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Nein zum Bundeswehreinsatz in Bosnien!

Rede von Inge Höger,

Rede im deutschen Bundestag am 16.12.2009 zur Verlängerung des ALTHEA-Mandates für den Bundeswehreinsatz in Bosnien

Nein zum Bundeswehreinsatz in Bosnien!
Rede im deutschen Bundestag am 16.12.2009 zur Verlängerung des ALTHEA-Mandates für den Bundeswehreinsatz in Bosnien


Inge Höger (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor 14 Jahren wurde mit dem Friedensabkommen von Dayton die Grundlage des militärischen und politischen Status quo in Bosnien-Herzegowina gelegt. Das Land scheint oberflächlich befriedet; aber es bleiben Zweifel, ob der Dayton-Prozess, den die Bundeswehr dort absichert, wirklich zu einer stabilen Neuordnung des Landes geführt hat.
Die Arbeitslosigkeit liegt in manchen Regionen bei über 40 Prozent. Konkret bedeutet das: Eine halbe Million Menschen sind erwerbslos. Andererseits kommen auf 4,6 Millionen Menschen in Bosnien-Herzegowina 100 Minister. Die Wirtschaftsleistung stagniert bei 60 Prozent des Vorkriegsniveaus. Internationale Zuwendungen sind nach wie vor die Haupteinnahmequelle des Staates. Die Privatisierung von Staatsunternehmen hat die ungleiche Verteilung von Vermögen massiv befördert.
Die Verantwortung für diese Zustände ist keineswegs allein in Bosnien-Herzegowina und in den Folgen des Bürgerkrieges zu suchen. Mitverantwortlich ist die sogenannte internationale Gemeinschaft durch von außen diktierte Reformen. So wurde zum Beispiel die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik an den Internationalen Währungsfonds übergeben. Die Regierung hat so keine Möglichkeit zur Gestaltung einer eigenständigen Geldpolitik. Neoliberale Konzepte sind kein Weg zur Armutsbekämpfung.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie sind es weder in Bosnien-Herzegowina noch in Deutschland.


(Beifall bei der LINKEN - Holger Haibach (CDU/CSU): Hartz IV? Na?)


Die eigentliche Macht im Lande liegt nach wie vor beim EU-Sonderbeauftragten, der zugleich Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen ist; wir hörten es schon. Das Fortbestehen einer solchen Protektoratsverwaltung bringt wenig Vorteile, aber viele Probleme mit sich. Der Hohe Repräsentant trifft bei allen politischen Prozessen die letzte Entscheidung.


(Michael Brand (CDU/CSU): Eine gute Entscheidung, eine sehr gute!)


Dies ermöglicht es regionalen Politikern, alle Probleme auf die Einflussnahme von außen zu schieben und sich selbst der Verantwortung zu entziehen. Die vor allem von der EU vorangetriebene Form des Staatsaufbaus kann wohl nur als gescheiterter Versuch eines neuen Kolonialismus beschrieben werden.


(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Oh Gott!)


Was funktioniert, ist die Heranführung der bosnischen Armee an die Militärstrukturen der NATO und der Europäischen Union. Die Bundesregierung nennt dies euro-atlantische Integration. So beteiligen sich immerhin bereits ein Dutzend Soldaten der Armee von Bosnien-Herzegowina an dem Kriegseinsatz der NATO in Afghanistan. Die Linke sieht darin keine positive Entwicklung. Sinnvoller wäre in jedem Fall eine weitere Demilitarisierung des Landes, statt auch in Bosnien Militärs für Auslandseinsätze auszubilden und auszurüsten.


(Beifall bei der LINKEN - Henning Otte (CDU/CSU): Wo stünde das Land heute?)


Die Linke sieht die Herausbildung einer Militärmacht Europäische Union sehr kritisch. Mit der Militärmission „Althea“ in Bosnien bekam die EU bereits 2004 ihr erstes großes Pilotprojekt für die Umsetzung militärischer Ordnungspolitik.


(Günter Gloser (SPD): Nein!)


Jenseits dieser grundsätzlichen Kritik an der Militarisierung der europäischen Politik bleibt das Fazit für die konkrete Situation in Bosnien-Herzegowina ernüchternd. Das Land ist nach wie vor nicht souverän, sondern ein hauptsächlich von der Europäischen Union abhängiges Protektorat. Ein Weg aus der Sackgasse ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Risikofaktoren wie Armut, Korruption und ethnische Spannungen nehmen zu. Es wird Zeit, endlich ehrlich Bilanz über die Erfolge und Misserfolge der internationalen Präsenz in Bosnien-Herzegowina zu ziehen. Nur dann wird es möglich sein, ein tragfähiges Konzept für die zivile Entwicklung der Region auf den Weg zu bringen.


Vielen Dank.