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Neuregelung der Flugsicherung ist verfassungswidrig

Rede von Dorothée Menzner,

Heute geht es um die Frage: Dürfen hoheitliche Belange hinsichtlich Gefahrenabwehr und Ordnungsrecht überhaupt durch privates Kapital wahrgenommen werden? Nur um Haushaltslöcher zu stopfen, will die Bundesregierung unser Tafelsilber veräußern - ohne Sinn, ohne Herz und ohne Verstand.Drei Viertel der Flugsicherung liegen auf dem Gabentisch. Dafür kriegen Sie - das wurde eben ausgeführt - eine einmalige Finanzspritze. Aber was bleibt danach? Nichts! Dann fehlen die Gewinne der Flugsicherung im Haushalt. Dieses Jahr sind es fast 13 Millionen Euro. Schlimmer noch: Perspektivisch könnte die Situation eintreten, dass gar keine Gewinne aus der Flugsicherung mehr in den Bundeshaushalt fließen. Dorothee Menzner in der Debatte zur Neuregelung der Flugsicherung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Kollege Königshofen hat es eben schon breit ausgeführt: Wir haben es heute mit einer Superkoalition aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen zu tun. Sie wollen den Verkauf der Flugsicherung beschließen. Damit beginnt nach unserer Meinung die Play-off-Serie der Privatisierungsfestspiele dieser Regierung. Bundesvermögen wird ans Kapital verkauft, während breite Bevölkerungskreise wegen Hartz IV am Existenzminimum leben müssen. (Zuruf von der LINKEN: Richtig!) Was passiert genau und warum diese Eile? Nur um Haushaltslöcher zu stopfen, will die Bundesregierung unser Tafelsilber veräußern - ohne Sinn, ohne Herz und ohne Verstand. (Beifall bei der LINKEN) Drei Viertel der Flugsicherung liegen auf dem Gabentisch. Dafür kriegen Sie - das wurde eben ausgeführt - eine einmalige Finanzspritze. Aber was bleibt danach? Nichts! Dann fehlen die Gewinne der Flugsicherung im Haushalt. Dieses Jahr sind es fast 13 Millionen Euro. Schlimmer noch: Perspektivisch könnte die Situation eintreten, dass gar keine Gewinne aus der Flugsicherung mehr in den Bundeshaushalt fließen. Seit längerem kursieren in Juristenkreisen genau die gleichen Formulierungen, die jetzt in den Drucksachen geschrieben stehen und die hier debattiert werden. Wir aber, also meine Fraktion, bekamen nichts Offizielles. Daher wundert es mich zutiefst, weshalb die seit langem angekündigten Änderungen des Gesetzentwurfs mein Büro erst auf den allerletzten Drücker erreichten. Letzten Dienstag um 19 Uhr bekamen wir die Drucksache, genau 14 Stunden vor der entscheidenden Ausschusssitzung. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja unglaublich!) Schon tags darauf gab es im Ausschuss die gemeinsame Entschließung dieser Superkoalition. (Zurufe von der SPD: Nach den Anstrengungen der Berge kommen die Mühen der Ebene! So ist das! - Früher aufstehen!) Dies ist mir als Neuling ziemlich unverständlich und ich frage mich, weshalb das so lief. Absicht? (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Schneller arbeiten!) Ich darf daran erinnern: Die Linke hat zu all den Fragen der Privatisierung der Flugsicherung, die aus unserer Sicht noch offen sind, eine Anhörung im Ausschuss beantragt. Leider konnte sich nur die Fraktion der Grünen entschließen, diesem Antrag zuzustimmen. (Zuruf von der LINKEN: Immerhin!) So sind aus unserer Sicht nach wie vor viele Fragen offen: Erstens. Die Gewerkschaft der Fluglotsen erhebt nach wie vor starke Einwände. Zweitens. Die Bundesvereinigung gegen Fluglärm befürchtet bei der Planung der Flugrouten den Vorrang der Wirtschaftlichkeit vor dem Lärmschutz. Drittens. Die EU-Vorgaben - sie wurden hier schon angesprochen - sehen keine Kommerzialisierung bei hoheitlichen Aufgaben der Gefahrenabwehr vor. Wozu auch? Viertens. Besonders der Flugzeugabsturz im Jahr 2002 am Bodensee wirft bis heute Fragen auf. Die schwierigste davon: Ist es überhaupt mit unserer Verfassung vereinbar, dass ein Schweizer Privatunternehmen den südwestdeutschen Luftraum verwaltet? (Beifall bei der LINKEN) Damit komme ich - fünftens - zu meinem und unserem Haupteinwand. Die Linke sagt es klipp und klar: Die Neuregelung der Flugsicherung verstößt eindeutig - ich wiederhole es gerne: eindeutig - gegen die geltende Verfassung. (Beifall bei der LINKEN) Kollege Beckmeyer zitierte vorhin aus einem Kommentar zum Grundgesetz. Ich möchte es nicht unterlassen, Art. 87 d Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes zu zitieren: Die Luftverkehrsverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Satz 2 lautet: Über die öffentlich-rechtliche oder privat-rechtliche Organisationsform wird durch Bundesgesetz entschieden. Dazu sollten wir wissen: Dieser zweite Satz wurde bewusst in die Verfassung eingefügt, als die Flugsicherung organisationsprivatisiert wurde. Manche werden sich erinnern: Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte die Unterzeichnung eines Gesetzes zur Flugsicherung damals wegen ungenügender Verfassungsvorgaben verweigert. Und heute, wo eine viel schwerwiegendere Entscheidung ansteht? Heute geht es um die Frage: Dürfen hoheitliche Belange hinsichtlich Gefahrenabwehr und Ordnungsrecht überhaupt durch privates Kapital wahrgenommen werden? (Beifall bei der FDP: Wer privatisiert denn die Gefahrenabwehr? Die Verfassungsfrage ist auch - aber nicht nur - wegen des Flugzeugabsturzes wenigen Jahren am Bodensee brisant. Der Vertrag, die dortige Flugsicherung einem Privatunternehmen zu übertragen, wurde vom Schweizer Bundesrat bis heute nicht ratifiziert. Juristen nennen das: Der Vertrag ist nicht in Geltung gewachsen. - Damit ist die Flugsicherung durch die Schweizer Skyguide AG bis heute auf keine belastbare Rechtsgrundlage gestellt. Ich schließe mit der eindringlichen Bitte an Sie alle: Vertagen Sie die Entscheidung! Einen Verstoß gegen die Verfassung werden wir nicht hinnehmen.