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Mietrecht sozial gerecht weiterentwickeln

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Wohnen gehört in die öffentliche Daseinsvorsorge

 

Niemand darf durch Wohnungsnot stigmatisiert, ausgegrenzt oder ghettoisiert werden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland ist überwiegend ein Mieterland. Von den insgesamt über 40 Millionen Wohnungen hierzulande sind derzeit 24 Millionen Mietwohnungen. Der größte Teil der Bevölkerung – nach meiner Überzeugung wird dieser Anteil weiter wachsen – realisiert sein Wohnbedürfnis nicht als selbstnutzender Eigentümer, sondern als Mieter.

Vermieter und Mieter müssen sich nicht immer mögen. Aber sie sind keine natürlichen Gegner.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das sieht in Ihren Anträgen aber anders aus!)

Sie sind wirtschaftlich und rechtlich aufeinander angewiesen. Deshalb sollten sie auch durch das Gesetz gleichgestellte Vertragspartner sein.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sie machen mit Ihren
Anträgen das Gegenteil!)

Das bestehende Mietrecht war dazu bisher durchaus zweckmäßig. Nun ist es allerdings ein wenig in die Jahre gekommen.

Nicht nur vor der Wohnungswirtschaft, sondern auch vor der Gesellschaft als Gesamtheit stehen die Aufgaben, flächendeckend, das heißt in Ballungsräumen und in schrumpfenden Regionen, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum sozialverträglich sicherzustellen, die notwendige energetische Sanierung des Wohnungsbestandes unverzüglich und konsequent in Angriff zu nehmen und Wohnungsneubau und -bestand auf ein Niveau zu bringen, das den Erfordernissen der demografischen Entwicklung gerecht wird.

Dazu ist eine Weiterentwicklung des Mietrechts erforderlich, die auf der Erkenntnis basiert, dass nicht die Mieter allein diese großen gesellschaftlichen Herausforderungen meistern können, sondern dass, gerade weil es sich um gesellschaftliche Herausforderungen handelt, die Gesellschaft als Ganzes und damit auch Vermieter und Staat stärker in die Verantwortung genommen werden müssen. Die Zeiten, in denen sich Politiker auf die bequeme Position „Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist gut, und den Rest regelt der Markt“ zurückziehen konnten, sind definitiv vorbei.

(Beifall bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Früher wurden die Wohnungen ja immer zugeteilt, nicht wahr? – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Reden Sie mal zu Ihren Anträgen! Das sind doch alles Allgemeinplätze!)


Wir haben deshalb Anträge zur Weiterentwicklung des Mietrechts und zu Mindeststandards bei der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung vorgelegt, mit denen einerseits vermieden werden soll, dass die zunehmenden finanziellen Belastungen einseitig an das Ende der Verbraucherkette verlagert, also eins zu eins an die Mieterinnen und Mieter durchgereicht werden, und mit denen andererseits auch Vermieter und Staat entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft angemessen beteiligt werden können.

Unsere Forderungen, die im vorgelegten Antrag zur Weiterentwicklung des Mietrechts enthalten sind, zielen darauf ab, dass erstens Mieterinnen und Mieter über die Qualifizierung der Mietspiegel die Mietentwicklung in ihrer Region wirklich nachvollziehen können, also auch Bestandsmieten zukünftig in den Mietspiegel einbezogen werden, dass zweitens speziell in nachgefragten Regionen keine Mietsteigerungen ohne entsprechende Wohnwertsteigerung hingenommen werden müssen, dass drittens Wohnen rechtlich gesichert und nicht zu einem Armutsrisiko wird und dass viertens die Lasten aus der notwendigen energetischen Sanierung über die Modernisierungsumlage gerecht und wirtschaftlich angemessen verteilt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu reichen im Übrigen 5 Prozent Umlage, gemessen an den Abschreibungs- und Lebenszyklen der Modernisierungsgüter, vollkommen aus, zumal die Modernisierungskosten nach etwa neun Jahren durch die Mieterinnen und Mieter bezahlt sind. Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Vermieter nach dieser Zeit die Miete in Höhe dieser Modernisierungsumlage gemindert hätte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Antrag zu den Kosten der Unterkunft wollen wir sicherstellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem sozialen Status menschwürdig wohnen können und nicht aus ihren Wohnungen bzw. Quartieren verdrängt werden, nur weil sie Hartz IV beziehen. Bezieherinnen und
Bezieher von Sozialleistungen dürfen nicht wegen zu geringer Transferleistungen zum Umzug gezwungen werden oder schlechtere Wohnbedingungen hinnehmen
müssen. In Report Mainz wurde am vergangenen Dienstag ja darüber berichtet.

Wir wollen verhindern, dass Hartz-IV-Beziehende nur in ganz bestimmten Wohnvierteln wohnen und dadurch vielleicht eine Gettoisierung entsteht. Daher schlagen wir in unserem Antrag unter anderem ein Verfahren vor, das bundesweit Anwendung finden sollte und durch das nicht von Kommune zu Kommune je nach Kassenlage unterschiedliche Regelungen getroffen werden. Weil das Wohnen ein Existenzrecht ist, ist es ein so hohes gesellschaftliches Gut, dass es in die Verantwortung der öffentlichen Daseinsvorsorge gehört

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Natürlich!)

und entsprechend geschützt und geregelt werden muss.

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aber klar doch!)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen auch im Sinne dieses Themas ein besinnliches Weihnachtsfest.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Lang lebe die DDR!)