Rede zum Bericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung zum Indikatorenbericht 2010 des Statistischen Bundesamtes und Erwartungen an den Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung– Drucksache 17/3788 –
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nachhaltigkeit scheint mir ein Modewort zu sein. Wenn ich mir nur die Mails dieser Woche anschaue, dann stelle ich fest: Da ist von nachhaltig zertifizierter Biomasse ebenso die Rede wie von nachhaltigen Geldanlagen. In meinem Fachbereich, der Energie- und Klimapolitik, ist die Forderung nach Nachhaltigkeit schon lange in den Präambeln aller Dokumente verankert, egal aus welchem politischen Lager sie stammen. An sich könnte dies ein Grund zur Freude sein. Doch manchmal scheint mir der Verweis auf Nachhaltigkeit eher eine Art verkaufsförderndes Argument zu sein. Nicht überall, wo Nachhaltigkeit draufsteht, ist auch Nachhaltigkeit drin. Das gilt nicht zuletzt für die Politik der Bundesregierung.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auf einige grundlegende Widersprüche aufmerksam zu machen, die mich als Umweltpolitikerin bewegen. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung, dessen Indikatorenbericht wir heute diskutieren, hat einen sehr unterstützenswerten Satz an den Anfang seines Berichts gestellt: Damit eine Gesellschaft sich nachhaltig entwickeln kann, muss dieses Leitbild in sämtliche Bereiche
des Lebens integriert werden. Es braucht eine Kultur der Nachhaltigkeit, die helfen soll, die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu schließen. Wie aber sieht es in unserer politischen Realität mit dieser Kluft zwischen Wissen und Handeln aus?
Wir stehen am Ende des Zeitalters, in dem wir Energie durch Verbrennen fossiler Stoffe gewonnen haben. Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile durchgesetzt und ist nicht mehr zu verdrängen. Die Aufgabe der Politik muss also darin bestehen, konsequent die notwendigen Schritte – und zwar schnelle Schritte – in Richtung Energiewende zu gehen. Das gebietet nicht nur der Klimaschutz, sondern auch die Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen.
Sie erinnern sich sicherlich an die Debatten, die wir hier in diesem Haus zum Energiekonzept der Bundesregierung geführt haben. Das Energiekonzept war diktiert von Profitinteressen der großen Energiekonzerne und dekoriert mit irreführenden Floskeln wie jene von der Atomenergie als Brückentechnologie. Dieses Gesetz bremst den Ausbau der erneuerbaren Energien, anstatt ihn zu befördern. Wir erleben, dass es so weitergeht. Gerade heute – der Kollege Kauch hat das angesprochen – hat die Bundesregierung verkündet, dass sie die Mittel zur Solarförderung im Rahmen eines Europaanpassungsgesetzes“ kürzen will. Das ist wieder ein Schritt, der nicht in Richtung Nachhaltigkeit geht. Mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wird uns mit Gewissheit ein nächster Rollback-Versuch beschert. In der Präambel wird garantiert wieder stehen, alles geschehe zum Nutzen der Nachhaltigkeit.
Machen wir doch endlich Schluss mit dieser Augenwischerei. Wo Profitinteressen von Konzernen die Politik bestimmen, bleiben ökologische und soziale Notwendigkeiten zwangsläufig auf der Strecke.
Die kleine Schicht der ökonomisch Herrschenden dieser Erde ist weder gewillt noch in der Lage, die Interessen der gesamten Menschheit zu vertreten. Das zeigt sich tagtäglich aufs Neue. Nachhaltigkeit in der gesellschaftlichen Entwicklung zu garantieren, heißt, die „Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben zu ermöglichen“. Das ist übrigens kein Zitat von Karl Marx, sondern stammt aus dem Bericht, über den wir heute diskutieren. Mit anderen Worten: Demokratie und nicht Lobbyismus ist die Grundlage für nachhaltige Politik. Mein Optimismus, dass das mit einer schwarz-gelben Bundesregierung in die Tat umzusetzen ist, ist allerdings nicht besonders ausgeprägt.
Ich danke.