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Michel Brandt: Konsequenzen aus dem Brand in Moria ziehen - EU-Hotspots auflösen

Rede von Michel Brandt,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Moria haben wir gesehen, wie Ihr europäisches Projekt der Abschottung, Ihr europäischer Konsens der Verachtung in Flammen aufging. Eine Katastrophe mit Ansage, eine Katastrophe als direkte Folge der Politik, die hier betrieben wird. Die Katastrophe hat sich aber nicht erst Dienstagnacht abgespielt. Sie besteht in den Lagern in Griechenland seit mehr als fünf Jahren.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: So ist es!)

13 000 Menschen stehen wieder einmal vor dem Nichts. Geflüchtete sind die dritte Nacht in Folge im Freien und mit den Nerven am Ende. Es fehlt an allem. Helferinnen und Helfer werden von Anwohnerinnen und Anwohnern bedroht und angefeindet. Die Polizei rüstet auf und behindert Hilfsorganisationen an ihrer Arbeit. Das ist also die europäische Solidarität. Unerträglich!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Seit dem EU-Türkei-Deal, seit es diese Hotspots gibt, sitzen Geflüchtete in solchen Lagern fest. Von Anfang an waren die Zustände jenseits der Menschenwürde: stundenlang warten auf Essen, zu wenige Schlafplätze, keine Schutzzonen für Frauen und Kinder, katastrophale hygienische Bedingungen. Abdul Karim, ein 26-jähriger querschnittsgelähmter Syrer, bekam nicht nur keine anständige medizinische Versorgung, sondern er musste dabei zusehen, wie ihm Ratten die Füße anfraßen. Das ist das europäische Projekt Moria. Diese Zustände waren und sind politisch doch genau so gewollt, sonst hätte man sie lange ändern können. Und das ist der Skandal.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber spätestens seit Corona hätte man doch einlenken müssen. Und was haben Sie gemacht? Nichts, wieder nichts. Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis das Virus das Lager erreicht – eine Frage der Zeit. Und wir hatten sechs Monate Zeit, viel länger, als wir geglaubt haben. Und Sie haben sechs Monate lang nichts gemacht, die Menschen nicht rausgeholt und diese Zustände nicht beendet. Schon im März lag von uns ein Antrag vor, doch wenigstens die 5 000 unbegleiteten Minderjährigen aus Moria rauszuholen. Die Allermeisten hier in diesem Haus haben damals dagegengestimmt. Und jetzt, nach der Katastrophe, lese ich von denselben Abgeordneten Tweets von Betroffenheit und Solidarität geprägt. Ich finde das nur noch heuchlerisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich unterbreite einmal einen Vorschlag: Holen Sie doch Leute raus und twittern Sie dann Ihre Taten und nicht vorher.

Und noch etwas: Wenn die Seebrücke und andere mit Aktionen 13 0000 Stühle vor Ihre Büros stellen, dann tun sie das nicht, um Ihnen eine schöne Fotokulisse für Ihr Gewissen aufzubauen, sondern es ist eine deutliche Handlungsaufforderung.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist ja nicht so – und auch das haben wir schon gehört –, dass niemand helfen will in diesem Land. Über 170 Kommunen stehen in Deutschland bereit, Menschen aufzunehmen. Ganze Bundesländer erklären sich bereit, Menschen aufzunehmen. Thüringen ist bereit, mehr Menschen aufzunehmen als die europäische Lösung von Merkel und Macron. Was für ein Armutszeugnis!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sorgen Sie doch endlich dafür – ich gucke auch in Richtung SPD; Herr Schwabe, Sie haben es gerade gesagt –, dass diese menschenverachtende Blockade von Ihnen, Herr Seehofer, fällt, dass die Kommunen und Länder, die helfen wollen, auch endlich helfen dürfen. Moria ist doch nur das Paradebeispiel für Ihre organisierte brutale Abschottungspolitik, der kleinste gemeinsame Nenner der zerstrittenen Mitgliedstaaten.

Und noch etwas: Wir haben in dieser Debatte von Brandstiftern gehört.

Die Brandstifter sind allerdings nicht auf Lesbos zu suchen. Die Brandstifter, die sitzen leider hier im Haus.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist übel! Das ist echt übel!)