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Michael Leutert: BMVg führt Militärprojekte nicht zu Ende, verpflichtet sich aber zu neuen Ausgaben

Rede von Michael Leutert,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, diese Bundesregierung hat zum Start dieser Koalition 2017 einen Verteidigungsetat in Höhe von 37 Milliarden Euro übernommen, und – es ist ja schon gesagt worden – nächstes Jahr stehen dafür circa 47 Milliarden Euro zur Verfügung. Das heißt, im Laufe dieser Legislaturperiode flossen knapp 10 Milliarden Euro zusätzlich in den Verteidigungsetat; das ist eine Steigerung um mehr als 26 Prozent. Es ist das alte Lied, hier die Frage zu stellen: Was wurde mit dem Geld eigentlich gemacht?

Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, so ist es sehr ernüchternd. Einiges ist schon angesprochen worden: Der schwere Transporthubschauer ist wegen Geldmangel gestrichen, hinter dem Taktischen Luftverteidigungssystem TLVS stehen drei Fragezeichen – wegen Geldmangel. Trotzdem werden neue Projekte auf den Weg gebracht, zum Beispiel das neue Kampfflugzeug FCAS.

Der ehemalige Wehrbeauftragte – er ist uns allen ja noch bekannt – Hans-Peter Bartels hat in einem Gastkommentar in der „Neuen Zürcher Zeitung“ am 18. November 2020 die Situation sehr schön zusammengefasst und noch mal explizit darauf hingewiesen, dass selbst die Verpflichtungen, die an die NATO gemeldet werden, derzeit schwer einzuhalten sind, nämlich „bis 2023 eine voll ausgestattete Kampfbrigade“, „bis 2027 eine volle Division“ und „bis 2031 drei Divisionen“ aufzustellen. Bartels führt weiter aus: Schon beim ersten Schritt, bei der Ausstattung der ersten Brigade, gibt es Probleme.

Die Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme ist hier ebenfalls bekannt und lässt zu wünschen übrig. Zugleich – auch das ist hier schon angesprochen worden – werden Soldatinnen und Soldaten zur Pandemiebekämpfung bei uns eingesetzt.

Klar, dazu kann man Danke sagen. Auch ich bin dankbar, dass sie in dieser Zeit bei der Pandemiebewältigung helfen. Aber die entscheidenden Fragen sind doch: Brauchen wir für diesen Dank einen 47-Milliarden-Euro-Apparat? Ist das die Kernaufgabe der Bundeswehr? – Wenn wir nur einen Bruchteil dieser Milliarden beim THW einsetzen würden, hätten wir den gleichen Effekt, und der Dank würde jetzt eben ans THW gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zusätzlich zu all diesen Problemen, Frau Ministerin, lässt Sie Ihr Koalitionspartner jetzt im Regen stehen; der Wahlkampf hat begonnen.

2017 – ich erinnere mich noch – lehnte die SPD in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause im Wahlkampf die Beschaffung der Drohne Heron TP ab. Mittlerweile ist die Drohne beschafft; jetzt geht es um die Bewaffnung. In der SPD wird diskutiert, ob man sie bewaffnen sollte oder nicht. Das Argument lautet „Töten per Joystick“, also: Die Hemmschwelle sinkt.

Ich finde, das ist ein sehr interessantes Argument, und ich kann Ihnen auch versichern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Da rennen Sie bei der Linken offene Türen ein.

Wenn das Argument aber stimmt, dann stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit; denn dann müssten Sie existierende Waffensysteme wie zum Beispiel die Panzerhaubitze mit einer Reichweite von 40 Kilometern oder den Raketenwerfer MARS mit einer Reichweite von 80 Kilometern, wo man auch nicht mehr durchs Zielfernrohr schaut, sondern Zielkoordinaten hat und aufs Knöpfchen drückt, genauso ablehnen.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: So ist es!)

Mir ist auch noch nicht zu Ohren gekommen, dass Sie die Eurodrohne, die auf den Weg gebracht wird – und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Eurodrohne unbewaffnet sein wird –, ablehnen. Das müssten Sie jetzt ebenfalls tun.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Da hat Herr Leutert recht!)

Im Übrigen: Das neue Kampfflugzeug FCAS wird zusammen mit der Atommacht Frankreich entwickelt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Flugzeug nicht auch mit Atomwaffen bestückt werden kann. Auch das Waffensystem müssten Sie ablehnen.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Wofür sind Sie denn?)

Wenn ihr also die Bewaffnung der Drohne ablehnt, liebe SPD, dann müsst ihr auch diese Waffensysteme ablehnen. Ansonsten ist eure Ablehnung nämlich unglaubwürdig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sollen sie denn jetzt machen? Sollen sie zustimmen?)

– Mit uns stimmen.