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Naturschutz kommt durch Föderalismusreform unter die Räder

Rede von Lutz Heilmann,

Anlässlich der Beratung des Berichts der Bundesregierung zur Lage der Natur (DS 15/5903) äußerte sich Lutz Heilmann besorgt über die Zukunft des Naturschutzes in Deutschland. Die äußerst schleppende Umsetzung der europäischen Naturschutzrichtlinien lässt befürchten, dass die Bundesländer ihre neuen Freiheiten dafür nutzen werden, den Naturschutz auf dem Altar der Wirtschaft zu opfern.

Herr Präsident, Frau Präsidentin, Werte Kolleginnen und Kollegen, Der Bericht zur Lage der Natur wird seinem Auftrag nicht gerecht. Er beschränkt sich auf die Darstellung von Aktivitäten der Bundesregierung. Die Öffentlichkeit erwartet von einem solchen Bericht, dass er wie der Waldzustandsbericht etwas über den Zustand und vor allem die Entwicklung der Natur in der BRD aussagt. Verwunderlich ist diese Zurückhaltung jedoch nicht, die Roten Listen der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten werden immer länger. Deshalb unterstützen wir im Grundsatz den Antrag der Grünen, dass die Bundesregierung endlich ihre nationale Biodiversitätsstrategie vorlegen soll. Worauf ist der Trend zu immer mehr gefährdeten Arten und Biotopen zurückzuführen? Straßenneubauten zerschneiden immer noch wertvolle Gebiete, daran ändern auch keine Grünbrücken etwas. An der A 20 sehe ich die Wildschweine, Marder und Füchse regelmäßig Schlange stehen. Industrieansiedlungen und Wohnungen entstehen viel zu oft auf der so genannten grünen Wiese statt, die dann keine Wiese mehr ist. Es ist nicht im Sinne des Naturschutzes, wenn jedes X-beliebige Investitionsprojekt quasi automatisch Vorrang vor diesem hat. Dann bleibt in Deutschland irgendwann keine Natur mehr übrig. Notwendig sind Gebiete, in die der Mensch nicht störend eingreift! Deswegen darf die anstehende Überarbeitung der EU-Naturschutzrichtlinien nicht zu deren Abschwächung führen. Vielmehr sollten endlich die Meldungen der Schutzgebiete abgeschlossen werden und die gemeldeten Gebiete aktiv geschützt werden. Dass 27 Jahre nach Verabschiedung der Vogelschutzrichtlinie immer noch keine ausreichende Zahl von Schutzgebieten aus Deutschland gemeldet wurde, spottet jeder Beschreibung. Auf der gestrigen Anhörung zur Föderalismusreform beteuerten einige Landesvertretern, sie würden ihre neuen Abweichungsrechte nicht für einen Abbau von Naturschutzstandards nutzen. Diese Aussage ist für mich so glaubwürdig wie die Beteuerungen der SPD vor der letzten Bundestagswahl, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Dem Abwärtstrend könnten sich auch wirklich nachhaltig wirtschaftende Länder nicht widersetzen. Wir müssen es fast täglich in diesem Hause erleben oder besser erleiden, dass fast alles den Interessen der Wirtschaft untergeordnet wird. Dass dies ausgerechnet vor dem Naturschutz halten machen soll, lasse ich mir von der großen Koalition und Ihren Kollegen aus den Ländern nicht Weißmachen. Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet im Naturschutz weit reichende Abweichungsmöglichkeiten geschaffen werden sollen. Dies zeigt sich daran, dass gerade die Beteiligung der Verbände auf die Länder übergehen soll. Wer auch nur ein wenig die Debatten - um nicht zu sagen Kampagnen, Stichwort Feldhamster - kennt, weiß doch, woher der Wind weht. Der Trend in Deutschland ist klar: Abbau von Naturschutz und den Umweltverbänden das Leben so schwer wie möglich machen. Das musste ich am Mittwoch selbst erleben, als über die Planungsbeschleunigungsgesetze beraten wurde. Als ein Verbandsvertreter äußerte, dass die Ressourcen der Umweltverbände begrenzt sind, brachen die anwesenden Kollegen der FDP in höhnisches Gelächter aus. So honorieren Sie also bürgerschaftliches Engagement. Zum Schluss möchte ich Ihnen ein Zitat von Spiegel-Online vorlesen: Unter der Überschrift Costa Rica schlägt Deutschland wird nicht über Fußball, sondern über ein internationales Umweltranking berichtet. Darin heißt es: Deutschland liegt auf Rang 22. Grund für das unerwartet schlechte Abschneiden ist die geringe Bewertung von Artenvielfalt und Habitaten. Die Forscher kritisieren vor allem die intensive Zersiedelung des Landes, die kaum noch Raum für Ökosysteme zulässt. Dem gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen. Deshalb schließe ich mit einer Warnung: Wenn Sie so weiter machen, wenn Sie die Föderalismusreform so umsetzen wie geplant, dann liegt Deutschland bald auf dem letzten Platz! Absteigen können wir allerdings nicht, denn Naturschutz ist kein Spiel. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit