Rede von Heidrun Bluhm zum Antrag der Fraktion DIE LINKE im Bundestag mit dem Titel „Städtebauförderung auf hohem Niveau verstetigen, Forderungen der Bauministerkonferenz umsetzen“ sowie ein weiterer Antrag zum Thema von SPD und Grünen.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Ramsauer, mit Ihrer Rede haben Sie Ihre einzige Qualifikation gezeigt, nämlich Streichorgien als Erfolgsgeschichte zu verkaufen. Das nimmt Ihnen aber niemand mehr ab.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn man die Debatten der letzten Monate und auch die heutige Debatte Revue passieren lässt, dann scheint es so zu sein, dass in diesem Hause eine große Übereinstimmung herrscht, was die Bewertung der Städtebauförderung betrifft. "Eine einzigartige Erfolgsgeschichte", so auch Herr Ramsauer heute, hört man allenthalben, und niemand widerspricht. Politiker aller Parteien übertreffen sich geradezu in ihren lobenden Wertungen der Städtebauförderung insgesamt und ihrer Einzelprogramme.
Es ist in der Tat beeindruckend, welche wirtschaftlichen und sozialen Effekte die Städtebauförderung des Bundes in den vergangenen 40 Jahren in den Städten und Regionen ausgelöst und angestoßen hat. Die einzelnen Programme der Städtebauförderung haben sich als effektive und vor allem als lernende Konzepte bewährt, in denen die Kommunen zielgenau und bedarfsgerecht agieren können.
Was ebenso wichtig ist: Die Programme haben sich darüber hinaus als äußerst wirtschaftsfördernd erwiesen. Nun trauen Sie mir das vielleicht nicht zu, aber ich möchte gerade auf diesen Aspekt etwas genauer eingehen. Wo sonst hat man eine Investitionseffizienz von eins zu sieben, zu acht oder zu elf? Diese Wirkungsquoten werden durch das Bauministerium explizit mit den Zahlen für 2011 bestätigt. Selbst diese Zahlen sind trotz gekürzter Mittel beachtlich. Aus 455 Millionen Euro Bundesmitteln werden durch die Kofinanzierung der Länder 910 Millionen Euro. Daraus entstehen wiederum gesamtwirtschaftliche Effekte durch kommunale Anteile und Privatinvestitionen in einer Größenordnung von 6,6 Milliarden Euro.
Die Beschäftigungswirkung in Höhe von 152 000 Erwerbstätigen im Jahr zusätzlich, die Bruttowertschöpfung in Höhe von rund 7,9 Milliarden Euro, die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1,6 Milliarden Euro und Steuereinnahmen von rund 1,4 Milliarden Euro - davon 658 Millionen Euro für den Bund, 603 Millionen Euro für die Länder und 117 Millionen Euro für die Kommunen -: Das kann doch eigentlich auch ein Finanzminister zusammenzählen.
Hier muss sich jedem die Frage aufdrängen: Warum um alles in der Welt will die Bundesregierung auf diese volkswirtschaftlichen Effekte verzichten? Warum schmälert sie seit Jahren die finanzielle Basis für Wirtschaft und Sozialsysteme? Denn im Umkehrschluss bedeutet diese Rechnung doch, dass die Kürzung der Mittel für die Städtebauförderung zu einem vielfachen Einnahmeverlust an Steuern und Sozialbeiträgen führt. Die Kürzungen mit den Zwängen der Haushaltskonsolidierung zu begründen, ist angesichts solcher Zahlen geradezu grotesk. Die Städtebauförderung ist kein Subventionsprojekt; sie ist ein einzigartiges Haushaltskonsolidierungsprogramm.
Von 2009 bis zum Haushaltsplan 2012 hat die Bundesregierung die Mittel für die Städtebauförderung gegen jegliche wirtschaftliche Vernunft Jahr für Jahr zurückgefahren. 570 Millionen Euro waren es noch im Jahre 2009; dieses Jahr sind es 455 Millionen Euro. Für 2012 ist nun doch ein Volumen von 410 Millionen Euro geplant. Das Eckwertepapier, das noch 266 Millionen Euro vorsah, ist offensichtlich überholt.
Besonders gravierend und zugleich bezeichnend für die Denkweise der Bundesregierung ist die massive Kürzung der Mittel für das Programm "Soziale Stadt". Auch wenn Sie jetzt feiern, auf die 28 Millionen Euro für dieses Jahr etwas draufgelegt zu haben, muss man sagen, dass es immer noch nicht das ist, was wir in den Kommunen für dieses Programm brauchen.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Kürzung wird begleitet von einer kompletten Sinnentleerung dieses Programms durch die Vorgabe, Fördermittel nur noch investiv zu verwenden.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! Das ist falsch!)
Es ist schon schizophren, Herr Minister, wenn Sie hier davon sprechen, dass Sie mit dem Programm "Soziale Stadt", bei dem nur noch in Beton investiert wird, integrativ tätig werden. Ich bin nicht sicher, ob das funktionieren kann. Begleitet von einer kompletten Sinnentleerung, ist die Verwendung der Mittel aus unserer Sicht völlig fehlgeleitet.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Neubezeichnung dieses Programms für 2012 "Soziale Stadt - Investitionen im Quartier" bedeutet also ein Festhalten an Ihrer Denkweise. Dabei hat sich gerade dieses Programm als Instrument bei der sozialen Stabilisierung benachteiligter Stadtquartiere bestens bewährt und hat seine Bedeutung keinesfalls verloren. Im Gegenteil: Angesichts der drohenden und vielerorts bereits weit fortgeschrittenen Segregation in deutschen Städten ist genau dieses Programm das am besten geeignete Instrument, um gegenzusteuern.
Nach alldem ist das Unverständnis nur allzu gut nachvollziehbar, das aus den Beschlüssen und der Resolution der Bauministerkonferenz vom 28. Juni dieses Jahres spricht. Einstimmig hat die Konferenz beschlossen und die Bundesregierung aufgefordert, die Zusagen des Koalitionsvertrages aus 2009 einzuhalten, die Städtebauförderung ab 2012 mindestens auf einen Betrag von 535 Millionen Euro anzuheben und auf diesem Niveau zu verstetigen.
Gemessen an den Zielsetzungen der Bundesregierung, Energie einzusparen, den CO2-Ausstoß zu verringern und die Sanierungsquote im Gebäudebereich zu verdoppeln, scheinen selbst die im Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen genannten 700 Millionen Euro jährlich noch gar nicht zu reichen. Sei's drum.
Die Bundesregierung liefert uns dieses Jahr dasselbe Schauspiel wie 2010: Zunächst werden in den ersten Kabinettsrunden zum Haushalt die Mittel für die Städtebauförderung halbiert, dann wird die Halbierung wieder halbiert, und dann wird die Halbierung der Halbierung mit großem medialen Getöse als Aufstockung verkauft.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Glaubt nur keiner!)
Wen wollen Sie hier eigentlich für dumm verkaufen?
Da waren die Bauminister diesmal schlauer, Herr Ramsauer, sie haben ihre Sondersitzung rechtzeitig abgehalten und Ihnen diese Trickserei damit diesmal verdorben.
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist es!)
Die Bauminister haben auf ihrer Konferenz eine zweite Forderung erhoben, nämlich, die vorgesehenen Mittel für das Programm der KfW Bankengruppe zur energetischen Stadtentwicklung in die bewährte Systematik der gemeinsamen Städtebauförderung einzugliedern –
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Hört, hört!)
mit den Kostenanteilen von 30 Prozent für den Bund, 30 Prozent für die Länder und den Rest für die Kommunen. Das, was Sie mit der KfW-Förderung machen, ist hingegen eine reine Kreditfinanzierung. Ich will Ihnen sagen: Viele Kommunen bekommen überhaupt keine Kredite mehr.
(Petra Müller [Aachen] [FDP]: Von der KfW schon!)
Ihre Innenminister sagen, Kreditgenehmigungen sind nicht mehr drin. Selbst wenn die Kommunen noch Kredite aufnehmen könnten, wäre diese Variante in jedem Fall die teurere, weil sie den Kredit nicht nur zurückzahlen müssten, sondern ihn auch verzinsen müssten, wenn auch günstig.
Schließlich fordern die Bauminister, die Länder sowie die Städte und Gemeinden zukünftig intensiver in die Planungen der Bundesfinanzhilfen einzubeziehen. Auch diese Forderung unterstützen wir.
Alles in allem sind wir der Auffassung, dass die Bauminister der Länder mit ihren Forderungen und damit mit ihrer Resolution nicht überzogen haben. Wir unterstützen das Anliegen, das die Sonderkonferenz mit der Resolution vorgetragen hat. Deshalb haben wir diese Forderungen und die Resolution zu einem Antrag zusammengefasst, der hier vorgelegt worden ist, und hoffen auf Ihre Einsicht und auf Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)