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Mobilfunkstrahlung minimieren - Vorsorge stärken

Rede von Lutz Heilmann,

Das Handy ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Wir wollen es auch nicht mehr wegdenken. Die Mobilfunkindustrie schafft Arbeitsplätze, die Möglichkeiten, die ein Handy bereitstellt, gleichen einem Computer, und das Handy an sich kann in Notsituationen, schnell griffbereit, Leben retten!
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Einerseits werden vermehrt Meldungen laut, dass der Mobilfunk schädlich für menschliche, aber auch für tierische und pflanzliche Organismen ist. Es muss doch was dran sein, dass nicht umsonst nach einer Schätzung des Bundesamtes für Strahlenschutz derzeit rund 25 000 Menschen regelrecht auf der Flucht vor Mobilfunksendern sind. Sie schlafen - zumindest zeitweise - in Kellern, in Wohnwagen, im Wald oder in einer abgelegenen Zweitwohnung.
Anderereits schlägt das Deutsche Mobilfunkforschungsprogramm sämtliche Warnungen in den Wind und behauptet, dass keine Gefahr für die Bevölkerung bestehe. Die derzeit bestehenden Grenzwerte seien ausreichend. Akute oder chronische Wirkungen gehen von Handys und anderen strahlenden Geräten nicht aus.
Meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie verweisen auf das Deutsche Mobilfunkforschungsprogramm. Mit dessen Ergebnis wollen Sie den Bürgerinnen und Bürgern - ich zitiere - „Ängste nehmen“? Nur, wie wollen Sie das erreichen? Indem Sie die Bevölkerung unterschätzen und für dumm verkaufen?
So fällt doch auf den ersten Blick auf, dass jedenfalls „akut“ Organismen nicht bedroht sein können. Schauen Sie sich um, wir müssten ansonsten hier alle der Reihe nach im Saal umfallen, denn auch hier sind wir der Strahlung ausgesetzt. Schauen Sie zur Kontrolle ruhig auf Ihr Handy!
Und dass vom Mobilfunk keine chronischen Wirkungen ausgehen, ist zu hinterfragen. Sie brauchen kein Fachmann zu sein, um zu wissen, dass das Wort „chronisch“ aus dem Griechischen chrónos, „die Zeit“, übersetzt wird und langsam sich entwickelnde oder lang andauernde Erkrankungen bedeutet. Und jetzt lesen Sie bitte die gesamte Deutsche Mobilfunkstudie. Dort steht geschrieben, dass neben den Auswirkungen auf Kinder, Schwangere und ältere Menschen auch Langzeitwirkungen nicht untersucht wurden!
Und Sie wollen ernsthaft behaupten, dass vom Mobilfunk keine chronischen Erkrankungen ausgehen?! Nicht wir schüren Ängste. Die Unsicherheit, dass eben nichts erforscht und geklärt ist, schürt die Ängste der Bürgerinnen und Bürger.
Wir wollen Licht ins Dunkel bringen, den Schatten erhellen. Dazu benötigen wir aber weitere Forschungen mit transparenten Finanzierungen, die Absenkung der Grenzwerte unter dem Vorsorgegedanken und Grenzwerte mit der Berücksichtigung der Pulsung, der biochemischen Einflüsse und der zeitlichen Belastung. Denn wir müssen dem Vorsorgegedanken Rechnung tragen. Wir, nicht irgendjemand, wir als Gesetzgeber stehen in der Pflicht zu reagieren!
Neben unserem parlamentarischen Auftrag, zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger zu handeln, ergibt sich auch die Pflicht aus dem internationalen und dem nationalen Recht. So wird in Art. 174 II EG-Vertrag normiert, dass die Umweltpolitik der Gemeinschaft zur Verfolgung unter anderem des Zieles des Schutzes der menschlichen Gesundheit beitragen und dabei auf ein hohes Schutzniveau abzielen muss. Dabei ist auf die Grundsätze der Vorsorge und Vorbeugung zu achten. Auch im nationalen Recht, insbesondere im Grundgesetz, gibt es mehrere Artikel, die dem Schutz der menschlichen Gesundheit und dem Vorsorgegedanken Rechnung tragen. So möchte ich nur Art. 2 II, Art. 14 I und Art. 20 a nennen, die Sie alle kennen und die ich deswegen nicht in epischer Breite ausführen möchte. In der Aufzählung ist auch der etwas fernliegende Art. 13 I GG zu nennen. So umfasst das Recht auf Achtung der Wohnung auch das Recht, sie auch unbeeinträchtigt von unsichtbaren oder nicht körperlichen Verletzungen wie Lärm, Immissionen, Gerüchen oder ähnlichen Einwirkungen zu nutzen. Dieser Auslegung schließt sich im Übrigen auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit seiner Entscheidung vom 3. Juli 2007 zum Thema „Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkanlagen“ an.
Es muss das Mögliche und Gebotene getan werden, um schon vorbeugend die Gesundheit zu schützen. In der derzeitigen Fassung der 26. BImSchV ist dies jedenfalls nicht verankert. So vermissen neben mir auch die deutschen Strahlenschutzbehörden eine - ich zitiere - „ausreichende Rechtsgrundlage für die derzeit unkontrollierte Strahlenexposition der Bevölkerung“ und halten darüber hinaus Vorsorgemaßnahmen für „unabweisbar“.
Daher wiederhole ich gerne noch einmal unsere wichtigsten Forderungen: die Grenzwertabsenkung unter dem Gedanken der Vorsorge; die Grenzwertabsenkung unter Berücksichtigung der Pulsung, der biochemischen Einflüsse und der zeitlichen Belastung; die Fortführung der unabhängigen Forschung mithilfe transparenter Finanzierung; Schutzzonen für Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten und Altenheime zu schaffen und die Kennzeichnung der Strahlungsintensität auf den Geräten und den Verpackungen einzuführen.