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Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel senken

Rede von Barbara Höll,

Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf apothekenpflichtige Medikamente wäre ein erster kleiner Schritt, der umso notwendiger ist, als die Regierung angedroht hat, die Mehrwertsteuer im nächsten Jahr um 3 Prozentpunkte zu erhöhen. Das würde im Klartext bedeuten: Haushaltssanierung des Bundes auf Kosten der Kranken. Denn je kränker die Bevölkerung ist, umso höher sind die Zahlungen, die die Kranken über die Mehrwertsteuer leisten müssen. Das ist inhuman und kann nicht das sein, was wir als Politikerinnen und Politiker erstreben. Barbara Höll in der Debatte zum Antrag der Linken , den Mehrwertsteuersatz für apothekenpflichtige Medikamente zu senken.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diejenigen, die sich gerade die Debatte zu Hartz IV angehört haben, sollten ruhig noch sitzen bleiben; denn auch das jetzige Thema hat viel damit zu tun. Wir müssen einfach konstatieren, dass bereits im vergangenen Jahr viele Menschen nicht mehr zum Arzt gegangen sind, weil ihnen die 10 Euro für die Praxisgebühr zu viel waren. Jeder Hartz-IV-Empfänger und jede Hartz-IV-Empfängerin muss diese 10 Euro zahlen. (Rolf Stöckel [SPD]: Eben nicht! Das ist nicht wahr!) Sie müssen bei den Arzneimitteln Zuzahlungen leisten. Das sind Belastungen, die dazu führen, dass medizinische Versorgung nicht mehr in dem Umfang in Anspruch genommen wird, wie es notwendig wäre. Wir haben Ihnen einen kurzen Antrag vorgelegt, der in dieser Richtung zumindest eine kleine Hilfe geben würde. Wir möchten, dass der Katalog der Waren des lebensnotwendigen täglichen Bedarfs, die nur mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belegt werden, erweitert wird. Es ist recht und billig, dass neben Brot, Butter und anderen Dingen wie Hundefutter, Schnittblumen und Tiermedikamenten (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Und Möhren!) auch die apothekenpflichtigen Medikamente für Menschen dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegen; denn es ist steuersystematisch wohl kaum begründbar, warum Antibiotika für Hunde nur mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt werden, während Antibiotika für Kinder, für ältere Menschen, für jüngere Menschen, für jeden, der es braucht, mit 16 Prozent belegt werden. (Beifall bei der LINKEN) Dieses Thema ist nicht neu. Bereits in der 222. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. März 1998, damals noch in Bonn, habe ich einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht, den Sie mit den damaligen Mehrheiten am 7. Mai desselben Jahres abgelehnt haben. Es freut mich, inzwischen konstatieren zu können, dass auch die Bundesgesundheitsministerin Ende vergangenen Jahres öffentlich darüber nachgedacht und gesagt hat, dass sie Handlungsbedarf sehe und sich dem Thema widmen werde. Wir liegen mit unserer Regelung im europäischen Spitzenfeld; Deutschland hat den vierthöchsten Mehrwertsteuersatz für Medikamente. Viele andere europäische Staaten nutzen die Möglichkeit eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes bzw. erheben überhaupt keine Mehrwertsteuer auf Medikamente. Die Regelung, die wir Ihnen vorschlagen, würde zu einer kurzfristigen Entlastung des Systems der Krankenversicherungen führen. Die Krankenkassen und die Bürgerinnen und Bürger könnten im nächsten Jahr unmittelbar um 2,6 Milliarden Euro entlastet werden. Das wäre möglich, wenn es uns als Politikerinnen und Politiker gelingt, sicherzustellen, dass die Senkung des Mehrwertsteuersatzes tatsächlich an die Krankenkassen und die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben und damit auch eine Senkung des Beitragssatzes, die Sie ja immer anstreben, um 0,2 Prozentpunkte ermöglicht wird. So sagt es der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nord-rhein. Wir haben hier also eine Möglichkeit, kurzfristig Druck aus dem System zu nehmen und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu handeln. Wir meinen, das ist auf diesem Feld notwendig; denn das wäre zumindest ein Schritt in die richtige Richtung, den Sie nutzen könnten, um ruhiger und gelassener sachlich darüber zu diskutieren, wie die Probleme im Krankenversicherungssystem gelöst werden können. Wir werden nicht umhinkönnen, weiter über die Notwendigkeit einer Stärkung der Beitragsseite auch der Krankenversicherung und über die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze zu diskutieren. Wir müssen die Krankenversicherung insgesamt gerechter gestalten, sodass die, die sehr viel verdienen, sich nicht privat versichern müssen, sondern in das System der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen werden können. Aber der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf apothekenpflichtige Medikamente wäre ein erster kleiner Schritt, den wir machen könnten und der umso notwendiger ist, als Sie angedroht haben, die Mehrwertsteuer im nächsten Jahr um 3 Prozentpunkte zu erhöhen. Das würde im Klartext bedeuten: Haushaltssanierung des Bundes auf Kosten der Kranken. Denn je kränker die Bevölkerung ist, umso höher sind die Zahlungen, die die Kranken über die Mehrwertsteuer leisten müssen. Das ist inhuman und kann nicht das sein, was wir als Politikerinnen und Politiker erstreben. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN)