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Niema Movassat: Datenschutz statt mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden

Rede von Niema Movassat,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir heute über die Änderungen im Datenschutzrecht reden. Die Bundesregierung wollte zunächst diesen Packen Gesetzesänderungen ohne Debatte durch den Bundestag jagen; das betrifft etwa 200 Einzelgesetze. Ich finde, das geht nicht. So etwas muss hier diskutiert werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Jürgen Martens [FDP])

Zum einen wollen Sie 154 Änderungen unter anderem aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung vornehmen. Vieles, was Sie beantragen, ist unproblematisch, aber es gibt eben auch äußerst bedenkliche Änderungen.

Erstens: Die Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz. Bisher sind Behörden, die mit Staatsangehörigkeitsfragen zu tun haben, die einzigen, die auf die personenbezogenen Daten zugreifen dürfen. Die Übermittlung der Daten an andere Stellen ist per Gesetz nicht erlaubt. Die Bundesregierung will das ändern. Die Daten sollen danach auch an Verfassungsschutzbehörden weitergeleitet werden können, ohne dass ein konkreter Verdacht vorliegt. Das ist kein Datenschutz, sondern eine Datenschutzverletzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Sie möchten gravierende Änderungen beim Asylgesetz im Bereich des Datenschutzes vornehmen. Nach der neuen Regelung können das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie Ausländerbehörden Gesundheitsinformationen, Berichte über das Sexualleben und andere intime Daten von Geflüchteten an andere Behörden wie die Verfassungsschutzbehörden weiterleiten. Hier wird klar: Datenschutz, selbst der Schutz intimster Daten, soll für Geflüchtete nicht gelten. Das ist abzulehnen; Datenschutz muss für alle gelten.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Die Änderungen im Bundesdatenschutzgesetz sehen vor, dass auch nichtöffentliche Stellen Daten für die Sicherheitsbehörden bereithalten müssen. In der Gesetzesbegründung steht:

"Ein solches zwingendes Erfordernis"

– gemeint ist das Erfordernis zur Datenweitergabe –

"kann etwa bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten mit Religionsbezug durch zivilgesellschaftliche Träger im Rahmen von Präventions- und Deradikalisierungsprogrammen im Bereich religiös motiviertem, insbesondere islamistischem, Extremismus bestehen."

Hiermit werden also zivilgesellschaftliche Organisationen, die wichtige Präventionsarbeit gegen religiöse Radikalisierung leisten, gezwungen, ihre Daten an die Sicherheitsbehörden herauszugeben. Jemand, der Sorge haben muss, dass er durch die Beteiligung an einem Präventionsprogramm bei den Behörden aktenkundig wird, wird an so einem Programm nicht mehr teilnehmen und sich dann erst recht radikalisieren. Was Sie als Bundesregierung wollen, ist kontraproduktiv im Kampf gegen Dschihadismus.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann haben Sie noch einen weiteren Gesetzentwurf zum Datenschutz im Strafverfahren vorgelegt. Bisher wurden Daten, die von der Polizei aufgrund von Gefahrenabwehrmaßnahmen gesammelt wurden, rechtswidrig im Strafverfahren verwendet. Dazu muss man wissen: Im Gefahrenabwehrrecht, also im Polizeirecht, darf die Polizei schon aktiv werden, wenn nur eine Gefahr besteht. Im Strafprozessrecht hingegen muss zumindest der Verdacht einer Straftat bestehen. Die Anforderungen sind also höher. Die Polizei kann also theoretisch über das Polizeirecht Maßnahmen wie eine Wohnraumüberwachung gegen eine Person durchführen, die sie nach Strafprozessrecht nicht hätte machen dürfen. Dadurch kann sie an Beweise kommen, die sie eigentlich gar nicht für das Strafverfahren hätte haben dürfen, weil ja gar kein Verdacht einer Straftat bestand.

Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt: Das geht so nicht. Es braucht eine klare gesetzliche Regelung. – Die haben Sie nun vorgelegt; das ist richtig und gut. Aber für den Datenschutz der Betroffenen im Strafverfahren – darum ging es dem Bundesverfassungsgericht eigentlich – haben Sie nicht gesorgt. Vielmehr können nach der neuen Regelung die Geheimdienste Daten mit den Strafverfolgungsbehörden austauschen. Der Betroffene hat kaum die Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Das ist kein Grundrechtsschutz, das ist mehr Macht für die Sicherheitsbehörden. Nehmen Sie endlich mal den Datenschutz im Strafverfahren ernst!

(Beifall bei der LINKEN)

Halten wir also fest: Unter dem Label „Datenschutz“ geben Sie den Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse. Stattdessen brauchen wir aber endlich mal einen vernünftigen Datenschutz.

Danke schön.