Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Werte Frau Ministerin, von Mutter zu Mutter: Niemand in diesem Hause, auch nicht von denjenigen, die das Betreuungsgeld ablehnen, will irgendjemandem seinen Erziehungsstil vorschreiben oder die Eltern zu irgendetwas zwingen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sie tun es aber!)
Niemand hier im Hause spricht zum Beispiel von einer Kitapflicht, wie es mir unterstellt wurde. Niemand hier im Hause will an die Wahlfreiheit der Eltern herangehen und ihnen vorschreiben, ob sie ihre Kinder in die Kita bringen oder von Oma, Tante oder Nanny betreuen lassen. Ich bitte auch Sie, dies endlich zur Kenntnis zu nehmen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, das steht außer Frage. Es wird so oft über die Wahlfreiheit gesprochen. Natürlich sollen alle Eltern diese Wahlfreiheit haben. Genau darum geht es doch.
Aber für diese Wahlfreiheit braucht es Voraussetzungen, und diese sind schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Wir haben noch nicht die Anzahl von Plätzen, die nötig ist, damit der vorgesehene Rechtsanspruch wirklich erfüllt werden kann. Selbst wenn wir eine ausreichende Anzahl von Plätzen hätten, dann hätten wir noch nicht die Qualität, die wir uns wünschen. Uns fehlen Erzieherinnen und Erzieher, wir brauchen kleinere Gruppen, und wir brauchen eine bessere Ausstattung. Wenn ich mir überlege, was man mit diesen 2 Milliarden Euro, die Sie für das Betreuungsgeld jährlich einsetzen wollen, machen könnte!
(Markus Grübel (CDU/CSU): Können Sie mir das mal vorrechnen!)
Wir könnten über die Gebührenfreiheit der Kitas sprechen, wir könnten so viel mit diesem Geld anfangen, was deutlich besser wäre als dieses Betreuungsgeld.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unser Hauptziel hier im Bundestag muss es sein, den Rechtsanspruch umzusetzen, den wir alle miteinander vereinbart haben. Ich glaube aber, es gibt nur einen Teil hier im Hause, der tatsächlich daran interessiert ist, diesen Rechtsanspruch umzusetzen.
(Daniela Ludwig (CDU/CSU): Das stimmt, wir!)
Denn wo, bitte schön, sind die Initiativen, um dies tatsächlich zu ermöglichen? Wir wissen doch, wie viele Plätze noch fehlen. Wir wissen doch, wie viele Erzieherinnen und Erzieher noch fehlen. Wo aber sind die Initiativen, um diese Lücke tatsächlich zu schließen?
Noch ein Satz zur Erziehungsleistung. Ihre Begründung für das Betreuungsgeld lautet: Die Erziehungsleistung der Eltern soll gewürdigt werden. Worin besteht der Unterschied zwischen der Erziehungsleistung derjenigen Eltern, die ihr Kind durch Oma, Tante oder Nanny betreuen lassen und die das Betreuungsgeld bekommen, und der Erziehungsleistung derjenigen Eltern, die ihr Kind in einer Kita von ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen betreuen lassen? Ich sehe ihn nicht!
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich nehme auch für mich in Anspruch, als Mutter von zwei Kindern, als Sozialpädagogin mit einer Ausbildung in diesem Bereich
(Norbert Geis (CDU/CSU): Deshalb haben Sie ja so große Probleme, weil Sie den Unterschied nicht sehen!)
Welche Probleme Sie haben, brauche ich in diesem Haus nicht weiter auszuführen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Norbert Geis (CDU/CSU): Lassen Sie doch solche billigen Retourkutschen! Die gehören in den Kindergarten!)
Auch ich, Herr Geis, nehme für mich in Anspruch, meine Kinder zu erziehen, genauso wie jede Mutter, die sich dafür entscheidet, entweder zu Hause zu bleiben und ihre Kinder selbst zu erziehen oder die Erziehung den Schwiegereltern, Oma, Opa, Tante oder Nanny zu überlassen. Ich mache keine Unterschiede, so wie Sie es tun.
Ich will es noch einmal sagen: Es ist eine Ungerechtigkeit, den Eltern, die genauso gut ihre Kinder erziehen, ein Erziehungsgeld obendrauf zu geben, während die anderen Eltern teure Kitagebühren für die Betreuung ihrer Kinder zahlen müssen. Das ist ungerecht, und das darf nicht Wirklichkeit werden.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Haderthauer aus Bayern hat behauptet, das Betreuungsgeld sei deshalb ein Ausgleich, weil die Kitaplätze gebührenfrei wären. Mit dieser ich will in diesem Hohen Hause jetzt nicht von Lüge sprechen Unwahrheit möchte ich an dieser Stelle aufräumen. Zeigen Sie mir bitte die Kommunen, die sich dies wirklich leisten können. Zeigen Sie mir die Bundesländer, die pauschal für alle Kinder unter drei Jahren die Gebührenfreiheit eingeführt haben. Das möchte ich einmal sehen. Zeigen Sie mir die Kommunen, die sich das erstens leisten können und zweitens leisten wollen. Wir sind noch lange nicht so weit. Wir könnten die 2 Milliarden Euro, die Sie für diesen Quatsch ausgeben wollen, viel besser für die Gebührenfreiheit der Kitas gebrauchen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD Norbert Geis (CDU/CSU): Also, das ist ein solcher Unsinn! Das ist nicht mehr auszuhalten!)
Das ist wirklich nicht mehr auszuhalten, Herr Geis.
Jetzt will die CSU selber einen Gesetzentwurf schreiben, weil ihr das, was die Ministerin macht, nicht schnell genug geht. Ich möchte Sie bitten: Nutzen Sie den Rest der Legislaturperiode dazu, sinnvollere Dinge zu machen. Sie haben noch einiges im Koalitionsvertrag stehen. Ich erinnere an den Unterhaltsvorschuss; ich erinnere an die geplanten Verbesserungen beim Elterngeld und beim Kinderzuschlag. Sie haben so viel zu tun!
(Caren Marks (SPD): Sie schreibt lieber Bücher!)
Bitte kümmern Sie sich wirklich darum, und folgen Sie dem, was die Ministerin eben gefordert hat, nämlich Familienpolitik für alle Familien zu machen und nicht nur für die Bessersituierten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)