus keinen Skandal.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: War es ein Ver-stoß, oder war es kein Verstoß?)

Nun will ich aber nicht - ich bin ja ein freundlicher Mensch - mit gleicher Münze zurückzahlen. Deswegen will ich der in Verruf geratenen CDU jetzt nicht voller Misstrauen unterstellen, sie setze das Sponsoring zur Umgehung des Parteiengesetzes absichtsvoll ein. Niemals. Es wäre ja absurd, anzunehmen, dass ausgerechnet Sie so handeln würden wie Kohl, Koch und Kanther.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Das würde im Übrigen auch die FDP nicht zulassen, die mit Sicherheit gelernt hat aus Lambsdorff, Möllemann und Rexrodt.

(Beifall bei der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sagen Sie auch noch etwas zur Sache und zum Thema?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, es hat ja schon postpubertäre Züge, wie Sie hier auf die Linke reagieren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN - Zuruf von der FDP: Die Pubertät war schöner!)

Ich habe Ihnen das letzte Mal gesagt - das wüssten Sie, würden Sie zuhören -, was mit dem SED-Vermögen geschehen ist. Ich nenne zwei Daten: 31. August 1991, sämtliche Konten gesperrt; 18. Juli 1995, Vergleich mit der Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien.

(Marco Buschmann [FDP]: Gab es schwarze Konten oder nicht?)

Was unser Programm angeht, da zweifle ich an Ihren Lesefähigkeiten; denn wir haben eines. Im Übrigen hat ziviler Ungehorsam diesem Parlament noch nie geschadet.

(Beifall bei der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So haben die Extremen immer argumentiert!)

Nun kommen wir noch einmal zum Sponsoring. Dieses ist im Parteiengesetz mit seinen Publikationspflichten tatsächlich nicht vollständig geregelt. Dennoch sind die Leistungen des Sponsors steuerlich absetzbar und für ihn aufgrund der Werbewirksamkeit durchaus attraktiv. „Sponsoring ist“, so hat Professor Martin Morlok formuliert, „eine praktisch bedeutsame Form der Parteienfinanzierung“. Es ist aus Sicht der CDU eine durchaus zauberhafte Variante, ihre politisch fragwürdigen Machenschaften zu betreiben, ohne die in Verruf geratenen Parteispenden zu nutzen.

Im Übrigen ist es mir völlig wurscht, ob die Ministerpräsidenten von NRW und Sachsen, Rüttgers und Tillich, käuflich und daher als Landesväter nicht tragbar sind oder ob sie nicht wissen, was ihre Partei hinter ihrem Rücken veranstaltet. Am Ende gilt nur eines - der Bundestagspräsident hat recht -: Es ist selten dämlich.

(Beifall bei der LINKEN)


Diese Art der Parteienfinanzierung ist nur ein Teil des Puzzles aus Geld, Macht und Politik. Abgeordnetenbe¬stechung und Lobbyismus, Sponsoringleistungen an die Bundestagsverwaltung, die Entsendung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern großer Unternehmen und Verbände in die Ministerien - das alles macht das Puzzle komplett.
Es ist genau dieses Puzzle, das zu Parteienverdrossenheit, Politikverdrossenheit und letztendlich zu Demokratieverdrossenheit führt.

(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Alles Krokodilstränen!)

Die Menschen haben nämlich das Gefühl: Nicht die Abgabe der Stimme bei der Wahl ist entscheidend. Vielmehr ist es so: Wer Geld hat, kommt an die Mächtigen in Politik und Staat heran und kauft sich die entsprechenden politischen Entscheidungen einfach.

(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Ja, ja! Das war früher ganz anders!)

Der Gedanke der Repräsentation in unserem politischen System wird damit ad absurdum geführt. Aber Sie stellen sich hierhin und beklagen ernsthaft, dass die Leute nicht mehr zur Wahl gehen. Meinen Sie denn im Ernst, die lassen sich von Ihnen an der Nase herumführen? Für wie dumm halten Sie die Menschen eigentlich?

(Beifall bei der LINKEN - Marco Buschmann [FDP]: Nicht für so dumm, dass sie das Zeug, das Sie erzählen, glauben! - Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Wahlpflicht wie in der DDR!)

Die Linke hat in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung an das internationale Niveau angeglichen werden sollte.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch!)

Abgelehnt!

Die Linke hat in der letzten Legislaturperiode einen Antrag eingebracht, um ein Lobbyistenregister einzuführen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles unsere Anträge!)

Abgelehnt!

Wenn Sie das, was Sie sagen, ernst meinen, dann stimmen Sie diesem Gesetzentwurf bzw. Antrag, die wir erneut einbringen werden, einfach zu.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Repräsentation bedeutet nicht nur Stellvertretung, sondern auch das Sichtbarmachen von Unsichtbarem, also Transparenz.

Wir brauchen ein System der öffentlichen Finanzierung mit vollständiger Transparenz. Wir brauchen eine Kontrollinstanz, die durch gesetzliche Sanktionsmöglichkeiten gestützt wird. Transparenz verlangt auch eine systematische Berichterstattung und Rechnungsprüfung. Kontrolle erfordert eine starke Instanz, ausgestattet mit ausreichenden gesetzlichen Vollmachten, um zu überwachen und gegebenenfalls auch einen Staatsanwalt einschalten zu können.

Wenn wir das alles machen, dann sind wir einen Schritt weiter. Alles, was dahinter zurückbleibt, führt weiterhin zu Politikverdrossenheit und damit auch zu einer geringeren Wahlbeteiligung.

(Beifall bei der LINKEN)