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Neuordnung des Gebührenrechts des Bundes folgt neoliberalem Ansatz und ist abzulehnen

Rede von Steffen Bockhahn,

Steffen Bockhahn, zur abschließenden Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten „Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes“ (Drucksache 17/10422). Rede zu Protokoll am 14. März 2013, TOP 13, in der 228. Sitzung des Deutschen Bundestages.

Steffen Bockhahn (DIE LINKE):

Die Neuordnung des Gebührenrechts des Bundes ist überfällig und im Grundsatz auch zu begrüßen. Allein die beabsichtigte Entschlackung von 99 Gesetzen und 110 Rechtsverordnungen kann nur als Erfolg gewertet werden. Die Absicht, klare Regelungen zu schaffen, die verhindern, dass man eine Gebührenregelung auf der dritten Seite des vierten Anhangs der fünften Ergänzung einer Verordnung übersieht und damit in eine Falle läuft, ist zu unterstützen. Mehr Übersichtlichkeit und Transparenz bei der Frage der zu zahlenden Gebühren sind besser für die Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmen und auch für die zuständigen Verwaltungen, die sich dann ja auch auf einer stabileren und verständlicheren Grundlage bewegen. Wenn es richtig gut läuft, lassen sich eine Reihe von Streitigkeiten bis hin zu zähen Verwaltungsgerichtsverfahren vermeiden, wenn man diese Neuordnung wirklich gut macht. Natürlich ist das Gegenteil bei einer schlechten Reform auch denkbar, wenngleich nicht wünschenswert.

Doch dieses Gesetz wäre keines dieser Bundesregierung, wenn es nicht auch eine streng neoliberale Logik selbst bei diesem Thema verfolgen würde. Natürlich kann man es begrüßen, dass der Bund und die Länder Eigenständigkeit bei der Gestaltung der Gebühren bekommen und damit der Föderalismus gelebt wird. Auf der anderen Seite – und da kommen wir zum Neoliberalismus – ist die Ausgestaltung wieder so gewählt, dass es nicht den Föderalismus, sondern nur den Wettbewerb unter den Ländern stärkt.

Wieder wird es so sein, dass die Länder, die eine bessere Finanzausstattung haben, sich gegenüber denen mit klammen Kassen einen Vorteil verschaffen können. Wer es sich leisten kann, wird auf Gebühren verzichten, um beispielsweise Unternehmensansiedlungen zu befördern oder Bauanträge für besondere Vorhaben, die finanzstarke Einwohnerinnen und Einwohner anlocken, attraktiver zu machen.

Und die Länder, die sich den Verzicht auf Einnahmen aus Gebühren leisten können, werden es dabei nicht belassen. Von den finanzschwachen Ländern werden sie verlangen, dass Gebühren in voller zulässiger Höhe erhoben werden. So müsse man sich dann um eigene Einnahmen bemühen, und das wäre dann ja auch nur gerecht. Doch das ist es genau nicht. Den Vorteil aus der eigenen Stärke noch zum zusätzlichen Nachteil der Schwächeren zu machen, ist ungerecht und unsolidarisch. Das Bestehen solcher Absichten muss konkret vermutet werden, schaut man sich die Äußerungen des hessischen Staatsministers Boddenberg im Bundesrat zum Thema an.

Diese Verfahrensweise ist denen, die kommunalpolitisch aktiv sind, bestens vertraut. Eine finanzstarke kleine Gemeinde im Umland einer größeren Stadt wirbt gewöhnlich mit niedrigen Steuern und Abgaben. Sie bietet einen niedrigeren Gewerbesteuerhebesatz, eine gerin¬gere Grundsteuer B als die Großstadt an und zieht so Investoren und Besserverdienende aus der Stadt ab. Die meist in Haushaltsnotlage befindliche Großstadt kann aber diesen Wettlauf nach unten nicht mitmachen, weil sie durch die jeweilige Rechtsaufsichtsbehörde gezwungen wird, ihre Einnahmen um das maximal Mögliche zu erhöhen. Dabei geht es dann immer wieder um die beiden genannten Steuerquellen und natürlich immer wie¬der auch um Verwaltungsgebühren. Die Großstadt hat also einen erheblichen Nachteil, den sie de facto nie ausgleichen kann. Wettbewerb unter Gleichen geht anders.

Dieses Prinzip ist in den Kommunen schon so oft gescheitert, dass man sich fragen muss, warum die Bundesregierung es nicht erkennt oder erkennen will, dass der Weg der falsche ist. Zudem entfernen wir uns so noch weiter vom Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen der Republik. Schließlich werden die reichen Länder in der Lage sein, ihren Vorteil gegenüber den schwächeren weiter auszunutzen und deren Entwicklung so zu bremsen.

Ein weiterer Aspekt ist die gewollte volle Ausnutzung des Kostendeckungsprinzips. Auch hier ist es möglich, etwas Gutes zu tun oder alles noch schlimmer zu machen. Auf den ersten Blick erscheint es sinnvoll, dass eine Leistung des Staates auch finanziert werden soll. Und wer eine besondere Leistung der Verwaltung in Anspruch nimmt, muss diese auch bezahlen. Klingt erst einmal vernünftig, doch Vorsicht! Auch hier kann es wieder passieren, dass es zu einer schlimmen Sache für die kleinen Leute wird; denn wenn der Bund und die Länder sich darauf einigen, eine Vollkostendeckung bei Gebühren einzuführen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das auch von den Kommunen für alle Bereiche verlangt wer¬den wird. Das kann dann teuer werden. Schließlich müssten im schlimmsten Fall für Bauanträge, Personalausweise oder Reisepässe oder auch für Eheschließungen oder Eintragungen nach Geburten volle kosten¬deckende Gebühren gezahlt werden. Im Ergebnis müssten nach jeder – zweifelsfrei begrüßenswerten – Ta-rifsteigerung im öffentlichen Dienst auch die Gebühren erhöht werden. Die Kosten sind dann gestiegen, also muss auch die Gebühr steigen. Strompreiserhöhungen oder andere Kostensteigerungen können das gleiche Ergebnis hervorbringen.
Hier gilt es, wirklich wachsam zu sein und eine solche Entwicklung zu verhindern. Wenn die Bundesregierung auf solche Dinge Rücksicht nimmt, kann es eine gelungene Sache werden. Die Hinweise dafür sind aber bis jetzt ausgeblieben. Wir empfehlen eine Anhörung zum Thema. Schlechter werden kann der Gesetzentwurf dadurch nicht.