Sehr geehrte Damen und Herren,
der Antrag soll die nichtkommerzielle Forschung in Deutschland stärken, die von der Wissenschaft selbst initiiert wird. Diese Arbeiten dienen vor allem der Qualitätssteigerung der Patientenversorgung und der Qualifizierung des gesamten Gesundheitssystems. Diese grundsätzlichen Ziele des Antrags teilt die LINKE.
Leider jedoch bleiben viele Vorschläge halbherzig und damit hinter den Erwartungen zurück. Fragen der Kostenerstattungen, Strukturveränderungen und präziser Verantwortungsübernahme werden nicht konsequent und konkret abgearbeitet. Alle Beteiligten wissen, dass die Einführung von Fallpauschalen im stationären Bereich des Gesundheitswesens und geringere Zuführungen für Forschung und Lehre aus Länderhaushalten den Universitätsklinika die Finanzierung nicht-kommerzieller klinischer Studien erheblich erschwert haben.
Einnahmeverluste ergeben sich auch infolge von Hochschulstrukturreformen. Universitätsklinika mit ihren spezifischen Aufgabenstellungen - von der Krankenversorgung über Forschung bis hin zur Lehre - sind in einen für sie unfairen Wettbewerb gestoßen worden. Die Kassen dürfen nicht, Bund und Länder wollen die Kosten nicht tragen. An dieses Grundproblem geht der Antrag gar nicht heran. Rechtsformänderungen und die Ausgliederung bzw. Privatisierung profitabler Bereiche komplizieren die Finanzsituation zusätzlich. Die vom Bundesministerium ausgelobten 20 Mio. € für nicht-kommerzielle Studien sind daher der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Denn was nützt es, die Reagenzien zu bezahlen, wenn mittlerweile ganze Forschungslabore geschlossen werden müssen?
Es kann also nicht wundern, wenn im europäischen Vergleich Deutschland nur wenige nicht-kommerzielle Studien vorweisen kann. Nur was sich rechnet, darf an den Universitäten noch beforscht werden. Längst gilt das Primat der Drittmitteleinwerbung als Maßstab forschender Größe. Unter diesem Diktat kann eine freie Forschung nicht mehr stattfinden. Nicht die vermeintliche Überbürokratisierung, sondern die Kommerzialisierung der klinischen Forschung ist das Haupthindernis für eine stärkere pharmaunabhängige Forschung. Schon jetzt ist die Verengung der Forschung und der Fördermittel auf lukrative Bereiche der Medizintechnik oder „Blockbuster“, verordnungsstarker aber zweifelhafter Innovationen enorm.
Klinische Forschung aber muss breit angelegt sein, im Interesse der Gesundheit aller und eines guten Gesundheitssystems. Dass wir einen Mangel an industrieunabhängiger Expertise haben, dass Drittmittel aus der Wirtschaft massiven Einfluss auf die klinische Forschung nehmen, zeigt aktuell die Klage des Chefs der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas Köhler. Er moniert, dass Forscher auf Druck der Pharmabranche ihre Zusagen, Studien für das IQWiG zu erarbeiten, zurückgezogen haben. Kaum noch ein Forscher steht nicht auf Gehaltslisten der Unternehmen.
DIE LINKE will der Gefahr entgegenwirken, dass insbesondere die Pharmaindustrie bereits auf die Ausrichtung der Grundlagenforschung Einfluss nehmen kann. Wir fordern eine Umschichtung der Forschungsmittel aus der Pharmainitiative, für die die Bundesregierung in den nächsten Jahren insgesamt 800 Mio. € für die Subventionierung bereits renditestarker Pharmafirmen aufwenden will. Damit sollten zum Beispiel entsprechende Programme des Bundes und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für nicht-kommerzielle Forschung aufgestockt werden.
Das gesamte Finanzierungssystem von Krankenversorgung und Wissenschaft muss dem Mehraufwand von Universitätsklinika Rechnung tragen. Diese haben nämlich den Auftrag, neben Maximalversorgung und Hochleistungsmedizin, Forschung und Lehre zu sichern. Auch aus unserer Sicht erscheint es allemal sinnvoll zu überprüfen, ob und wie weitere Kostenträger in die Finanzierung einzubinden sind.
Denkbar wäre in der Tat ein Fonds, der sich anteilig an den Werbeausgaben von Pharmafirmen bemisst. Immerhin beträgt der Anteil von Marketingausgaben am Gesamtumsatz von Pharmakonzernen durchschnittlich ca. 40%, während Forschungsausgaben bei 10% liegen. Weitere Einzahler könnten Gesetzliche Krankenversicherungen und der Staat sein. Vor diesem Hintergrund würden dann Forderungen dieses Antrages nach mehr Ausbildung und Freistellung von Personal für Forschungen und Mitarbeit in Ethikkommissionen realistisch zu diskutieren sein.
Der Antrag befürwortet Kassenerstattungen für innerhalb einer Studie eingesetzte Arzneimittel. Die Gefahr besteht, dass auf die Versicherten damit immense Kosten zukommen und lediglich die Industrie einen echten Nutzen darauf ziehen kann. Ebenso wenig macht der Antrag Vorschläge, wie und durch wen Kosten im ambulanten Bereich zu schultern sind. Letztlich sind Genehmigungsverfahren, wie gefordert, ständig zu überprüfen und, wo sinnvoll, auch zu vereinfachen. Zuerst aber sollten keine Gebühren für nichtkommerzielle Studien erhoben werden. Dafür müssten Ressourcen von Behörden aufgestockt und nicht etwa jedoch Normen aufgeweicht werden. Das würde der Akzeptanz nichtkommerzieller Studien schaden, weil sich damit ihre bisher geschätzte wissenschaftliche Qualität in Frage stellen würde. Genau diese gilt es jedoch zu sichern.