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Neue transatlantische Partnerschaft begründen

Rede von Stefan Liebich,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 25. April 1945 haben sich an der Elbe bei Torgau amerikanische und sowjetische Soldaten die Hand gereicht. Dieses historische Bild wurde gezeichnet anlässlich des gemeinsamen militärischen Sieges der Anti-Hitler-Koalition über das Naziregime.

Auch Deutsche in US-amerikanischer Uniform kamen damals in ihre Heimat zurück, die sie wegen Verfolgung und politischem Druck verlassen haben, weil sie ein Leben in Freiheit und nicht in der Diktatur wollten. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren damals das Land ihrer Wahl. Ich nenne hier beispielhaft Marlene Dietrich, die vom Berliner Senat im Jahr 2003 dafür zur Ehrenbürgerin ernannt wurde, oder auch den ehemaligen Alterspräsidenten des Deutschen Bundestages Stefan Heym, dessen hundertsten Geburtstag wir im nächsten Jahr feiern.

(Beifall bei der LINKEN)

Die aktuellen transatlantischen Beziehungen begannen mit der Befreiung Deutschlands – ein guter Start, wie ich finde. Die Anti-Hitler-Koalition ist schnell zerbrochen. Deutschland wurde gespalten. Die USA haben dem Westen unseres Landes mit dem Marshallplan eine Perspektive heraus aus Hunger und Ruinen geboten. Dieses Angebot wurde angenommen und war die Grundlage für das sogenannte Wirtschaftswunder. Deshalb sind viele Menschen in unserem Lande den USA bis heute zutiefst verbunden.

Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland entschieden sich für eine feste Bindung an die USA. Auch der Bundestag etablierte Strukturen enger Zusammenarbeit mit dem Kongress. Bald werden wir wieder, wie in jedem Jahr, ein Treffen mit den Kolleginnen und Kollegen aus Senat und Repräsentantenhaus haben. Es wird das letzte Mal sein, dass unsere Parlamentariergruppe von Hans-Ulrich Klose angeführt wird. Sie sagten mir einmal, wie es Sie geprägt hat, dass die USA nach dem schrecklichen Zweiten Weltkrieg sofort junge Leute wie Sie in ihr Land eingeladen haben. Das merkt man. An dieser Stelle möchte ich Ihnen auch im Namen meiner Fraktion recht herzlich für Ihre langjährige engagierte Arbeit danken.

(Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Blick zurück ist wichtig. Kommende Beziehungen sind aber vor allen Dingen von den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft geprägt. Am Dienstag – es wurde hier natürlich angesprochen – haben die Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten ihren Präsidenten Barack Obama wiedergewählt. Viele, auch hier bei uns im Land, hat das sehr gefreut. Wir haben aber auch am Dienstag gesehen: Die USA sind immer noch politisch tief gespalten. Dies ist ja nicht nur einfach ein Klischee, sondern es ist die Wirklichkeit.

Wenn man sich die Abstimmungen angeschaut hat, dann hat man gesehen: Es sind auf der einen Seite in Maryland und Maine Cannabis legalisiert bzw. die Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen gestattet worden - beides übrigens Punkte, die eine Mehrheit hier in unserem Haus ablehnt - auf der anderen Seite ist in Kalifornien die Todesstrafe bestätigt worden. In Florida wurde abgelehnt, dass der Staat Krankenversicherungen unterstützt, die Abtreibungen beinhalten. Es gab Kandidaten mit sehr seltsamen Auffassungen. Todd Akin aus Missouri meinte, dass Schwangerschaften nach Vergewaltigungen sehr selten seien, weil der weibliche Körper Wege habe, diese zu unterbinden, und dass deshalb Abtreibungen auch in so einem Fall nicht zulässig sein sollen. Zum Glück hat er seine Wahl verloren. Schön dagegen ist, dass mit Tammy Baldwin erstmals eine offen lesbisch lebende Frau in den Senat gewählt wurde. Das hat mich sehr gefreut.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit Barack Obama hat ein Präsident gewonnen, der das Gefangenenlager in Guantanamo immer noch nicht geschlossen hat, obwohl er es angekündigt hatte. Mangelnde Glaubwürdigkeit attestiert ihm daher völlig zuRecht der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung.

Obamas Drohnenangriffe in souveränen Staaten brechen internationales Recht; die Tötung von Menschen, die niemand verurteilt hat, können wir nicht einfach hinnehmen. Dies ist nur die eine Seite. Er hat auch dafür gesorgt, dass sich die USA international wieder abstimmen, in der UNO ordentlich ihre Beiträge bezahlen, er hält den Klimawandel nicht für einen Scherz. Er setzt sich für die Rechte von Migranten, von Lesben und Schwulen ein. Und er wird als derjenige Präsident in die US-Geschichte eingehen, der für den Großteil der Menschen in den Vereinigten Staaten eine Krankenversicherung organisiert hat.

Ich bin ganz ehrlich: Mir war die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger in der vorletzten Nacht nicht egal. Ich bin über die Wiederwahl von Barack Obama trotz aller Kritik froh, da er die bessere Alternative war.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein Kandidat, der sagt, es sei nicht sein Job, sich um die ärmere Hälfte der eigenen Bevölkerung zu kümmern – Mitt Romney hat sich so geäußert -, aber die Unternehmenssteuern senken will, der außenpolitisch eher noch im Kalten Krieg lebt, weil er Russland für eine Bedrohung hält, wäre aus meiner Sicht eine schlechtere Wahl gewesen.

Die Welt hat sich dramatisch geändert. Klimawandel, internationaler Terrorismus, Globalisierung - das sind neue Herausforderungen. Aber die Antworten, die diesseits und jenseits des Atlantik gegeben werden, sind häufig immer noch die alten: Militär gegen Bedrohung und zur Ressourcensicherung, Abbau sozialer Sicherung und statt klarer Regeln durch den Staat freie Hand für Märkte und Banken.

Barack Obama hat gestern in seiner Siegesrede in Chicago von Werten gesprochen, die ein Land so voller Unterschiede zusammenhalten sollen: Verantwortung untereinander und künftigen Generationen gegenüber. – Ich würde es Solidarität nennen.Er hat von Freiheit gesprochen und von Respekt.

Gestützt auf diese Werte können Europa, Deutschland und die Vereinigten Staaten eine neue transatlantische Partnerschaft begründen. Wir könnten zusammen den Frieden in der Welt fördern, indem wir mutige Abrüstungsschritte unternehmen, zum Beispiel, indem man in einem ersten Schritt die Atomwaffen aus Deutschland abzieht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir könnten die Armut weltweit bekämpfen, indem Banken und Finanzmärkte mutig reguliert werden, zum Beispiel, indem wir als ersten Schritt eine weltweite Finanztransaktionsteuer einführen. Wir könnten eine neue internationale Sicherheitsarchitektur aufbauen, zum Beispiel, indem wir als ersten Schritt die OSZE, in der beide Länder Mitglied sind, stärken. Wir könnten gemeinsam im Nahen Osten eine Initiative dazu ergreifen, dass es endlich zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommt. Die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied bei den Vereinten Nationen könnte hierfür ein erster Schritt sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wir könnten gemeinsam für die Achtung der Menschenrechte weltweit eintreten und deshalb eine Initiative ergreifen, Waffenexporte zu ächten. Der Stopp von Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete könnte hier ein erster Schritt sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Lösungen liegen also vor uns. Wir müssen es nur schaffen, uns endlich von den Dogmen der Vergangenheit zu lösen. Auch wir als Linke machen dazu in der nächsten Woche einen kleinen Schritt. Mancher denkt ja, wir Linke seien antiamerikanisch.

(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Ja!)

Das ist falsch.

(Gisela Piltz [FDP]: Komisch, wie kommen wir darauf?)

Am kommenden Dienstag nehmen unser Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi, unsere stellvertretende Fraktionsvorsitzende Cornelia Möhring und ich in New York City an der Eröffnung des ersten US-Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung teil. Das war auch an der Zeit.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Damit ist es noch nicht getan! Wir gucken auch hin, was die da sagen!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)