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Neues Urhebergesetz enteignet Künstler

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Es gibt viele Künstler und Künstlerinnen in diesem Land, deren Arbeiten die Preiskategorie von 1 000 Euro und mehr nie erreichen. Das betrifft nicht Bilder, sondern Grafiken, Lithos, Aquarellen und Fotos. Weiß man im Bundesministerium, weiß man in der Regierung nicht um die wirtschaftliche Situation von Künstlerinnen und Künstlern? Doch, man weiß darum genau. Man weiß, dass 40 Prozent der Künstler und Künstlerinnen nach In-Kraft-Treten dieses Gesetz nicht mehr in den Genuss des Folgerechtes kommen, dass die Neuregelung also einer Enteignung eines Großteils der bildenden Künstler und Künstlerinnen gleichkommt und damit für diesen Personenkreis eine weitere Verarmung bedeutet. Dr. Luc Jochimsen in der Debatte zum neuen Urheberrechtsgesetz.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fürchte, man kann die Welt sehr unterschiedlich betrachten. Welche Bedeutung haben die schön klingenden Bekenntnisse zur Kulturnation Deutschland in diesem Hohen Haus? Davon können wir uns in dieser Debatte ein Bild machen. Wie heißt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD? Im Mittelpunkt der Kulturpolitik steht die Förderung von Kunst und Künstlern. Nun legt uns die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor, der kalt und brutal 40 Prozent der bildenden Künstler und Künstlerinnen in diesem Land um ihren gesetzlichen Anspruch auf einen Anteil am Erlös aus Weiterveräußerungen ihrer Werke bringt - knallhart und einfach so. Wenn ein Kunsthändler heute eine Grafik, ein Litho oder ein Foto für 200 Euro kauft und für 900 Euro verkauft, erhält der Künstler 5 Prozent dieser Weiterverkaufssumme, also 45 Euro. Das ist nicht viel Geld. Für Künstler und Künstlerinnen in Deutschland, die zum großen Teil mehr oder wenig an oder unterhalb der Armutsgrenze leben, ist dieses Geld aber unverzichtbar. Das gilt nicht für die Millionäre Baselitz und Neo Rauch. Im neuen Gesetzentwurf heißt es: Der Schwellenwert für die Folgerechtspflichtigkeit wird auf 1 000 Euro festgelegt. Das heißt, nur die Künstler und Künstlerinnen, deren Werke für 1 000 Euro oder mehr weiterverkauft werden, haben überhaupt einen Anspruch auf Folgerechtsvergütung. Bisher bestand ein Anspruch ab 50 Euro. Der Anstieg auf das 20-fache enteignet auf einen Schlag und ohne Not gerade die jungen Künstler und Künstlerinnen, die am Anfang ihres kreativen Wirkens stehen, aber auch die älteren Künstler und Künstlerinnen, die am Ende ihres Schaffensprozesses froh sind, wenn sie ihren Lebensunterhalt in Würde durch Weiterverkaufserlöse entsprechend ihrem bisherigen gesetzlichen Anspruch ein bisschen aufstocken können. Es gibt viele Künstler und Künstlerinnen in diesem Land, deren Arbeiten die Preiskategorie von 1 000 Euro und mehr nie erreichen. Ich spreche nicht von Bildern, sondern von Grafiken, Lithos, Aquarellen und Fotos. Weiß man im Bundesministerium, weiß man in der Regierung nicht um die wirtschaftliche Situation von Künstlerinnen und Künstlern? Doch, man weiß darum genau. Man weiß, dass 40 Prozent der Künstler und Künstlerinnen nach In-Kraft-Treten dieses Gesetz nicht mehr in den Genuss des Folgerechtes kommen, dass die Neuregelung also einer Enteignung eines Großteils der bildenden Künstler und Künstlerinnen gleichkommt und damit für diesen Personenkreis eine weitere Verarmung bedeutet. Damit nicht genug. Auch der Prozentsatz für Verkäufe bis 50 000 Euro soll in Zukunft von 5 auf 4 Pro-zent gesenkt werden. Diese Absenkung wiederum bedeutet eine massive Schlechterstellung der folgerechtsberechtigten Künstler und Künstlerinnen, die ihre Werke zu guten oder sehr guten Preisen verkaufen können. Das betrifft 20 Prozent der renommierten, für Deutschlands Kunst besonders wichtigen Kreativen. Man komme uns nicht mit dem Argument, hier müsse eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und Rates umgesetzt werden. Die europäische Richtlinie schreibt weder die Anhebung des Eingangssatzes auf 1 000 Euro noch die Absenkung des bisherigen Prozentsatzes von 5 auf 4 Prozent vor. Dieses Märchen wollen wir uns bitte gar nicht erst auftischen lassen. (Beifall bei der LINKEN) Die Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten großen Gestaltungsspielraum bei der Frage, wo der Folgerechtsanspruch beginnt: bei 50 Euro, wie bisher bei uns, bei 300, 500 oder 1 000 Euro. Er muss nur bei maximal 3 000 Euro festgesetzt werden. Wir sind also frei in der Entscheidung, ob wir unseren bildenden Künstlern und Künstlerinnen eine angemessene Vergütung am Weiterverkauf ihrer Werke garantieren oder nicht, ob wir sie kalt enteignen oder nicht. Die Linksfraktion lehnt den Gesetzentwurf daher entschieden ab. Gestatten Sie mir zum Schluss ein Plädoyer: Wer Kunst und Kultur fördern und schützen will - das wollen wir angeblich alle -, der kann diesen Gesetzentwurf in dieser Form nicht passieren lassen. Danke. (Beifall bei der LINKEN)