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Mühsames Geschäft - Bundestag beschließt erstes Gesundheitsgesetz der neuen Legislatur

Rede von Frank Spieth,

Das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) wird gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Eine Flickschusterei von der v. a. die Pharmaindustrie profitiert, so DIE LINKE, die als nachhaltiges Konzept die Einführung der Positivliste fordert.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her¬ren! Frau Widmann-Mauz benutzte einen Vergleich mit Hähnen. Sie sprach davon, dass einige Hähne meinten, um sie würde die Sonne kreisen. Ich will einen anderen Bezug herstellen. Es gibt einen alten Spruch, der da lau¬tet: Kräht der Hahn morgens auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist. - Ein wenig kommt mir das auch bei diesem Gesetzentwurf so vor, um das einmal klar und deutlich zu sagen. (Beifall bei der LINKEN) Das Gesetzgebungsverfahren zum AVWG lässt aus meiner Sicht schlimme Ahnungen in Bezug auf die wei¬teren gesundheitspolitischen Projekte der großen Koali¬tion aufkommen. Das Ministerium macht einen Entwurf, der, weil er nicht passt, von der CDU/CSU einkassiert und anschließend verschlimmbessert als neuer Entwurf präsentiert wird. Alle Akteure kritisieren die Unzuläng¬lichkeit dieses dann gemeinsamen Entwurfes und weisen auf die handwerklichen Fehler hin. Es gibt massenhaft Proteste. Daraufhin - immerhin - erfolgen vor der ab¬schließenden Beratung noch schnell Korrekturen. Im Ausschuss werden diese Änderungsanträge - allerdings ohne dass man wirklich Zeit hätte, die Argumente aus¬reichend zu bewerten - (Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Zwei Monate lang!) durchgepeitscht, sodass dem Bundestag heute der Ge¬setzentwurf zur Beschlussfassung vorgelegt werden kann. Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz wird nach meiner Überzeugung bei den Arzneimittelausgaben nur ein begrenzter Effekt erreicht und im Kern schon wieder die nächste Reform mit verankert. Das ist die Realität. Hoffentlich wird dieses Verfahren nicht zur Blaupause für die Gesundheitspolitik in der laufenden Legislaturperiode. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord¬neten der FDP) Die Probleme bei der Preisgestaltung werden nach unserer Überzeugung eben nicht grundsätzlich ange¬packt, geschweige denn gelöst. Die Kostenentwicklung wird lediglich kurzfristig und sehr gering gebremst. Die Einsparungen werden am Ende durch die Mehrwertsteu¬ererhöhung im Wesentlichen wieder aufgefressen. Dies hat die Anhörung ganz deutlich erbracht. Ich bin über¬zeugt, dass hier die Pharmalobby in doppelter Weise her¬vorragende Arbeit geleistet hat. (Beifall bei der LINKEN) Es ist zwar nachvollziehbar, das Konzept für die Ta¬gestherapiekosten zu modifizieren. Dennoch muss un¬sere Bewertung an dieser Stelle negativ ausfallen. Die Bonus-Malus-Regelung ist weiterhin vorhanden. Sie belohnt im Zweifelsfall die Unterversorgung (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist wis¬sentlich falsch!) und belastet aufgrund des entstehenden Misstrauens - das sagen eben nicht nur Ärzte, sondern auch die chronisch Kranken, die Selbsthilfeorganisationen und die Sozial¬verbände - das Arzt-Patienten-Verhältnis. (Beifall bei der LINKEN - Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben den Gesetzentwurf nicht genau gelesen! Das ist enttäuschend!) - Wir haben den Gesetzentwurf sehr genau gelesen und ausführlich darüber diskutiert. (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Dann haben Sie ihn nicht verstanden!) Wir meinen, dass es zu dem, was auf den Weg ge¬bracht wird, eigentlich nur eine wirksame Alternative gibt, nämlich die seit Jahren zunächst immer wieder ge¬schredderte und danach von allen Beteiligten geforderte Positivliste. (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das soll ein Beitrag zur Therapiefreiheit sein?) Denn die Positivliste, Frau Widmann-Mauz, führt zu mehr Durchblick bei den Ärzten und auch bei den Pa¬tienten hinsichtlich ihrer Behandlung. Die Kassen wer¬den die Preisgestaltungsmöglichkeiten und die Kosten¬entwicklung nachvollziehen können. Auch die Hersteller wissen genauer, auf was sie sich einlassen werden. Die Einführung der Positivliste wird am Ende also zu einer deutlich besseren Versorgung führen. Wir werden mit einer Positivliste eine gute Arznei¬mitteltherapie sicherstellen. Die Auswahl zwischen zig¬tausenden Präparaten ist nicht mehr erforderlich. Ich sage auch: Durch eine Positivliste werden die Naturheil¬mittel ebenfalls erfasst. Diese Liste könnte durch das IQWiG erstellt und ständig aktualisiert werden. (Beifall bei der LINKEN) Ich wundere mich nicht darüber, dass Sie von der CDU/CSU an dieser Stelle heftig intervenieren. Denn meine letzten Aussagen sind auch in Veröffentlichungen des Bundesgesundheitsministeriums zum Thema Posi¬tivliste von vor wenigen Jahren zu finden. Wir schließen uns dieser Position grundsätzlich an. (Beifall bei der LINKEN) Wir weisen darauf hin, dass wir neben der Einführung der Positivliste auch endlich die Halbierung des Mehr¬wertsteuersatzes für Pharmaprodukte brauchen. Es ist doch überhaupt nicht nachvollziehbar - ich bin kein Tierfeind -, dass in unserem Land für Hundefutter nur der halbe Mehrwertsteuersatz erhoben wird, während man für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach wie vor den vollen Mehrwertsteuersatz verlangt. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen eine Politik, die zum sozialen Aus¬gleich zurückkehrt. Wir wollen eine Krankenversiche¬rung, in der alle Bürgerinnen und Bürger - unabhängig von ihrem Einkommen - einen Anspruch auf eine quali¬fizierte medizinische Versorgung haben. Wir meinen, dass eine Krankheit nicht zum humanitären und finan¬ziellen Risiko werden darf. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN)