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Mit Kinderarmut kann Zukunft nicht gelingen

Rede von Roland Claus,

Rede von Haushaltsausschussmitglied Roland Claus in der Debatte zum Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 18. September 2008

Roland Claus (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir reden hier über das Geld des Bundes für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, über einen Etat, der uns von der Wiege bis zur Bahre begleitet, also gewissermaßen über einen Allgenerationenetat. Dafür sind im Bundeshaushalt 6 Milliarden Euro eingestellt; das entspricht 2 Prozent des Gesamtetats. Zum Vergleich: Der Militäretat ist fünf Mal größer. Von 100 Euro Steuergeld zahlen wir 2 Euro für Familien, Rentner, Kinder und Jugendliche, aber 10 Euro für Militärausgaben. - Selbstverständlich ist auch uns klar, dass nicht alles, worum es hier geht, vom Bund zu finanzieren ist. Wir sind aber der Auffassung, dass Zukunft so nicht gelingen kann, weil die Zustände in Deutschland nicht so sind, wie Sie sie beschrieben haben, Frau Ministerin.

(Beifall bei der LINKEN)

Kinder zu haben ist ein Armutsrisiko. Wir wollen, dass sich das ändert.

Wir reden vor allem von einer besseren Kinderbetreuung als soziale und bildungspolitische Herausforderung. Frau Ministerin, Sie haben hier gewiss eine Diskussion angestoßen, und das geht auch in Ordnung. Die realen Ergebnisse aber sind nicht besonders. Frau Ministerin, gemessen am Familienbild der CSU sind Sie wahrscheinlich eine Revolutionärin. Gemessen an zukunftsorientierter Familienpolitik in Sachen Kinderbetreuung sind Sie aber in hohem Maße versetzungsgefährdet.

(Beifall bei der LINKEN - Johannes Singhammer (CDU/CSU): Was sind dann Sie?)

Wir müssen auch über eine dringend notwendige Nachholentwicklung im Westen reden. Es gibt eine nicht hinzunehmende Spaltung: Wir haben im Westen die Arbeitsplätze, aber keine Kitas, und wir haben im Osten die Kitas und keine Arbeit. Wir wollen, dass sich das ändert und nicht so bleibt. Dafür müssten Sie aber etwas anderes tun, als Sie mit diesem Etat jetzt vorhaben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir Zukunft gestalten wollen, dann brauchen wir eine neue Verbindung von Lernen, Erwerbsarbeit und sozialer Sicherung, und das von Kindheit an. Ich erlebe auch bei Unternehmensbesuchen immer mehr, dass sich die Geschäftsführungen mangels kommunaler Angebote inzwischen wieder selbst helfen und Betriebskindergärten einrichten. So gesehen werden die heute als weiche Standortfaktoren beschriebenen Kitas, Kinderbetreuungseinrichtungen irgendwann die harten Standortfaktoren sein.

Natürlich müssen wir auch über Kinderarmut in einem reichen Land reden. Die Tendenz ist leider steigend. Das ist das Ergebnis Ihrer Arbeitsmarkt- und Niedriglohnpolitik. Ich finde es sehr charmant, wenn die Rednerinnen und Redner der SPD hier den gesetzlichen Mindestlohn einfordern. Ich muss Sie daran erinnern: Es gibt in diesem Bundestag eine parlamentarische Mehrheit für den Mindestlohn. Fassen Sie sich ein Herz, und bringen Sie das ein!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben zu konstatieren, dass 1965 nur jedes 75. Kind Sozialhilfe erhielt, während es 2007 jedes sechste Kind war, im Osten sogar jedes Vierte. Armut, die sich in den Gesichtern von Kindern widerspiegelt, muss uns doch zu Veränderungen in unserer Politik veranlassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch ein paar Worte zu den Programmen im Kampf gegen den Rechtsextremismus sagen. Vor zwei Jahren haben wir intensiv darüber gestritten, als diese zunächst abgewickelt werden sollten. Sie haben Ihre Position dann korrigiert, und die Programme werden fortgesetzt.

(Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Das steht so im Koalitionsvertrag!)

Allerdings hat sich die Ministerialverwaltung nach dieser Entscheidung gerächt und den Zugang für Projektträger erheblich erschwert. In einer Situation, in der in diesem Lande der Rechtsextremismus als gesellschaftliche Bedrohung nicht etwa zurückgeht, sondern anwächst, brauchen wir diese Initiativen, Vereine und Projektträger. Wir sollten ihnen auch von dieser Stelle aus herzlich für die Arbeit danken, die sie leisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Rechtsextremisten versuchen inzwischen, immer jüngere Menschen zu erreichen. Ein Mangel an historischer Bildung und soziale Notlagen wirken bei ihrem Agieren begünstigend.

Die Fraktion Die Linke wird auch in diesem Jahr eine ganze Reihe von Forderungen zur Veränderung des Etats einbringen. Das gilt gerade für den Bereich Familien und Jugendliche. Diese Forderungen sind uns teuer. Deren Umsetzung kostet nicht etwa 150 Milliarden Euro, wie hier immer gesagt wird. Im vergangenen Jahr haben wir Mehrausgaben in Höhe von 28 Millionen Euro vorgeschlagen, die gedeckt waren. Davon entfiel etwa die Hälfte auf diesen Bereich. Wir wollen uns auch weiterhin an dem Grundsatz orientieren: Den Kindern soll es einmal besser gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, insgesamt muss ich feststellen: Ihr Etat für das Jahr 2009 zeigt die gleichen Merkmale wie der Etat des Bundes insgesamt. Sie verzichten auf eine notwendige politische Gestaltung. Er ist der kleinste gemeinsame Nenner der Großen Koalition. So geht Zukunft nicht, aber es geht immer auch anders. Deshalb bietet die Fraktion Die Linke hier auch zahlreiche Alternativen an.

(Beifall bei der LINKEN)