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Michael Leutert: Den Klimawandel bekämpft man nicht militärisch

Rede von Michael Leutert,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Sie werden sich jetzt bestimmt erst mal verwundert die Augen reiben, aber ich möchte mit zwei positiven Dingen beginnen.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Oh! – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Oh!)

Das Erste ist: Ich habe interessiert gelesen, dass die Unterstützung für in Not geratene Ex-Soldaten der NVA in der Bundeswehr angehoben wird, zwar nur um 250 000 Euro; aber darum habe ich jedes Jahr gerungen. Da sieht man – auch an den kleinen Dingen –: Links wirkt auch im Verteidigungsbereich. Sehr schön.

Das Zweite: Die Mittel für den Militärischen Abschirmdienst werden angehoben. Nun ist mir klar: Auch der Militärische Abschirmdienst muss kritisch hinterfragt und begleitet werden. Auf der anderen Seite ist es genauso wichtig, den Kampf gegen rechtsextremistische Tendenzen in der Bundeswehr zu verstärken; das ist absolut notwendig. Wir sprechen derzeit über 750 Verdachtsfälle in der Bundeswehr. Da kann man auch nicht mehr sagen: Das sind Einzelfälle. – Ich glaube auch, dass der Kampf gegen diese rechtsextremistischen Tendenzen wichtig ist, um die anderen über 180 000 Soldatinnen und Soldaten zu schützen, die eben keine Rechtsextremisten sind.

Frau Ministerin, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie sich darüber ärgern, dass Die Linke angeblich Militärausgaben gegen Bildungsausgaben ausspielen würde,

(Henning Otte [CDU/CSU]: Herr Bartsch war das!)

dass wir das gegenüberstellen würden. Ich sage Ihnen: Wir spielen das nicht gegeneinander aus, sondern wir stellen es gegenüber, um es greifbarer zu machen. Ich kann es auch anders gegenüberstellen. Ich kann zum Beispiel genauso schön sagen: Wenn man den Verteidigungsetat von 47 Milliarden Euro auf die Pro-Kopf-Summe der Einwohner in Deutschland herunterbricht, dann kommt man auf Ausgaben von ungefähr 560 Euro im Jahr pro Kopf. Dann könnten Sie bestimmt antworten: Na ja, okay, so viel kostet auch eine Risikolebensversicherung; das ist doch in Ordnung. – Dann sage ich zu Ihnen: Aber was deckt denn diese Risikolebensversicherung alles ab? Darüber kann man ja bei so hohen Summen grundsätzlich mal sprechen.

Der erste Punkt ist die Landesverteidigung; sie ist hier schon angesprochen worden. Ich glaube, die Landesverteidigung ist hier Konsens im Raum; das steht nicht infrage.

Der zweite Punkt ist die Bündnisverteidigung; das wurde ebenfalls bereits mehrfach angesprochen. Da möchte ich schon ein größeres Fragezeichen dahinter setzen, wenn ich mir derzeit den Zustand des Bündnisses so anschaue. Bündnis heißt ja, ich brauche Partnerschaft. Das heißt, ich brauche Partner. Und Partner funktionieren nur miteinander, wenn sie gleiche Ziele und Werte teilen, also nach dem Motto: Freunde helfen Freunden. Mir fehlt, ehrlich gesagt, so ein bisschen die Vorstellungskraft, dass hier im Bundestag der Bündnisfall beschlossen werden würde, wenn zum Beispiel die Türkei das anfordern würde. So wie derzeit die Lage im Mittelmeer aussieht, frage ich mich: Was ist denn eigentlich mit Griechenland, wenn dieser Bündnisfall wirklich mal eintreten würde? Dürfen die dann noch mitmachen? Dürfen eigentlich griechische Soldatinnen und Soldaten auf türkischem Boden operieren, wenn es der Bündnisfall erfordert? Solange solche Fragen ungeklärt im Raum stehen, muss man dieses Bündnis natürlich irgendwie in Zweifel ziehen.

Den dritten Punkt hat vor Kurzem der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ins Gespräch gebracht, und zwar in einem Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“ unter der Überschrift: „Die NATO muss den Klimawandel bekämpfen“.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So was liest du?)

– Ich lese alles; ich möchte informiert sein, wenn ich hier spreche.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Aber verstehen ist wichtig!)

Man muss ganz klar sagen: Er hat natürlich recht, wenn er die simple Weisheit schreibt: Der Klimawandel bedroht unsere Sicherheit. – Ich glaube, es ist auch eine Binsenweisheit, wenn ich hier vortrage, wir werden durch den Klimawandel nicht alle in Sturmfluten ertrinken, und wir werden auch nicht alle erfrieren, wenn es kälter wird. Aber wir werden damit zu kämpfen haben, dass Staaten destabilisiert werden. Wir werden es erleben, dass massive Kämpfe um Ressourcen ausgetragen werden und es damit verbunden zu massiven Fluchtbewegungen kommt.

Im Übrigen – um das auch einmal hier anzubringen –: Es ist nicht gottgegeben, dass bei uns in Europa alles immer so ist, wie es ist. Hoffen wir, dass es so bleibt. Aber auch bei uns kann das passieren, weil der Klimawandel an uns nicht vorübergeht. Aber die Schlussfolgerung von NATO-Generalsekretär Stoltenberg, dem Klimawandelkampf mit besserer Ausbildung und besserer Ausrüstung zu begegnen, ist wiederum falsch; denn den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen wir nicht mit besserer Ausbildung und besserer Ausrüstung. Das ist ein Kampf, den wir nur global und gesamtgesellschaftlich gewinnen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Jens Stoltenberg recht hat, dann möchte ich hier einen Vorschlag machen, um zu mehr Sicherheit beizutragen: Aus diesem Grunde erscheint es mir nämlich wesentlich sinnvoller, die Klimabilanz der einzelnen NATO-Staaten als sicherheitsrelevant festzusetzen anstatt die 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Militärausgaben, über die hier so oft gestritten wird.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn Sie diese Debatte innerhalb der NATO, wie vom Generalsekretär gefordert, anstoßen, dann freue ich mich auf die Debatte und bin sehr gespannt auf die Reaktion aus den Vereinigten Staaten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)