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Michael Leutert: Der Haushalt des Auswärtigen Amtes ist ein Totalausfall

Rede von Michael Leutert,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der französische Präsident hat gesagt: Die NATO ist hirntot. – Unser Außenminister sagt: „Die NATO lebt …“.

Wir können das nur beurteilen, wenn wir uns den Patienten einmal näher anschauen. Es gibt ein Grundsatzdokument: den Nordatlantikvertrag. Ich darf hier Artikel 1 zitieren:

"Die vertragschließenden Staaten verpflichten sich, gemäß den Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen, jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sein mögen, durch friedliche Mittel in der Weise zu regeln, daß Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit unter den Völkern nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeglicher Drohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die in irgendeiner Weise mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist."

Ich würde sagen: Das ist das Fundament, das Herz der NATO. Wenn man sich jetzt anschaut, was das NATO-Mitglied Türkei derzeit macht, nämlich einen Angriffskrieg in Syrien zu führen, Menschenrechte mit Füßen zu treten, Oppositionelle, die gegen diesen Krieg sind, einzusperren, dann muss man sagen: In dem Geiste ist die NATO tot.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf der anderen Seite lebt sie irgendwie, weil wir mit diesem Haushalt wieder viel Geld für die NATO bereitstellen. Was ist sie denn jetzt? Tot oder lebendig? Sie wandelt als Zombie durch die Welt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn es noch einen Rest an Glaubwürdigkeit geben soll, dann setzen Sie sich dafür ein, dass die Mitgliedschaft der Türkei suspendiert wird, bis sich ihre Politik ändert.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kanzlerin hat heute früh in einer kleinen Geschichtsstunde die internationalen Probleme, vor denen wir stehen, umrissen. Ich möchte das hier nicht alles wiederholen.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Aber dann hätten Sie mal richtig zuhören sollen, Herr Kollege!)

Gemessen an diesen Problemen und gemessen an den Ansprüchen, die hier formuliert werden, muss man sagen, dass der Haushalt, der hier verabschiedet werden soll, ein Totalausfall ist.

(Beifall bei der LINKEN – Alois Karl [CDU/CSU]: Na, na, na!)

Sie haben nicht einmal die Mittel für die notwendigsten Sachen. Die Visaproblematik ist angesprochen worden. Es gibt Menschen, die ein Visum haben wollen und ein Jahr auf einen Vorstellungstermin warten; dann haben sie immer noch kein Visum. Also nicht einmal die notwendigsten Sachen können wir machen.

Ich kann hier noch den Investitionsstau bezüglich Sicherheit und IT bei unseren ausländischen Liegenschaften nennen. Die Gelder reichen nicht einmal für die notwendigsten Mittel. Das Schlimme ist nur: Es wird auch nicht besser. Im nächsten Jahr ist geplant, den Haushalt um 1 Milliarde Euro zu kürzen. Wie Sie diese Delle ausbalancieren wollen, darauf bin ich sehr gespannt.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ja, das ist wahr! Wo er recht hat, hat er recht!)

Deshalb hoffe ich, dass die Koalition doch noch ein bisschen hält; denn auf diese Rede freue ich mich jetzt schon.

So, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden Sie auf internationaler Ebene krachend scheitern. So werden Sie keinen Beitrag zur Friedenserhaltung, Konfliktvorbeugung oder Konfliktlösung leisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir uns einmal an, für was die zu knappen Mittel teilweise verwendet werden. Ich fange einmal mit einer kleinen Sache an. Es gibt das Reeperbahn-Festival.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: „Reeperbahn-Festival“?)

Ich weiß nicht genau, was das Reeperbahn-Festival mit auswärtiger Politik zu tun hat. Fakt ist nur, dass dieses Festival aus dem jetzigen Haushalt 3 Millionen Euro bekommen soll, obwohl es in den vergangenen Jahren schon gefördert wurde und noch 2 Millionen Euro übrig sind. Es bekommt sogar einen eigenen Titel. Wenn das Außenpolitik ist, dann bin ich einmal gespannt, wann das Oktoberfestival vom Auswärtigen Amt gefördert wird. Vielleicht wäre das noch ein Ansatz.

(Beifall bei der LINKEN – Gabriele Katzmarek [SPD]: Das ist kein Festival, aber das macht nichts!)

Das Reeperbahn-Festival ist übrigens in Hamburg. Das ist die Heimatstadt des Finanzministers. Vielleicht hat es damit etwas zu tun. Aber das nur am Rande.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: So ein Blödsinn!)

Zurück zur Außenpolitik. Im Iran wird ein Programm finanziert, das heißt: Aufbau eines regionalen Sicherheitskonzeptes für Westasien und die Arabische Halbinsel. Ich frage mich: Arabische Halbinsel, Saudi-Arabien, Iran – wie passt das zusammen? Sie führen gerade einen Stellvertreterkrieg im Jemen. Mit denen wollen wir ein Sicherheitskonzept erarbeiten. Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt. Schauen wir uns an, was derzeit im Iran passiert: Demonstrationen mit über einhundert Toten. – Wir konnten heute und gestern lesen, dass die iranische Führung den USA und Israel eine Verschwörung unterstellt; sie sollen die Demonstrationen angezettelt haben. Der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden hat den USA mit Vergeltung und Israel mit Vernichtung gedroht. Ausgerechnet mit denen wollen wir ein Sicherheitskonzept aufbauen. Ich frage mich: Wie kommt eine solche Entscheidung zustande?

Kommen wir dazu, wie wir uns in den UN-Gremien zu Israel verhalten. Dort verhalten wir uns komischerweise ganz anders. Deutschland stimmt in UN-Gremien regelmäßig nicht mit Israel, wenn es verurteilt werden soll. Wir haben derzeit in der UN-Vollversammlung 26 Resolutionen, die sich gegen bestimmte Länder richten. Von diesen 26 Resolutionen sind allein 20 gegen Israel gerichtet. Die UNESCO hat von 2009 bis 2014 47 Resolutionen gegen Länder verfasst, allein 46 gegen Israel. Das ist eine Verteufelung Israels. Was macht Deutschland? Wir stimmen nicht mit Israel. Besonders absurd: In diesem Jahr kamen im Juli palästinensische Vertreter mit dem Iran und Saudi-Arabien zusammen und brachten eine Resolution gegen Israel ein –

– wegen der Stellung der palästinensischen Frau. Was macht Deutschland? Wir enthalten uns. Wenn so die Solidarität mit Israel aussieht, dann kann man gerne auf diese Solidarität verzichten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])

Das ist absurde Politik. Genauso ist Ihr Haushalt: absurd. Deshalb kann ihm nicht zugestimmt werden.

(Beifall bei der LINKEN)