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Norbert Müller: Jugendmedienschutz staatsfern organisieren

Rede von Norbert Müller,

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass der Jugendmedienschutz reformbedürftig ist, das haben Vorredner ausgeführt, und darin sind wir uns, glaube ich, auch über die Grenzen hinweg in diesem Haus einig. Dass seit dem Scheitern des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages – ich glaube, 2014; es ist eine ganze Weile her – gar nicht so viel Zeit bis heute hätte vergehen dürfen, ist auch Konsens. Deswegen ist es Aufgabe der Regierung, eine Reform des Jugendmedienschutzes anzugehen, eine Aufgabe, bei der wir Sie begleiten wollten und die wir auch für notwendig halten. An dieser Stelle endet aber bereits die Einigkeit; denn was Sie hier heute vorgelegt haben, greift in vielerlei Hinsicht unseres Erachtens ins Falsche.

Wie ist der Jugendmedienschutz bisher organisiert? Die Aufsicht über die Medien ist in den Ländern organisiert, ähnlich wie die Aufsicht über den Rundfunk, und sie ist staatsfern organisiert. Es gibt gute Gründe, warum wir in Deutschland Medien staatsfern und die Aufsicht in den Ländern organisiert haben und nicht zentralisiert beim Bund. Mit Blick auf europäische Nachbarstaaten können wir auch sehen, worin diese guten Gründe möglicherweise liegen, warum man hier besonders vorsichtig operieren muss und warum man hier sozusagen am offenen Herzen unterwegs und mit etwas Bedacht vorgehen muss.

Jetzt sagen Sie, Frau Ministerin, der Jugendschutz – der gute Jugendschutz! – rechtfertigt, dass wir die Kompetenz von den Ländern faktisch an den Bund ziehen, indem wir es über ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz, nämlich über das Jugendschutzgesetz, regeln. Trotz Staatsferne sei das machbar, weil der Jugendschutz insgesamt richtig und notwendig ist. Die Staatsferne wollen Sie durch den Beirat, den Sie jetzt eingeführt haben, gewährleisten. Dieser zivilgesellschaftliche Beirat bei der neuen Bundeszentrale ist gar keine schlechte Sache; er geht ja auch auf den Vorschlag unseres Sachverständigen in der Anhörung zurück. Richtig ist auch, dass hier Jugendliche beteiligt werden. Wir finden ohnehin, dass es eine Schwäche im Jugendschutz ist, dass die Sicht und Perspektive von jungen Menschen selbst überhaupt nicht gehört wird. Insofern begrüßen wir, dass jetzt auch drei junge Menschen in diesen Beirat einbezogen werden sollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Sie schaffen im Jugendschutz – dann kommt die große Frage: was soll das Ganze? – eine riesengroße Hintertür, regelrecht ein Scheunentor. Das wirft die Frage auf, ob der Weg, sich mit den Ländern derart anzulegen, die Staatsferne so sehr anzugreifen, gerechtfertigt ist, wenn das Ziel, der Jugendschutz, möglicherweise gar nicht erreichbar ist.

Kollege Seestern-Pauly ist auf viele Detailfragen bereits eingegangen. Eine hat er ausgelassen – vielleicht, weil der Sachverständige der FDP in der Anhörung von der Gaming-Industrie gekommen ist –: Im Gesetzentwurf steht, dass alle Regularien, die eingeführt werden, nicht gelten, wenn ein Onlinedienst, ein Filmanbieter oder ein Spieleanbieter weniger als 1 Million Nutzerinnen und Nutzer hat. Da steht nicht: 1 Million Nutzerinnen und Nutzer in welchem Zeitraum? Da steht nicht: Was sind diese 1 Million Nutzerinnen und Nutzer? Sind das registrierte User? Sind das hinterlegte Kreditkartennummern? Sind das Aufrufe, Aufrufe am Tag, in der Woche, im Monat? Das alles ist überhaupt nicht geregelt. Damit ist völlig unklar, wo dieser Jugendschutz eigentlich helfen soll. Sie haben sich mit den Ländern angelegt und Schutzmaßnahmen eingeführt, die am Ende gar nicht greifen werden; denn jedes Unternehmen – Herr Präsident, ich komme zum Schluss – im Markt wird befähigt sein, diese Millionengrenze für sich so zu deuten, bis es passgenau ist.

Am Ende haben Sie sich mit dem Jugendschutzgesetz einen Bärendienst erwiesen. Wir lehnen es deswegen ab und bitten, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)