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Mehr Demokratie in den Gerichten

Rede von Jens Petermann,

250. Sitzung des Deutschen Bundestages, 27. Juni 2013

TOP 16

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz

und

Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz

Drucksachen 17/11701, 17/11703 und 17/14191

Jens Petermann für die

Fraktion DIE LINKE - Rede zu Protokoll

 

Sehr geehrte(r) Herr/Frau Präsident(in), Frau Ministerin, meine sehr verehrten Damen und Herren,

die in der bundesdeutschen Justiz tätigen Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte leisten in der Regel eine hervorragende und hochqualifizierte Arbeit. Darüber sind wir uns hier alle einig. Die Frage ist allerdings, unter welchen Bedingungen die Juristen arbeiten müssen. Damit meine ich zum einen die personelle, technische und bauliche Ausstattung der Arbeitsplätze. Damit meine ich zugleich aber auch informelle Abhängigkeitsstrukturen, die die Rechtsprechung mittelbar und unmittelbar beeinflussen können.

In der ersten Lesung unserer beiden Gesetzentwürfe im Januar dieses Jahres war der Tenor fraktionsübergreifend eindeutig: Es ist im Jahre 2013 an der Zeit, über Verbesserungen unseres Justizsystems, welches schließlich noch aus dem 19. Jahrhundert stammt, nachzudenken. Auf Grund dieses veralteten Justizsystems würde Deutschland nicht einmal mehr die Kriterien für eine Aufnahme in die Europäische Union erfüllen.

In der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss haben wir unsere beiden Gesetzentwürfe ausführlich mit namhaften Juristen diskutiert. Unter ihnen war auch, der von der SPD oft zitierte ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier. Er sieht in einer selbstverwalteten Justiz keinen Mehrwert und meint, die Diskussion ginge an den wirklichen Problemen der deutschen Rechtsgewähr vorbei. Indes, das Bundesverfassungsgericht ist das einzige Gericht, das sich in Deutschland heute schon selbst verwaltet. Vor diesem Hintergrund sollte sich der ehemalige Präsident des mächtigsten deutschen Gerichts, vor dessen Entscheidungen die Regierung und der Bundestag zittern, im Klaren darüber sein, in welchem Maße die Selbstverwaltung dieses Gerichts auch dessen Unabhängigkeit sichert. Ich bin davon überzeugt, dass es schädlich wäre, wenn das Finanzministerium die Mittel und das Justizministerium das Personal für dieses Gericht stellen würde. Hierzu könnten sie mal was sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Meine Damen und Herren, wer Gesetze schafft, darf nicht mit ihrer Durchsetzung betraut sein. Wer Gesetze ausführt, ist ein schlechter Schiedsrichter, wenn es um die richtige Anwendung geht. Deshalb unterscheidet das Grundgesetz Legislative, Exekutive und Judikative und sichert letzterer formal die Unabhängigkeit zu.

Doch leider ist unsere Justiz nicht so unabhängig, wie viele immer glauben. Dafür gibt es genügend Beispiele.

Die Politik hat die Personalpolitik in der Justiz fest im Griff. Das geben die Entscheidungsträger in der Justiz natürlich nicht zu. Durch das Leugnen dieses Einflusses, funktioniert dieses System seit Jahrzehnten fast reibungslos. Und es sind nicht nur die hohen Justizämter, die nach Parteiproporz vergeben werden. Schon bei den Einstellungen und Beförderungen kann die Parteizugehörigkeit des Kandidaten unter Umständen eine entscheidende Rolle spielen. Nach meinem Verständnis ist damit bereits frühzeitig eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit möglich und findet auch statt. Nach unserem Modell bekommen Richter eine einheitliche Besoldungsgruppe und für Beförderungsämter, welche durch Wahlen zeitlich begrenzt vergeben werden, eine zeitlich begrenzte Zulage. Damit ist dieses unsägliche Streben nach den Beförderungen und das damit verbundene Anbiedern bei den Vorgesetzen vom Tisch.

Mit dem Haushaltsplan machen die Ministerien verbindliche Vorgaben, hinsichtlich der Anzahl der durch den einzelnen Richter zu erledigenden Verfahren. Und wenn ein Richter oder eine Richterin mehr Zeit für ein Verfahren benötigt, muss diese bei einem anderen wieder eingespart werden oder es entsteht ein wachsender Berg an Altverfahren. Beim Oberlandesgericht Karlsruhe zum Beispiel hat sich ein Richter mehr Zeit zur Gründlichkeit genehmigt und darum die ministeriellen Maßstäbe der Verfahrenszahlen nicht erfüllt. Das hat nun dienstrechtliche Konsequenzen für ihn. Die Präsidentin des OLG hat zwei Verfahren gegen diesen, ihren Richter eingeleitet. Da wird die richterliche Unabhängigkeit zu einem zahnlosen Papiertiger.

Unsere Justiz braucht mehr Personal, eine bessere Ausstattung und die Abschaffung der Ungerechtigkeiten des Besoldungsföderalismus. Was, wie viel und wo gebraucht wird, kann die Justiz besser beurteilen als ein Beamter in warmen und trockenen Ministerialstube.

Die Linksfraktion hat sich mit den beiden Gesetzentwürfen der Probleme angenommen und Lösungen aufgezeigt, sehr gute Lösungen für die Richterschaft und die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren unseren Gesetzentwürfen zuzustimmen. Herzlichen Dank.