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Neue Regeln für unternehmerischen Geschäftsverkehr

Rede von Jens Petermann,

195. Sitzung des Deutschen Bundestages, 27. September 2012
TOP 36: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr
Fraktion DIE LINKE
Jens Petermann - Rede zu Protokoll

Sehr geehrte(r) Herr/Frau Präsident(in), meine sehr verehrten Damen und Herren,
Gegenstand der heutigen Debatte ist die Umsetzung einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates aus dem Februar 2012. Die Bundesrepublik ist völkerrechtlich verpflichtet, diese Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen. Ob die Segnungen aus Brüssel immer den Stein der Weisen darstellen, kann dahin stehen. Interessieren soll uns das Ob und das Wie der Umsetzung. Hier ist, vor allem wenn es um Anpassungen so alter und umfangreicher Gesetze wie das des Bürgerlichen Gesetzbuches geht, sensibles Herangehen gefragt. Es kommt darauf an, die Neuerungen bestmöglich in die bestehende Systematik einzufügen, ohne die Übersichtlichkeit zu verlieren.
Meines Erachtens ist dem Bundesjustizministerium eine behutsame Einbettung nicht gelungen – im Gegenteil: Die in der Richtlinie vorgesehenen Veränderungen wurden einfach nur 1:1 in das BGB hineingedrückt.
Größtenteils entspricht das deutsche Zivilrecht bereits den Anforderungen der Richtlinie, so dass nur noch Teilbereiche neu zu regeln waren. Der Gesetzentwurf sieht die Anhebung der gesetzlichen Verzugszinsen vor und führt einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrages bei Verzug ein. Darüber hinaus sollen Höchstgrenzen für vertraglich vereinbarte Zahlungsfristen sowie Höchstgrenzen für die Dauer von Abnahme- und Überprüfungsverfahren eingeführt werden. Ein pauschaler Schadenersatz und Höchstgrenzen für Zahlungs- und Annahmefristen sind dem BGB bisher fremd.
Alle Bürgerinnen und Bürger die befürchten, dass die Gesetze noch umständlicher und Kauf- oder Werkverträge komplizierter werden, kann ich beruhigen: Für Verbraucherinnen und Verbraucher wird sich nichts ändern. Denn die Neuerungen gelten nur für Verträge zwischen Unternehmern und zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen.
In den vergangen Wochen erreichten mich und meine Kollegen viele Schreiben von Handwerkern, kleinen und mittelständischen Unternehmern sowie Handwerkskammern und anderen Interessenvertretungen. Sie warnen davor, dass sich die ihrer Auffassung nach richtige Zielsetzung der Richtlinie, Zahlungsfristen zu verkürzen und damit die Liquidität der Unternehmen zu verbessern, durch die Umsetzung in bundesdeutsches Recht ins Gegenteil verkehren könnte.
Ich sehe aber die Gefahr einer drohenden Rechtsunsicherheit, die sich erst nach einigen Jahren durch höchstrichterliche Rechtsprechung abstellen lässt.
Ich hatte darauf hingewiesen, dass die neuen Regelungen teilweise nicht der deutschen Gesetzgebungstechnik entsprechen. Dies möchte ich mit zwei kurzen Beispielen unterstreichen:
1. Der Fristbeginn in § 271 Abs. 1 und Abs. 2 BGB-Entwurf ist nicht einheitlich geregelt. Der Lauf der Frist kann mit Zugang der Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung oder Empfang der Gegenleistung beginnen. Hier kann es in der Praxis zu erheblichen Missverständnissen kommen. Eine Zahlungsaufstellung ist zum Beispiel schon ein Leistungsverzeichnis, welches bei Bauaufträgen bereits mit dem Angebot abgegeben wird. Hier ist Konkretisierung notwendig.
2. § 288 Abs. 5 Satz 2 BGB-Entwurf besagt, dass eine Vereinbarung, die den Anspruch aus Satz 1 ausschließt, vermutlich gegen die guten Sitten verstößt. Das ist wortwörtlich aus der Richtlinie übernommen, entspricht aber mitnichten der deutschen Gesetzessprache. Denn im deutschen Recht sind nur Tatsachen vermutungsfähig nicht jedoch Wertungen.
Bei diesen beiden Beispielen möchte ich es bewenden belassen. Sie zeigen aber deutlich, dass sich die Ersteller der Vorlage über das copy und paste- Verfahren hinaus hätten bemühen sollen. Es sind also noch einige Unzulänglichkeiten durch die Beamte im Justizministerium abzustellen, damit der Gesetzentwurf dann im zweiten Durchgang der Rechtsförmlichkeit entspricht.