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Neue Ordnung der Arbeit: Kleine Schritte in die richtige Richtung - der große Wurf gelingt nicht

Rede von Klaus Ernst,

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es liegt ja mir fern, die Regierung zu verteidigen, wie Sie wissen. Aber ich finde, es gibt ein Argument, dass Sie, Herr Kurth, überdenken sollten: Sie sollten einmal darüber nachdenken, dass Menschen mit 45 Versicherungsjahren in der Regel natürlich auch 45 Jahre in das System eingezahlt haben. Dann ist es durchaus adäquat, dass man genau diese Menschen früher in Rente gehen lässt. Sie zahlen im Übrigen länger ein als jemand, der mit 30 nach dem Studium in dieses System hineinkommt. ‑ Ich glaube, diese Überlegung ist nicht ganz falsch. Wie Sie es umsetzen, ist etwas anderes.

Ich möchte vor allen Dingen über die Regulierung von Arbeit reden, die die Regierung in ihr Programm aufgenommen hat. Ich stelle fest, Frau Nahles: kleine Schritte in die richtige Richtung; der große Wurf gelingt nicht; die eigentlichen Probleme werden nicht angegangen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich sage Ihnen, an welchen Punkten das zutrifft. Ich nehme einmal den Mindestlohn. Da hat Kollegin Pothmer richtigerweise das gesagt, was zu den Ausnahmeregelungen zu sagen ist. Bei einem Punkt bin ich mir nicht ganz sicher, Frau Pothmer: Was wollen Sie mit denen machen, die jung sind, aber keine Ausbildung haben? Wollen Sie ihnen den Mindestlohn verweigern, damit man keine falschen Anreize setzt? Sie sind ja dann möglicherweise Aufstocker. Das verstehe ich noch nicht ganz.

Ich bin dafür, möglichst keine Ausnahmen beim Mindestlohn zuzulassen. Ich möchte Frau Nahles den Tipp geben: Lassen Sie sich da nicht von all denen beirren, die hinsichtlich der Ausnahmen herumstänkern. Diese Leute wollen den Mindestlohn eigentlich überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Abgesehen davon, dass es natürlich positiv ist, dass es den Mindestlohn überhaupt gibt: Warum ändert sich vor 2015 überhaupt nichts? Das ist die erste Frage. Warum wird der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn für alle erst am 1. Januar 2017 Realität? Schließlich sind ja vorher diejenigen mit Tarifverträgen die Gekniffenen, wenn sie schlechtere Tarife haben. Diese Personen bleiben ja bei niedrigeren Löhnen.

Der flächendeckende Mindestlohn erfährt nach dem Koalitionsvertrag seine erste Erhöhung am 1. Januar 2018. Ja, bitte schön, warum? Wissen Sie, was? Im Jahre 2018 wird das, was heute bzw. 2010, als der DGB diese Forderung erhoben hat, noch 8,50 Euro sind oder waren ‑ ich habe es mir ausgerechnet ‑, 7,23 Euro sein. Was Sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben, ist eine systematische Entwertung des Mindestlohns. Dazu muss ich sagen: Da muss bei der Gesetzgebung deutlich nachgebessert werden. So können wir dies nicht akzeptieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zur Leiharbeit. Auch das ist ein Punkt, der von besonderer Bedeutung ist. Sie haben ja gesagt: Wir wollen die Würde von Menschen wiederherstellen. ‑ Wir wissen: Leiharbeit entwürdigt Menschen sehr häufig. Ja, Sie regulieren ein wenig. Sie sagen: Ab dem neunten Monat in einem Arbeitsverhältnis bekommen Leiharbeiter gleichen Lohn für gleiche Arbeit. ‑ Das ist löblich.

Aber Sie wissen doch genau, dass 50 Prozent der in Leiharbeit Beschäftigten in dem Unternehmen, an das sie ausgeliehen sind, nur drei Monate sind; dann sind sie wieder weg. Die geplante Regelung geht zumindest an denen, die als Leiharbeiter nur drei Monate in einem Unternehmen arbeiten, vollkommen vorbei. Personen, die neun Monate und länger Leiharbeit in demselben Unternehmen verrichten, gibt es natürlich noch weniger. Die meisten Leiharbeiter haben von dieser Regelung schlichtweg nichts.

Außerdem wollen Sie die Leiharbeit auf 18 Monate befristen. Die wenigsten, die in Leiharbeit in einem Betrieb tätig sind, tun dies 18 Monate lang. Die meisten Leiharbeiter sind dort schon früh wieder heraus. Das bedeutet, Sie schaffen ein reines Placebo. In der Realität kommt bei den Beschäftigten nichts an. Sie regulieren in dieser Frage so gut wie nicht.

Werkverträge, Frau Nahles: Die Betriebsräte haben nicht wirklich das Recht, an ihnen etwas zu ändern. Das Informationsrecht reicht dazu nicht aus. Man informiert die Betriebsräte, dass man etwas Bestimmtes tut, und macht genauso weiter wie vorher. Sie haben an diesem Punkt nichts geändert.

Bei der Befristung kann ich im Koalitionsvertrag überhaupt keine Neuregelung erkennen. Wir wissen, dass insbesondere Jugendliche nur noch befristet eingestellt werden. Das zu ändern, haben wir überhaupt keine Regelung. Sie haben mit dem, was Sie im Koalitionsvertrag festgehalten haben, eins überhaupt nicht erreicht: dass Sie Arbeit wieder in vernünftiger Weise regulieren. Das geht an der Realität vollkommen vorbei.

Deshalb sage ich Ihnen: Ich hoffe, dass Sie an dieser Stelle deutlich nachbessern. Das, was ich gesagt habe ‑ kleine Schritte ‑, reicht zur Bekämpfung der Probleme am Arbeitsmarkt überhaupt nicht aus, wenn Sie das Ziel, das zu erreichen Sie sich vorgenommen haben, auch tatsächlich erreichen wollen, nämlich die Würde der Menschen am Arbeitsmarkt wiederherzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Da springen Sie mit Ihrem Koalitionsvertrag vollkommen zu kurz.

(Beifall bei der LINKEN)