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Niema Movassat: Verfassungswidrige Ausforschung unserer Kommunikation stoppen!

Rede von Niema Movassat,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden über einen Gesetzentwurf zur Bestandsdatenauskunft. Das klingt bürokratisch und langweilig, und ich glaube auch, dass es der Koalition und auch der Bundesregierung ganz recht so ist. Sie wollen gar nicht, dass man wirklich mitbekommt, worum es heute geht. Doch ich sage es: Es geht um den Zugriff der Sicherheitsbehörden auf das Kommunikationsverhalten der Bevölkerung. Es geht um die Ausforschung von Telefonanschlüssen bis hin zur Kommunikation bei Whatsapp oder Facebook. Das sind sehr grundrechtsintensive Befugnisse. Sie operieren am Herzen des Grundgesetzes, und Sie operieren wie ein Medizin-Erstsemester.

(Beifall bei der LINKEN)

Fast alle Sachverständigen haben Ihren Entwurf in der Anhörung kritisiert, auch Ihre eigenen Experten.

(Manuel Höferlin [FDP]: Richtig! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hört! Hört!)

Statt den Gesetzentwurf in Ruhe zu überarbeiten, legen Sie ihn heute fast unverändert wieder vor. So ein Umgang mit Expertenmeinungen in diesem Hohen Hause ist einfach nur noch peinlich.

(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber leider nicht die Ausnahme!)

Sie regeln Bestandsdatenabfragen durch Sicherheitsbehörden neu. Dabei stellen Sie Telekommunikationsdienste mit Telemediendiensten gleich. Das klingt fast identisch, ist aber etwas sehr Unterschiedliches. Bestandsdaten bei Telekommunikationsdiensten sind zum Beispiel die Vertragsdaten eines Mobilfunkkunden. Der Staat weiß nach einer Abfrage relativ wenig, nämlich nur, wer unter welcher Adresse beispielsweise mit der Telekom oder Vodafone einen Vertrag abgeschlossen hat.

Ganz anders verhält es sich bei Telemedienbestandsdaten. Das können Name und E-Mail-Adresse eines Bürgers sein, der sich in einem Internetforum angemeldet hat, wo sich Krebspatienten austauschen. Wenn der Staat jetzt den Telemedienanbieter, also den Forumsanbieter, auffordert, die Daten herauszugeben, dann kann der Staat aus diesen Daten folgern: Dieser Bürger hat Krebs. – Das sind sehr sensible Informationen, und dafür braucht es hohe Hürden, um sie abzufragen, höhere Hürden, als Adressdaten bei einem Handyvertrag abzufragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Sie packen im Gesetzentwurf beides auf die gleiche Stufe, was die Voraussetzung für den Datenabruf durch die Polizei angeht, und das ist ein inakzeptabler Umgang mit persönlichen Informationen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der sensibelste Punkt, den Sie neu regeln, ist die Auskunft über Nutzungsdaten. Nutzungsdaten sind zum Beispiel Informationen darüber, wann und wo und mit welchem Gerät sich eine Person zum Beispiel bei Facebook eingeloggt hat. Diese Daten lassen noch größere Rückschlüsse auf das Onlineverhalten einer Person zu. Sie packen die Nutzungsdatenauskunft jedoch in eine Kategorie mit den Bestandsdaten. Beides unterliegt in Ihrem Gesetzentwurf den gleichen geringen Voraussetzungen für den Abruf.

Ja glauben Sie denn wirklich, dass Sie damit vor dem Bundesverfassungsgericht durchkommen? Das ist doch eklatant verfassungswidrig, und das haben die Experten Ihnen auch gesagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Karlsruhe wird sich auch damit befassen, wie schlecht Ihr Gesetz handwerklich ist. Es ist voller unbestimmter Rechtsbegriffe, die vermutlich nicht mal die Sicherheitsbehörden verstehen werden. Das BKA hat das auch gesagt. Wir haben es gerade gehört, dass man dort gesagt hat: Wir müssen einen Leitfaden erstellen, weil das Gesetz nicht verständlich ist. – Und schon gar nicht werden die Telemedienanbieter verstehen, welches die Voraussetzungen sind, unter denen sie Daten herausgeben müssen.

Ihr Gesetz ist inhaltlich schlecht, und es ist handwerklich schlecht. Wir als Linke werden es ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)