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Maritime Wirtschaft sozial und ökologisch umbauen

Rede von Herbert Behrens,

Rede zu TOP

25. a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD

Die maritime Wirtschaft stärken und ihre Bedeutung für Deutschland hervorheben

Drucksache 18/6328

b) Unterrichtung durch die Bundesregierung

Vierter Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen

Wirtschaft in Deutschland

Drucksache 18/5764

c) Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Amt des Maritimen Koordinators aufwerten

Drucksache 18/6347

Herbert Behrens (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Thema hätte eigentlich ein bisschen mehr Zeit verdient. Nach der normalen Parlamentsplanung war dieses Thema für morgen früh vorgesehen. Aber die Bundesregierung muss morgen früh noch die Vorratsdatenspeicherung durchsetzen, sodass wir heute weniger Zeit haben, uns mit dieser entscheidenden Frage der maritimen Wirtschaft auseinanderzusetzen.

Ich will mich deshalb auch auf nur einen oder zwei wesentliche Punkte konzentrieren, die uns als Linke wichtig sind, wenn wir hier über das Thema „Maritime Wirtschaft“ verhandeln.

In der Handelsschifffahrt haben wir es mit Begriffen wie „Klabautermann“ und „Pfeffersäcke“ zu tun gehabt. Die Klabautermänner sind inzwischen verschwunden, seitdem die Schiffe nicht mehr aus Holz sind. Aber die Pfeffersäcke sind noch da. Das spiegelt sich sowohl in dem Antrag, den die Regierungsfraktionen vorgelegt haben, als auch in den Branchenforen, die in Vorbereitung der maritimen Konferenz stattgefunden haben, und in dem Bericht der Bundesregierung wider, der vor einiger Zeit vorgelegt worden ist.

Darin wird festgeschrieben, was es alles fortzuführen gilt. An dieser Stelle will ich einsetzen und nachfragen: Was soll eigentlich fortgeführt werden? Ist es etwa der Arbeitsplatzabbau? Inzwischen fahren weniger als 7 000 Seeleute unter deutscher Flagge. Soll die Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation fortgesetzt werden? Laut Zentraler Heuerstelle in Hamburg gibt es ein immer krasser werdendes Missverhältnis zwischen der Zahl der nachgefragten Arbeitsplätze und der Zahl der offenen Stellen. Insbesondere Nautiker suchen unmittelbar nach ihrer Ausbildung händeringend nach Arbeitsplätzen, um ihre Patente ausfahren zu können. Das ist für sie entscheidend, um nicht ihre teure Qualifikation zu verlieren und im Nichts zu landen. Andernfalls wäre ihre teure Ausbildung umsonst gewesen.

Auf der Maritimen Konferenz kann kein wirklicher Fortschritt festgestellt werden. Im Bericht der Bundesregierung, den ich eben erwähnt hatte, wird darauf an mehreren Stellen hingewiesen. Die Schifffahrtskrise ist nicht überwunden.

Die deutsche Handelsflotte hat sich reduziert und die Anzahl der Schifffahrtsunternehmen ist zurückgegangen. Der Anteil der Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren, ist gesunken - mit Auswirkungen auf Beschäftigung und Ausbildung deutscher Seeleute.

Diese Bilanz vor der 9. Nationalen Maritimen Konferenz ist vernichtend. Die Konsequenz daraus muss heißen: Es darf kein Weiter-so geben.

Die Linke will erreichen, dass die maritime Wirtschaft sichere, saubere und dauerhafte Arbeitsplätze schafft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sehen nicht zu, wenn immer weniger Schiffe unter deutscher Flagge fahren. Die Reeder flüchten nämlich unter Flaggen von Niedriglohnländern und umgehen Tarifverträge mit guten Heuern und guten Arbeitsbedingungen. Sie wollen ihre Schiffe künftig zunehmend unter Flaggen fahren lassen, die ihnen genehme Arbeitsbedingungen, das heißt billige Arbeitskräfte, liefern. Trotzdem haben sich die Reeder immer alles gut bezahlen lassen. Da sind sie wieder, die Pfeffersäcke. Während der Klabautermann deutlich hörbar gewirkt hat, geht es bei den Pfeffersäcken sehr ruhig zu. Das Ergebnis: Sie werden subventioniert, indem sie für ihre Mannschaften nur 60 Prozent Lohnsteuer zahlen müssen, während andere Arbeitgeber für ihre Beschäftigten 100 Prozent Lohnsteuer zahlen müssen. Die Reeder wollen aber noch mehr gefördert werden. Jetzt sollen 40 Prozent Lohnsteuereinbehalt nicht mehr ausreichen; man will 100 Prozent Lohnsteuereinbehalt. Damit sollen Wettbewerbsnachteile ausgeglichen werden, so wird argumentiert, die sie angeblich gegenüber anderen Flaggenstaaten haben.

Wenn wir uns das einmal genauer ansehen, merken wir, dass da mit falschen Zahlen operiert wird. So wird behauptet, in den Niederlanden gebe es schon heute einen 100-prozentigen Lohnsteuereinbehalt. Das ist falsch. Er liegt dort bei 40 Prozent für Beschäftigte auf Schiffen unter niederländischer Flagge und bei 10 Prozent für Beschäftigte auf Schiffen, die unter der Flagge eines europäischen Staates fahren. Richtig ist, dass in Italien, Belgien, Malta und Portugal der 100-prozentige Lohnsteuereinbehalt gilt. Aber selbst die marktbeherrschenden griechischen Reeder haben keinen 100-prozentigen Lohnsteuereinbehalt. Sie zahlen 85 Prozent Lohnsteuer für die Kapitäne und 90 Prozent Lohnsteuer für die Mannschaften. Es wird also deutlich: Hier wird auf die Politik der Bundesregierung massiv Einfluss genommen und versucht, sich weitere Vorteile zu verschaffen und eine neue Runde im Subventionswettlauf auf dem Markt zu beginnen. Hier muss dringend eine Änderung erfolgen. Ansonsten haben wir eine subventionierte Schifffahrtsbranche, die auch noch versucht, andere vom europäischen Markt zu verdrängen. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)