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Michel Brandt: Abwehr von Geflüchteten an Außengrenzen - Totalversagen der EU-Fluchtpolitik

Rede von Michel Brandt,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fassungslos stand ich am 4. März 2020 in Edirne in der Türkei und schaute ich Richtung Griechenland auf die europäische Außengrenze. Rauch stieg auf, und alle paar Sekunden hörte man Schüsse. Immer wieder rannten uns schutzsuchende Menschen entgegen, darunter Familien, verletzt mit Platzwunden und gezeichnet von Tränengas. Die Festung Europa hatte in diesen Tagen ihre Schießscharten geöffnet. Mit offener Gewalt ging man gegen Menschen vor, die doch eigentlich Schutz suchten. Das sind Bilder, die ich so schnell nicht vergessen werde.

Die EU hat beschlossen, Schutzsuchende in diesen Tagen mit allen Mitteln zu bekämpfen. Als die griechische Regierung das Asylrecht für einen Monat aussetzte, gab es aus der EU Beifall. Frau von der Leyen hat Griechenland zum Schutzschild Europas erklärt, um Menschen in Not abzuwehren. Bis heute schweigt die Bundesregierung zu diesen Gräueltaten an der griechisch-türkischen Grenze. Noch nie hat sich die EU so offen gewalttätig gezeigt wie in den Tagen im März.

Aber nicht nur das hat der EU-Türkei-Deal angerichtet. Ende September 2019 war ich zuletzt im Camp Moria auf Lesbos. Schon damals waren dort über 13 000 Geflüchtete in einem Lager zusammengepfercht, das für 3 000 Menschen ausgelegt ist. Mittlerweile sind es 20 000. Die Situation in diesen Elendslagern stand nie im Einklang mit den Menschenrechten. Nein, es ist menschenunwürdig, was da passiert, und zwar von Anfang an.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber spätestens seit Corona muss doch klar sein: Diese EU-Hotspots müssen evakuiert werden, und zwar eher gestern als heute. Wir rennen dort sehenden Auges in die Katastrophe. Es ist fünf nach zwölf!

(Beifall bei der LINKEN)

Und was macht die Bundesregierung? Sie holt 47 unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach Deutschland – 47! Dabei stehen hier in Deutschland 140 Kommunen bereit, die sagen: Wir würden Menschen aufnehmen. Evakuieren Sie diese Lager endlich! Es ist doch wahnsinnig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie sind wahnsinnig!)

Und was passiert auf dem Mittelmeer? Die Osterbilanz: Zwölf Menschen sind verdurstet oder ertrunken, Dutzende weitere werden vermisst, Hunderte wurden illegal in libysche Folterlager zurückgezwungen. Und der Bundesregierung fällt nichts Besseres ein, als die Seenotrettungs-NGOs, die dort noch aktiv sind, aufzufordern, ihre Rettungen einzustellen. Wie zynisch ist das denn!

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir müssen uns angesichts dieser Zustände doch fragen: Wollen wir wirklich die Generation an Abgeordneten sein, die die Errungenschaften der Menschenrechte und die Errungenschaften der Genfer Flüchtlingskonvention – eine direkte Folge und eine direkte Lehre aus dem deutschen Faschismus – über Bord wirft? Dass die Truppe auf der rechten Seite das will, das wissen wir; aber der Rest kann das doch nicht ernsthaft wollen. Kehren wir zurück zu den Menschenrechten!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Linke fordern in unseren Anträgen: Lasst uns die EU-Hotspots evakuieren und schließen, die Geflüchteten auf dem EU-Festland sicher und menschenwürdig unterbringen! Dasselbe gilt im Übrigen auch für Sammelunterkünfte in Deutschland. Zustände wie beispielweise in Ellwangen in Baden-Württemberg, wo Hunderte Coronainfizierte mit Nichtinfizierten zusammengepfercht bleiben, sind einfach nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Forderungen können Sie alle nachlesen. Ob wir die Krise solidarisch bewältigen, werden wir auch daran erkennen können, ob die Lager in Griechenland in vier Wochen leer stehen oder nicht.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)