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NATO und EU nisten sich dauerhaft im Mittelmeer ein

Rede von Alexander S. Neu,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag auf Beteiligung deutscher Streitkräfte an der NATO-Mission Sea Guardian soll heute verabschiedet werden. Lassen Sie mich dazu ein paar Anmerkungen machen.

Erste Anmerkung. Deutschland rutscht immer schneller in militärische Abenteuer hinein als wieder heraus, bzw. man möchte gar nicht mehr aus diesen militärischen Abenteuern herauskommen. Sea Guardian und die Vorgängermission Operation Active Endeavour sind Musterbeispiele für einen Auslandseinsatz, der nicht enden soll.

Der Antrag der Bundesregierung bezeugt das ja selbst. Ich zitiere:

"Die Maritime Sicherheitsoperation SEA GUARDIAN ... ist die Nachfolgemission der Operation ACTIVE ENDEAVOUR."

Zweite Anmerkung. Worin besteht der Unterschied zwischen der beendeten Operation Active Endeavour und der anstehenden Operation Sea Guardian? Im Wesentlichen besteht der Unterschied darin, dass die Beistandsklausel – Artikel 5 der NATO-Satzung – nicht mehr fixiert wurde. Dass das von Anfang an nicht zulässig war, erklärt die Linke der Bundesregierung schon seit über zehn Jahren.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn die Inanspruchnahme des Selbstverteidigungsrechts ist räumlich und zeitlich nur begrenzt möglich. Im Falle des Terroranschlages von 2001 in New York war die Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht überhaupt nicht zulässig; denn das war kein militärischer Angriff, sondern ein Terroranschlag. Somit gab es schon seinerzeit keine Rechtsgrundlage für die Ausrufung des Bündnisfalls nach Artikel 5. Aber die Bundesregierung kapiert es bis heute und fortgesetzt nicht; das zeigt auch das Mandat für den Anti-IS-Kampf, in dem mit verschiedenen Hilfskonstrukten gearbeitet wird, unter anderem mit Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags.

Sea Guardian begründet sich nun unabhängig von der Selbstverteidigungsnorm und vom Bündnisfall. Sea ­Guardian legt gewissermaßen einen universellen Begründungsansatz zugrunde. Um das einmal kurz darzustellen: Solange Instabilität, solange Terrorismus, ob echt oder vorgetäuscht, bestehen, so lange werden wir mit Sea Guardian im Mittelmeer bleiben.

Dritte Anmerkung. Der von Ihnen seinerzeit so stolz verkündete Kampf um die Aufhebung der Beistandsklausel führt zwar dazu, dass sie im neuen Mandat nicht mehr enthalten ist, aber sie existiert weiter. Sie steht nach wie vor im Raum; denn sie ist nicht aufgehoben. Sie ist lediglich in eine Art Tiefschlaf versetzt worden und kann jederzeit wieder reaktiviert werden.

Vierte Anmerkung. Wer den Terrorismus und die Flüchtlingsherausforderung als Begründung für Sea ­Guardian und andere Einsätze militärischer Art heranzieht, ohne auch nur ein Wort über die Mitschuld des Westens an der Entstehung von Terrorismus, an der Entstehung von Flucht zu benennen, ist schäbig.

(Beifall bei der LINKEN)

Die fünf Friedensforschungsinstitute verweisen im Jahresbericht 2016 genau auf diesen Zusammenhang, Stichwort „Regimechange“. Diese Praktiken kommen bekanntlich aus dem Westen.

Fünfte Anmerkung. Das Ziel der NATO ist ganz offensichtlich eine expansive Raumkontrolle, das heißt, das Mittelmeer auf ein NATO-Meer, auf ein EU-Meer zu reduzieren. Das Mittelmeer ist das typische Beispiel einer imperialen Politik der NATO und der EU. Wo sich NATO und EU festsetzen, wo sie okkupieren und kontrollieren, bleiben sie dauerhaft. Der Ausbau der Raumkontrolle durch die NATO und die EU im Mittelmeer ist über einen langen Zeitraum beobachtbar.

Es handelt sich jetzt im Mittelmeer um vier Militärmissionen: Operation Active Endeavour seit 2003 bis Mitte 2016, UNIFIL seit 2006 – Ende nicht absehbar –, EUNAVFOR MED seit 2015 – Ende nicht absehbar –, Ägäis-Einsatz ohne Bundestagsmandat seit Anfang 2016 – auch da ist das Ende nicht absehbar. Nun kommt künftig Sea Guardian, der ganz große Wurf.

Sea Guardian umfasst nichts anderes als die komplette Kontrolle über das gesamte Mittelmeer plus die Kontrolle der Zugänge zum Mittelmeer sowie des zugehörigen Luftraums und, das Einverständnis der Anrainerstaaten vorausgesetzt, deren Territorialgewässer. Ich bin sehr optimistisch, dass Sie bei den anderen nordafrikanischen Staaten so handeln werden wie bei Libyen, das heißt auch auf nordafrikanische Staaten entsprechend Druck ausüben werden, damit sie ihre Territorialgewässer öffnen werden. Die Linke lehnt diesen Antrag ab.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)