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Niema Movassat: AfD-Show stoppen!

Rede von Niema Movassat,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich müssten wir jetzt hier über die großartige und historische Entscheidung der USA reden, die Impfstoffpatente freizugeben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle: Thank you, Mister President!

Aber stattdessen müssen wir über einen Tagesordnungspunkt der AfD reden, der nur einen Zweck hat: Youtube-Contents zu generieren. Während Millionen Menschen in diesem Land ernsthafte Anliegen haben, etwa weil sie Angst vor dem Ruin haben, weil sie Angst um ihre Gesundheit haben, zwingt die AfD dieses Hohe Haus – man muss es wirklich so nennen –, sich mit Bullshit zu beschäftigen.

(Enrico Komning [AfD]: Verfassungsmäßigkeit von Kompetenzen!)

Worum geht es? Vor zwei Wochen hat der Bundestag mehrheitlich das sogenannte Vierte Bevölkerungsschutzgesetz beschlossen. Dieses Gesetz änderte das Infektionsschutzgesetz.

(Beatrix von Storch [AfD]: Hören Sie doch mal mit dem Bullshit auf!)

Wir als Linke haben gegen das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz gestimmt, insbesondere weil wir nächtliche Ausgangssperren für nicht erforderlich halten.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor allem haben wir aber mit Nein gestimmt, weil die Bundesregierung seit über einem Jahr in der Coronakrise nur hin- und herschlingert und sich nur in einem einzigen Ziel einig ist: Die Wirtschaft muss für den Profit der Reichen und Mächtigen weiterlaufen. Massive Einschränkungen des Privatlebens stehen und standen vergleichsweise harmlosen Eingriffen in der Wirtschaft gegenüber. Diese Koalition packt die Konzerne nur mit Samthandschuhen an. Das ist inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun aber zurück zur AfD-Show. Sie wollen, dass wir als Bundestag eine abstrakte Normenkontrollklage gegen das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz begrüßen.

(Zuruf von der AfD: Korrekt!)

Ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle kann gemäß Artikel 93 Absatz 1 Nummer 2 Grundgesetz von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages an das Bundesverfassungsgericht gestellt werden, wenn diese ein Gesetz für verfassungswidrig halten. Sie wollen, dass der Bundestag mehrheitlich einen eventuellen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gegen ein Gesetz begrüßt, das zuvor dieselbe Mehrheit beschlossen hat. Sie merken hoffentlich selbst, wie absurd dieses Ansinnen ist. Wieso sollte denn die Mehrheit hier etwas gegen sich selbst beschließen?

Abgesehen davon ist der Bundestag aber auch kein Grüßonkel. Wenn Sie ein Viertel der Abgeordneten zusammenbekommen, können Sie doch eine abstrakte Normenkontrolle beantragen. Es steht aber der Mehrheit des Bundestages dann gar nicht zu, das zu begrüßen oder nicht; denn es handelt sich um ein Minderheitenrecht. Sie haben wirklich null Ahnung von der Verfassung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und dann zu Ihrer Antragsbegründung. Ich habe heute wirklich gute Laune, und deshalb möchte ich Ihnen ein paar kostenlose Tipps geben. Ihr Antrag besteht aus neun Seiten, davon wird auf fünf Seiten § 28b Infektionsschutzgesetz wiedergegeben. Das heißt, die Substanz Ihres Antrages umfasst allenfalls vier Seiten. Mein erster Tipp: Wer erfolgreich in Karlsruhe klagen will, der muss schon deutlich mehr Substanz liefern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann schafft es die AfD, einen Antrag, der sich de facto an das Bundesverfassungsgericht richtet, zu schreiben, ohne eine einzige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu zitieren. Zweiter Tipp: Wer erfolgreich in Karlsruhe klagen will, der muss sich inhaltlich mit der Rechtsprechung dort befassen. Aber Inhalte sind ja sowieso nicht die Stärke der AfD.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ihr Antrag besteht im inhaltlichen Teil fast ausschließlich aus Aussagen der Sachverständigen. Dritter Tipp: Das Bundesverfassungsgericht ist selber in der Lage, die Wortlautprotokolle der Anhörung zu lesen.

Dann zitieren Sie exakt einen einzigen Kommentar zum Grundgesetz. Vermutlich hat Herr Brandner ganz schnell bei beck-online, einer juristischen Datenbank, irgendwas zusammengeschustert. Letzter Tipp: Mittlerweile gibt es bei beck-online mehrere Grundgesetzkommentare, die Sie als Abgeordnete kostenlos abrufen können. Wer das Bundesverfassungsgericht überzeugen will, der muss schon diverse aussagekräftige Quellen liefern.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Ergebnis muss man einfach sagen: Ihr Antrag ist handwerklich schlecht. Ein Juraerstsemester hätte das besser gemacht.

Mir ist natürlich klar, warum Sie dieses Theater wirklich veranstalten. Ihnen geht es ja nicht um die Sache. Sie wollen hier in der Kernzeit ein wenig Brimborium betreiben, um sich von Ihren Anhängern als Kämpfer der Grundrechte feiern zu lassen. Sie scheinen aber vor lauter Hetze gegen Minderheiten und Andersdenkende sowie internen Flügelkämpfen so schlecht organisiert zu sein, dass Sie mit Ihrem Theater viel zu spät dran sind. Beim Bundesverfassungsgericht sind mittlerweile 315 Verfahren gegen die letzte Änderung des Infektionsschutzgesetzes anhängig. Zwei Mitglieder der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus klagen gegen die Bundesnotbremse, die FDP hat Verfassungsbeschwerde eingereicht. Verbände, Unternehmen, Einzelpersonen: Hunderte von ihnen haben sich an das Bundesverfassungsgericht gewandt. Im Gegensatz zu den Braunen ganz rechts hier im Plenum haben aber die eben genannten nicht eine Stunde unserer Zeit in Anspruch genommen und pathetisch nach medialer Aufmerksamkeit gewinselt.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei hat die AfD auch gar kein Konzept. Letzten März waren Ihnen die Maßnahmen nicht hart genug. Dann haben Sie die Pandemie und die Gefährlichkeit des Coronavirus begonnen zu verharmlosen. Nun gehen Sie mit Querdenkern, die in Wirklichkeit Leerdenker sind, auf die Straße und verhöhnen die Tausende Opfer des Coronavirus. Mittlerweile sind Sie in komplette Beliebigkeit abgedriftet: Impfen ja, aber auch nein. Jetzt sofort alles lockern, aber wenn dann mehr Menschen sterben, dann sind natürlich wieder die anderen schuld. Ihre Partei sollte sich umbenennen in Ich-bin-gegen-alles-egal-was-es ist-Partei.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Die Linke wird den AfD-Bullshit ablehnen. Und Im Übrigen gilt: Mit den Nazis der AfD kooperiert man nicht. Man bekämpft sie politisch, wo immer man sie trifft – hier im Parlament und auf der Straße.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)