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OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen müssen verbindlich werden

Rede von Annette Groth,

Zur Debatte über die Revision der OECD-Leitsätze für mulinationale Unternehmen gibt die menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKe, Annette Groth, folgende Rede zu Protokoll:

Meine sehr verehrten Damen und Herren,


schon bei der Verabschiedung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen im Jahr 1976 gab es deutliche Kritik der entwicklungspolitischen Organisationen an der fehlenden Verbindlichkeit der Leitsätze. Aus diesem Grund wird von den entwicklungspolitischen Initiativen und Organisationen seit vielen Jahren über die notwendige Weiterentwicklung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen diskutiert.


Germanwatch, Misereor und Transparency Deutschland fordern, dass die OECD-Leitsätze endlich zu einem wirksamen Instrument gegen unternehmerisches Fehlverhalten ausgestaltet werden müssen. Im Zentrum ihrer Kritik steht der fehlende verbindliche Charakter der OECD-Leitsätze. Auch wenn transnationale Unternehmen Fehlverhalten an den Tag legen, führt eine Ahndung durch die Nationalen Kontaktstellen zu keinerlei direkten Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,


warum brauchen wir verbindliche Regeln für weltweites unternehmerisches Handeln?
Damit sich Schicksale, wie das der 18-jährigen Näherin Fatema Akter aus Bangladesch nicht wiederholen! Fatema brach im Dezember 2009 während ihrer Schicht tot zusammen. Sie musste an sieben Tagen in der Woche 13 bis 15 Stunden in der Textilfabrik in der Hafenstadt Chittagong arbeiten und pro Stunde bis zu hundert Jeanshosen reinigen. Rund 80 Prozent der in der Fabrik hergestellten Textilien wurden für Metro produziert. Ein deutsches Unternehmen, für das die OECD-Leitsätze gelten.

Für die Fraktion DIE LINKE muss unternehmerisches Handeln mit verbindlichen Arbeits- und Sozialstandards, aber auch Umweltschutz- und Verbraucherschutzkriterien verbunden werden. Die Leitsätze haben hier lediglich erste Ansätze geliefert. Zwar wird in vielen betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern von „guter Unternehmensführung“ und „Best-Practice-Beispielen“ geschwärmt, die Realität der Arbeit vieler transnationaler Unternehmen wird jedoch in vielen Regionen der Welt von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, fehlender Gesundheitsversorgung für die Beschäftigten und katastrophalen Umweltauswirkungen begleitet. Freiwillige Selbstverpflichtungen haben sich in der Praxis als völlig unzureichend erwiesen, da für viele transnationale Unternehmen vor allem der Gewinn und nicht die menschenrechtlichen Aspekte ihrer Arbeit im Vordergrund stehen.

Nun besteht mit der Überarbeitung der OECD-Leitsätze die Möglichkeit, die Leitsätze zu einem wirksamen Instrument zur Sicherung von Menschenrechten in multinationalen Unternehmen weiterzuentwickeln. Sowohl der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen als auch der SPD-Antrag haben positive Ansätze. Beide bleiben in ihren konkreten Forderungen jedoch halbherzig.

Positiv ist, dass sich alle vorliegenden Anträge für eine Veränderung der bisherigen Organisation der Nationalen Kontaktstellen einsetzen. Nationale Kontaktstellen müssen unabhängig von staatlichen Stellen und Ministerien werden. Die beiden anderen Anträge bleiben jedoch deutlich hinter den Forderungen der LINKEN zurück. Sowohl bei SPD als auch bei Grünen fehlt eine klare Forderung nach einer besseren personellen Ausstattung der Nationalen Kontaktstellen. Wir sehen hierin eine wichtige Voraussetzung für eine effektivere Arbeit der Nationalen Kontaktstellen. Zur Zeit stehen riesige Apparate der transnationalen Konzerne einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Kontaktstellen gegenüber. Chancengleichheit in der Arbeit ist so in keiner Weise gegeben. Wenn wir die Nationalen Kontaktstellen als wirksames Instrument zur Bekämpfung von Fehlverhalten weiterentwickeln wollen, kann dies nur mit angemessener Personalausstattung geschehen.

Deutlich unterscheiden sich die Anträge auch in der Forderung nach Einbeziehung von Gewerkschaften, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen. Einzig DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass in Zukunft die Nationalen Kontaktstellen paritätisch zwischen Vertreterinnen und Vertretern aus Ministerien, Gewerkschaften, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen besetzt werden. Wir sind davon überzeugt, dass nur durch die direkte Einbeziehung von unabhängigen Vertreterinnen und Vertretern in die nationalen Kontaktstellen eine unabhängige Kontrolle der transnationalen Unternehmen erreicht wird.

DIE LINKE tritt dafür ein, dass sich multinationale Unternehmen auch für die Verstöße ihrer Subunternehmen und Zulieferer gegen die Leitsätze verantworten müssen. Der Investment Nexus muss hierbei so weiterentwickelt werden, dass auch alle selbständigen Subunternehmen und Zulieferbetriebe in den Geltungsbereich der Leitsätze fallen und die bisherige Beschränkung der Leitsätze auf grenzüberschreitende Investitionstätigkeiten auf alle Investitionen und Lieferbeziehungen der multinationalen Unternehmen erweitert werden.


DIE LINKE ist davon überzeugt, dass Betroffene die Möglichkeit haben müssen, bei Fehlverhalten von Unternehmen, ihre Forderungen individuell einklagen zu können. Dies setzt jedoch voraus, dass die von Unternehmen aus der EU geschädigten Bürgerinnen und Bürgern auch einen ungehinderten und kostenfreien Zugang zu Rechtsschutz innerhalb der EU erhalten, auch wenn sie keine EU-Bürgerinnen und -bürger sind.
Mit der Revision der OECD-Leitsätze haben wir die große Chance einen qualitativen Schritt zur Sicherung der Rechte von Betroffenen gegenüber multinationalen Unternehmen durchzusetzen. Ich hoffe, dass sich die Bundesregierung, aufgrund einer übertriebenen Rücksichtnahme auf die Interessen der Großkonzerne, dem nicht verweigert.


Vielen Dank.