Die Fraktion Die Linke stellt heute den Antrag „Mit guter Arbeit aus der Krise“ zur Abstimmung, weil wir in der Tat der Meinung sind, dass sich unser Land nur durch Arbeit aus der Krise, in der es sich jetzt befindet, wird befreien können, und zwar durch gute Arbeit. „Gute Arbeit“ bedeutet nicht Niedriglohnarbeit, wie sie heute von 6,5 Millionen Beschäftigten geleistet werden muss, für 3,06 Euro in der Friseurbranche oder für 4,50 Euro in der Fleischbranche. „Gute Arbeit“ heißt auch nicht: Leiharbeit, Teilzeitarbeit, Minijobs, sogenannte Solo-Selbstständigkeit. Das sind die uns allen bekannten prekären Beschäftigungsformen, deren Zahl immer mehr zunimmt.
Wir wissen auch genau, wozu sie geführt haben. Eine ganz aktuelle Erhebung des Thüringer Landesamtes für Statistik weist aus: In einem Drittel aller Thüringer Haushalte hat der Hauptverdiener der Hauptverdiener! am Monatsende weniger als 1 300 Euro netto für die Familie, inklusive BAföG und Kindergeld. Hochqualifizierte Künstler und Kreative mit einem 14-Stunden-Arbeitstag haben am Ende des Jahres durchschnittlich ein Einkommen von 11 000 Euro, das nichts übrig lässt für Krankheits- und Altersvorsorge. So darf es doch nicht weitergehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Entwicklung, immer tiefer hinein in einen Teufelskreis aus Armut und Ängsten in der Bevölkerung, muss jetzt endlich aufgehalten werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Daher fordern wir eine Rückkehr zu guter Arbeit, die es schließlich einmal gab in unserem Land und die das Land insgesamt auch wohlhabend gemacht und befriedet hat. Das ist ja nichts Unbekanntes für uns. Wir hatten dieses Gut „gute Arbeit“ in unserer Gesellschaft.
Aber was geschieht jetzt mitten in dieser schwersten wirtschaftlichen Krise? Wird den Menschen herausgeholfen aus dem Teufelskreis? Nein, und nochmals Nein! Ein Sparpaket wird geschnürt, das nur die Sozialschwachen heranzieht, die Arbeitslosen, die Alleinerziehenden. Für meine Fraktion sage ich hier: Das ist gewissermaßen eine Kampfansage an die Menschen, die am wenigsten zum Leben haben. Diese Kampfansage werden wir annehmen. Damit lassen wir Sie nicht durchkommen! Auf gar keinen Fall!
(Beifall bei der LINKEN)
Auch die Betroffenen werden das nicht einfach hinnehmen. Es gibt so viele Menschen, die diese soziale Schieflage des Sparpakets als absolut ungerecht empfinden: Gewerkschaften, Kirchen, Sozialverbände formulieren diese Ablehnung bereits massiv. Das Volk hält vom Sparpaket nichts. Weil sich auch immer mehr Menschen aus der sogenannten bürgerlichen Mitte der Gesellschaft da könnten die Kollegen von der FDP einmal zuhören Sorgen um das Ganze machen, irren Sie nämlich doppelt, wenn Sie glauben, Sie werden à la longue damit durchkommen.
Das Bürgertum hat über Generationen ein paar Grundsätze bewahrt. Dazu gehören das Streben nach Ausgleich in der Gesellschaft, nach Hebung des allgemeinen Wohlstands und, wie Heribert Prantl unlängst in der Süddeutschen schrieb, das Verursacherprinzip, also der Gedanke, dass die Suppe auszulöffeln hat, wer sie eingebrockt hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie aber, meine Damen und Herren von der Regierung, handeln längst nach einem anderen Prinzip, das nämlich diejenigen die Suppe auszulöffeln haben, denen sie eingebrockt worden ist. Das wird nicht hingenommen, auch vom Bürgertum nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Ihre eigenen Ministerpräsidenten melden sich kritisch zu Wort. So hat zum Beispiel die thüringische Ministerpräsidentin Lieberknecht die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger mit den Worten abgelehnt: „Das Schicksal der meisten Hartz-IV-Empfänger ist schon schwer genug“. Die Regierung „sollte nicht auch noch den Eindruck erwecken, sie seien nicht in der Lage, ihre Kinder selbst zu erziehen“, indem sie sage, das eingesparte Elterngeld werde für Bildungsangebote ausgegeben. Worte einer CDU-Ministerpräsidentin. Man kann Frau Merkel nur raten: Bitte hören Sie doch darauf, wenn Sie schon nicht auf die Linke hören wollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Heute ist der 17. Juni. Ich bin alt genug, mich an die Ereignisse zu erinnern, und es ist gut, dass wir ihrer gedenken. Gesine Schwan hat heute Morgen hier im Parlament eine bemerkenswerte Gedenkrede gehalten und den Appell an uns gerichtet, Lehren aus der Geschichte zu ziehen wohl wahr! Eine der Lehren der Geschichte ist, dass sich die Arroganz der Mächtigen, selbst der Regierenden, böse rächen kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Als Mahnung darf ich Ihnen einige Zeilen von Bertolt Brecht zitieren:
Nach dem Aufstand des 17. Juni
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbandes
In der Stalinallee Flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das Volk
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte Arbeit
Zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf
Und wählte ein anderes?
Bertolt Brecht, 1953.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gibt einen untrüglichen Indikator dafür, wie eine Gesellschaft verfasst ist: Das ist die Art und Weise, wie sie mit ihren Künstlerlinnen und Künstlern, den kreativen Menschen umgeht. Wer vor Jahren, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, die Konzertgeiger auf unseren Straßen um Almosen spielen sah und hörte, der wusste genug über das Elend in deren Heimat. Und bei uns? Da haben es die Regierungen, nicht nur die jetzige, so weit gebracht, ein beachtliches Kultur- und Kunstprekariat hervorzubringen. Wir werden alle dafür zahlen müssen: die für ein Butterbrot arbeitenden Kreativen als Erste und wir durch einen Kulturverlust, einen Verlust an Lebensqualität. Am Ende aber werden auch die, die dafür die Verantwortung tragen, die Rechnung präsentiert bekommen. Da bin ich ganz sicher.
(Beifall bei der LINKEN)
Wie heißt es, wenn es um die Banken geht? Too big to fail zu groß, um sie untergehen zu lassen oder, wie es begründet wurde, die Banken seien systemimmanent. Das war und ist Ihre Wahrheit in der Krise. Meine Wahrheit, meine Maxime ist eine andere: Ich sehe die Menschen in unserem Land und sage über jeden Einzelnen: zu wertvoll, um auf sie oder auf ihn zu verzichten.
(Beifall bei der LINKEN)
Ihre oder seine Teilhabe - sei es durch Lohnarbeit oder soziales Tun in der Familie, durch kulturelle Beiträge oder politisches Engagement oder einfach nur durch ihr oder sein Dasein in Würde, als stolzer Mitmensch - ist für mich zu wertvoll, als dass wir darauf einfach verzichten könnten.
Wir sind nichts mehr, wenn wir diesen Impuls verlieren. Darum stellen wir heute einen Antrag, der gute Arbeit zum Ziel politischen Handelns macht und damit ein gutes Leben in dieser Gesellschaft ermöglicht, gutes Leben anstelle wachsender Armut einerseits und schwindelerregender Zunahme von Reichtum andererseits. Ich frage: Wer will eigentlich in einem so in Reich und Arm auseinanderklaffenden Land leben? Sie hier doch sicherlich nicht. Davon gehe ich aus.
(Beifall bei der LINKEN)
Dann setzen Sie doch einmal ein kleines Zeichen und stimmen für gute Arbeit, damit gutes Leben wieder ins Land kommt und damit die Menschen sehen: Angesichts der Krise und der Nöte so vieler Menschen im Land geht es uns hier im Bundestag nicht nur um die Ausgrenzung der Linken, um Fraktionsdisziplin und Rituale. Das wäre systemimmanent, und das wäre jetzt angebracht.
Ich danke Ihnen.
(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)