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Nicht kleckern, sondern klotzen beim Ausbau der Kitabetreuung!

Rede von Diana Golze,

Frau Präsidentin, ich freue mich auch darauf, dass wir mit diesem schönen Tagesordnungspunkt diese Woche beenden und ich dann nach Hause zu meinen Kindern darf, um mit ihnen Wolken zu zählen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ende Mai 2012, also ziemlich genau vor zwei Jahren, stellte die damalige Familienministerin Kristina Schröder ein Zehn-Punkte-Programm für ein bedarfsgerechtes Angebot in der Kindertagesbetreuung vor. In diesem Programm hieß es damals unter Punkt 9:

Durch ein Qualitätsgesetz soll ein „Rahmen-Bildungsplan“ mit bundesweiter Gültigkeit geschaffen werden, der den Förderauftrag mit Mindeststandards konkretisiert und den Bildungsplänen der Länder trotzdem noch Spielraum für landesspezifische Gestaltung überlässt.
Heute, zwei Jahre später und um einen Koalitionsvertrag reicher, sind wir in dieser Frage leider nicht einen Schritt weiter. Herr Weinberg, es ist eben nicht nur originäre Aufgabe der Länder, Mindeststandards festzulegen. Das können wir auch im Bund.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unter Schwarz-Gelb ist ein solches Gesetz nicht zustande und unter der jetzigen schwarz-roten Regierung nicht einmal in den Koalitionsvertrag gekommen. Ich bedaure es an dieser Stelle sehr, dass die Ministerin Schwesig heute nicht an dieser Debatte teilnimmt; denn gerade sie war es damals, die eine Neuauflage des Krippengipfels von Bund, Ländern und Kommunen und mehr Initiative vom Bund gefordert hat. Sie ist nun fünf Monate im Amt. Von einem Krippengipfel redet sie nicht mehr. Dass er notwendig ist, dafür nur ein Beispiel. In der sächsischen Tageszeitung Freie Presse hieß es gestern ich zitiere :"

Sachsens CDU will die Personalausstattung in den Kitas verbessern, ohne den Betreuungsschlüssel zu senken."

Klingt seltsam, oder? Weiter heißt es in dem Artikel mit Zitaten von Herrn Tillich: Nicht für alle Aufgaben in den Kitas sei hoch qualifiziertes Personal nötig - und die Hälfte der Arbeitslosen in Sachsen älter als 50… Also könne doch auch „eine kontinuierliche Zusammenarbeit“ von „älteren Menschen mit Kindererzieherinnen und Kindern“ ein Lösungsweg sein… Auch bei der Kinderbetreuung sei „Augenmaß“ nötig, und es komme auf „flexiblere Elemente“ an …
Um es ganz deutlich zu sagen: Ich habe kein Problem damit, dass Omas und Opas in Kitas kommen  aber doch nicht als billiger Ersatz für ausgebildete, qualifizierte Fachkräfte! Das kann es ja wohl nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Sönke Rix (SPD) - Zuruf des Abg. Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU))

Ein Ministerpräsident, der ältere Erwerbslose zur Verhandlungsmasse im Poker um die billigste Kita macht, ist das eine; ein Ministerpräsident, der die bildungspolitische Notwendigkeit von Kitas nicht erkennen kann oder will und der zudem den pädagogischen Fachkräften auch noch solch eine Ohrfeige erteilt, ist das andere. Ich hoffe sehr auf eine entsprechende Reaktion der Betroffenen vor Ort.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Beispiel zeigt aber: Ein Krippengipfel ist auch nach Inkrafttreten des Rechtsanspruchs für unter Dreijährige noch dringend nötig  oder wieder dringend nötig. Es macht aber auch deutlich, dass an einem solchen Verhandlungstisch nicht nur Bund, Länder und Kommunen sitzen sollten. In Anbetracht der nur sehr schwer überschaubaren und regional sehr unterschiedlichen Defizite beim Kitaausbau sollten dort alle Beteiligten sitzen: zum Beispiel auch Gewerkschaften, weil es um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten geht; zum Beispiel auch die Wissenschaft; zum Beispiel auch nichtkommunale Träger von Kindertageseinrichtungen. Das ist erforderlich, um die Baustellen deutlich zu benennen, um die man sich dann gemeinsam kümmern muss.

Wieder nur die drei großen Bauherren an den Tisch zu holen, hieße, dass die Kindertagesbetreuung so wie bisher weiterhin nur nach Kassenlage gestaltet wird und aus zeitlich begrenzten Projekten nicht herauskommt. So ging der Ausbau nämlich bisher vonstatten - das Sondervermögen: befristet; begleitende Programme: befristet. Es gibt aber so viele Baustellen und Fragen, die sich stellen und bei denen nicht befristet werden kann, etwa: Wie müssen entsprechende Mindeststandards aussehen? Was ist überhaupt eine Fachkraft in der Kindertagesbetreuung? Welchen Anspruch haben wir an diese Person? Wie sichern wir die Qualität auch in der Kindertagespflege? Reicht uns ein 160-Stunden-Curriculum, oder sollte es vielleicht noch ein bisschen mehr sein? Welche Rolle spielen Zeiten für Weiter- und Fortbildungen, Krankheitsvertretungen, Leiterinnenstunden bei der Berechnung des Personalschlüssels? Um all diese Fragen geht es.

Es geht auch um die Frage - Herr Weinberg hat ja das Programm „Frühe Chancen“ angesprochen -: Brauchen wir Sonderprogramme für die Sprachbildung? Oder gehört das nicht eher zu der allgemeinen Aufgabe von Kindertagesbetreuung, alltagsintegriert und in jeder Einrichtung, und nicht nur in einem Bruchteil der Kitas? Müssen diese dann nicht auch in ein schlüssiges, finanziell untersetztes Qualitätskonzept einbezogen werden?

All diese Fragen werden seit Jahren in der Fachwelt benannt und seit einigen Monaten von den Verbänden auch ganz konkret diskutiert. Ich bin deshalb den Grünen sehr dankbar, dass sie mit diesem Antrag die Diskussion darüber auch in dieses Hohe Haus tragen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Ministerin sollte diese Debatte, wenn sie sich das Protokoll durchliest, eines deutlich zeigen: Eine Diskussion über die Qualität der Angebote ist dringend notwendig. Wir brauchen sie, denn Notlösungen und Ausweichtaktiken wie in Sachsen machen sonst, wenn sie zur Normalität werden, den Weg schwer.

Auch das gestern mit den Ländern beratene Paket von 6 Milliarden Euro für Kitas, Schulen und Unis wird nicht die letztendliche Lösung sein, denn in keinem der Bereiche wird es ausreichen. Ich kann die Ministerin nur auffordern: Folgen Sie dem, was Sie von Kristina Schröder gefordert haben: Nicht kleckern, sondern klotzen beim Ausbau der Kitabetreuung!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)