Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir reden heute über einen Gesetzesentwurf, der sich mit Insolvenzen in Konzernen beschäftigt.
Pleiten von Unternehmen gibt es leider immer wieder. Im letzten Jahr waren es insgesamt 26.300 Unternehmen, im Jahr davor 28.720.
Diese Pleiten lösen bange Fragen bei den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Familien aus? Sie fragen sich: Wird es möglich sein, das Unternehmen zu sanieren und die Arbeitsplätze zu erhalten? Findet sich eine Investor für eine Fortführung des Unternehmens? Aber auch viele Lieferanten, Handwerker und andere kleine Selbstständige trifft nicht selten eine Insolvenz hart.
Die Baumärkte Praktiker und Max Bahr, der Hersteller von Socken- und Strumpfwaren Kunert, der TV-Hersteller Loewe, der Billigstromanbieter Flexstrom. Alles Konzerne. Jüngst machte der Konkurs der PROKON-Gruppe Schlagzeilen. Ihnen allen ist gemein, dass sie nicht nur für die Muttergesellschaft, sondern auch für jede einzelne Tochtergesellschaft separat Insolvenz anmelden mussten. Allein nach der Pleite des Arcandor-Konzerns mit den Tochtergesellschaften Karstadt und Quelle 2009 wurden 54 einzelne Insolvenzverfahren eröffnet. Dies mit entsprechend vielen Insolvenzverwaltern, die ausschließlich die Interessen der jeweiligen Tochtergesellschaften vertreten und das noch übrig gebliebene Vermögen einzeln verwertet haben. Das gleiche gilt für die Insolvenzgerichte. Jedes Insolvenzverfahren wird isoliert abgewickelt - ohne Abstimmung mit den anderen Insolvenzverfahren. Dadurch werden die Verhandlungen zur Sanierung und eine mögliche Rettung des Gesamtkonzerns erheblich erschwert, mit der Folge, dass die gesamte Insolvenzmasse nicht optimal verwertet werden kann. Das Ganze im Konzern ist mehr wert als die Summe seiner Einzelteile. Deshalb wird in der Krise und der Insolvenz zunächst meistens versucht, den Konzern als Unternehmensverbund weiter zu erhalten und entweder gemeinschaftlich zu sanieren oder zu verwerten. Heute, das heißt mit dem bestehenden Insolvenzrecht, geht der Gesamtkonzern als Einheit und damit der eigentliche Wert verloren. Das muss sich ändern.
Daher besteht Handlungsbedarf. Aber die Initiative für eine gesetzliche Regelung geht wieder mal nicht von der Bundesregierung aus, sondern kommt aus Europa. Am 12. Dezember 2012 hatte die EU-Kommission dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament einen Vorschlag für eine Reform der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) vorgelegt. Ziel ist die Etablierung einer „EU-Rettungs- und Sanierungskultur” für Unternehmen in der Krise.
Es ist gut zu wissen, dass sich wenigstens aufgrund der Aktivitäten auf europäischer Ebene in Deutschland etwas bewegt und weiter bewegen wird. Von dieser Bundesregierung kommt bisher nichts und es ist in dieser Legislaturperiode leider auch nicht viel zu erwarten - siehe Koalitionsvertrag.
Dabei gibt es viel Handlungsbedarf: Der Abbau von Bürokratie ist seit vielen Jahren ein Topanliegen der mittelständische Wirtschaft. Die Menschen in Deutschland warten dringend auf einen Abbau der kalten Progression und des sogenannten „Mittelstandsbauchs“ und fordern - gerade in diesen Wochen - die Bekämpfung von Steuerumgehung, Steuerbetrug und Steuerhinterziehung.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen sollen unter anderem die Betrachtung des Konzerns in den Vordergrund gestellt und insbesondere Reibungs- und Wertverluste reduziert werden. Insofern beschreitet das Gesetz grundsätzlich den richtigen Weg.
Was aber wieder nicht ausreichend berücksichtigt wird, sind die Interessen der Beschäftigten. Hierzu zähle ich nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch die Betriebsräte und die Gewerkschaften.
Wir wollen entsprechende Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte für die Vertretungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingefügt sehen, zum Beispiel für den Konzernbetriebsrat. Darum wird sich DIE LINKE im weiteren Beratungsprozess des Gesetzes ganz besonders kümmern. Wir werden darauf achten, dass auf jeden Fall die Arbeitnehmerrechte gewahrt werden, die beim letzten Mal in den Beratungen über das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, besser bekannt unter dem Kürzel ESUG, am Ende doch noch dem neoliberalen Mainstream geopfert wurden.
Es gibt also noch einiges am Gesetzentwurf zu verändern. Hierbei bieten wir der Bundesregierung eine konstruktive Mitarbeit an.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.