Die Bürgerinnen und Bürger müssen nach unserer Auffassung die Möglichkeit haben, bei wichtigen politischen Fragen mitzureden. Ich wünsche mir, dass sie in die Lage versetzt werden, deutlicher zu erklären, was sie bei bestimmten Themen politisch wollen. Lothar Bisky in der Debatte zur Einführung der Dreistufigen Volksgesetzgebung:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mehr direkte Demokratie steht zur Debatte. Herr Burgbacher, ich bin froh, dass wir in Brandenburg gemeinsam mit der FDP bereits die direkte, die dreistufige Gesetzgebung durchgesetzt haben. Im Übrigen geschah das auch gemeinsam mit dem damaligen Bürgerbündnis. Es funktioniert. Herr Wellenreuther, auch damals hörte ich Reden von der CDU, in denen die Gefahren beschworen wurden. Diese sind aber nicht eingetreten. Sie können Ihre Kollegen in der CDU fragen. Natürlich ist das die Landesebene und wir sprechen hier über die Bundesebene. Alle Gefahren und auch manche Wunder, die sich einige erhofft hatten, sind aber eben nicht eingetreten, sondern es ist zu einem vernünftigen Umgang der Bürgerinnen und Bürger und, wie ich denke, auch der Politiker mit diesem Instrument gekommen. Ich bin froh, dass jetzt drei Fraktionen mehr direkte Demokratie fordern. Wir können in diesem Parlament gar nicht genug sein. Ich hoffe, dass uns eine sachliche Diskussion zu einer vernünftigen Lösung bringen wird. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) Wir wollen den Bürgern auf Bundesebene mehr direkte Einflussmöglichkeiten verschaffen. Das richtet sich eben nicht gegen die parlamentarische Demokratie. (Ernst Burgbacher (FDP): Richtig!) Ich sehe das als eine untrennbare Einheit und ich möchte mich nicht weiter auf die Gegensatzdiskussion einlassen. Ich komme aus einem Land, in dem es eine Zivilgesellschaft, wenn überhaupt, nur marginal gegeben hat und ich möchte in einem Land leben, in dem zivilgesellschaftliches Engagement nicht nur geduldet, sondern auch bewusst gefördert wird. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren von der FDP und den Grünen, gerade deshalb wollen wir im Unterschied zu Ihnen nicht nur Gesetzesvorlagen zum Gegenstand der dreistufigen Volksgesetzgebung machen, sondern auch politische Entscheidungen zur Debatte stellen. Es geht zum Beispiel um Fragen der Privatisierung. Die Bürgerinnen und Bürger müssen nach unserer Auffassung die Möglichkeit haben, bei wichtigen politischen Fragen mitzureden. Ich wünsche mir, dass sie in die Lage versetzt werden, deutlicher zu erklären, was sie bei bestimmten Themen politisch wollen. Natürlich schwächt das nicht die parlamentarische Demokratie; denn die Antworten, die dort auf bestimmte Fragen gegeben werden, werden dann ja im Parlament umgesetzt. Ich will jetzt nicht der Versuchung unterliegen, konkrete Fragen zu nennen; denn dann stellt sich die Frage, ob man sie positiv oder negativ formulieren soll. Das ist nach meinem Dafürhalten Aufgabe für Experten. Dafür gibt es Psychologen und Soziologen, die genau wissen, wie man eine Frage formuliert, damit man eine gültige und zuverlässige Antwort bekommt. Dennoch sage ich: Ich bin dafür, den Bürgerinnen und Bürgern solche Fragen zu stellen, also direkt über eine politische Sachfrage abstimmen zu lassen. Jede Fraktion hätte nach unserem Vorschlag die Möglichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern eine Sachfrage zur Entscheidung vorzulegen. Das würde den Wahlkampf revolutionieren. Nicht mehr Versprechungen, an die sowieso immer weniger glauben, stünden im Vordergrund, sondern die von den Fraktionen gesetzten Themen würden eine größere Rolle spielen. Sie und uns wird nicht jedes Ergebnis einer Volksinitiative, eines Volksbegehrens oder eines Volksentscheids erfreuen. Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus kann davon ein Lied singen. Dennoch hat kürzlich Die Linke gemeinsam mit anderen Fraktionen einen Gesetzentwurf in das Abgeordnetenhaus eingebracht, der die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Berlinerinnen und Berliner erweitert; und das ist gut so. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben nicht nur in Berlin erfahren und verinnerlicht, dass jeder Zuwachs an demokratischen Verfahren die Kluft zwischen politisch Verantwortlichen und dem eigentlichen Souverän verkleinert. Die Ablehnung der europäischen Verfassung in Frankreich und den Niederlanden das ist heute schon mehrfach erwähnt worden , die katastrophal niedrige Wahlbeteiligung in den vergangenen Wochen die Wahlbeteiligung in Thüringen am letzten Sonntag lag bei nur rund 42 Prozent zeigen: Wir müssen schleunigst und umfassend handeln. Dazu wurde von drei Fraktionen dieses Hauses ein Vorschlag auf den Tisch gelegt. Vor gut 16 Jahren stand ich auf dem Alexanderplatz und hörte, wie ein späterer Alterspräsident des Deutschen Bundestages erklärte ich zitiere : „Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen ...“ Die Worte waren von Stefan Heym. Er wollte am 4. November 1989 unter anderem den Wunsch ausdrücken, dass Bürgerinnen und Bürger endlich ernst genommen werden, dass vielfältige, auch direkte Mitentscheidungsmöglichkeiten, dass mehr direkte und indirekte Demokratie in der Gesellschaft Einzug halten. (Zuruf des Abg. Reinhard Grindel (CDU/CSU)) Bei Stefan Heym kenne ich mich ganz gut aus. Lassen Sie uns heute gemeinsam die Fenster ein Stück weiter aufstoßen. Ich bedanke mich. (Beifall bei der LINKEN)
Mehr direkte Demokratie steht zur Debatte
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Lothar Bisky,