Rede zum Gesetzenwurf zur Änderng des Telemedeiengesetzes - Störerhaftung
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die SPD hat einen Antrag vorgelegt, in dem sie die Bundesregierung dazu auffordert, die in § 8 des Telemediengesetzes geregelte Haftungsfreistellung für Zugangsanbieter auch auf WLAN-Betreiber auszuweiten. Damit wiederholt sie im Großen und Ganzen das, was der Bundesrat am 12.09.2012 bereits der Bundesregierung aufgegeben hat. Wir halten nichts davon bereits erteilte Prüfaufträge zu wiederholen. Wir sind wieder einmal einen Schritt weiter und bringen einen Gesetzentwurf ein, der die bekannten Probleme nicht prüft, sondern löst.
Was ist eigentlich das Problem? Das Problem ist die sogenannte Störerhaftung. Konkret bedeutet das, wer sein WLAN nicht oder nur unzureichend schützt und damit für jede Person in der Nähe zugänglich macht, kann dafür zur Verantwortung gezogen werden, wenn diese Person bei der Verwendung des Internetzugangs eine Straftat begeht. Wenn ich also meiner Nachbarin mein WLAN zur Verfügung stellen möchte, weil diese sich keinen Internetzugang leisten kann, werde ich dafür zur Verantwortung gezogen, wenn sie sich illegal Musik oder Filme aus dem Netz herunterlädt. Die Absurdität dieser Regelung muss man sich mal vor Augen führen. Das wäre so als wenn ich ein Restaurant betreibe und nach einer Prügelei für die an den beteiligten Personen entstandenen Schäden zur Verantwortung gezogen werden würde. Trotz dieser offenkundigen Absurdität wurde diese Regelung von der Rechtsprechung bestätigt. Das hat weitreichende Folgen. So gehen Bibliotheken, Cafés, Kommunen oder private Personen ein großes Risiko ein, wenn sie ihre WLANs bereitstellen. Im Zweifel werden sie darauf verzichten, dieses Risiko einzugehen. Gerade für Kommunen, die die Idee öffentlicher Freifunknetze unterstützen, ist dies ein zentraler Hinderungsgrund.
Die Vorteile offener WLANs liegen auf der Hand. Gewerbetreibende hätten zum Beispiel die Möglichkeit, ihren Kunden einen weiteren Service anzubieten. Vor allem aus sozialen Gesichtspunkten sind offene WLANs sinnvoll. Menschen mit geringem Einkommen, die sich keinen Internetanschluss leisten können, hätten so die Möglichkeit, das Internet kostenlos zu nutzen. Nach dem (N)Onliner-Atlas 2012 nutzen nur 54,2 Prozent der Bevölkerung mit einem Einkommen von weniger als 1.000 Euro pro Monat das Internet, bei der Bevölkerungsgruppe mit einem Einkommen bis 2.000 EUR sind es nur 66,0 Prozent. Das wirkt sich besonders auf die Bildungschancen von Kindern aus. Denn Kinder ohne Internetzugang sind von online und kostenfrei verfügbaren Wissen abgeschnitten. Offene WLANs können also einen Beitrag dazu leisten, die zunehmende digitale Spaltung der Gesellschaft zu verringern.
Auf Basis eines Gesetzentwurfes, den die Digitale Gesellschaft e.V. allen Fraktionen zur Verfügung gestellt hat, schlagen wir als Lösung vor, die im § 8 des Telemediengesetzes geregelte Haftungsfreistellung auch auf gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von WLANs auszuweiten. § 8 des Telemediengesetzes regelt, dass Internetanbieter nicht für fremde Informationen, die sie im Internet übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, verantwortlich sind. Die Anbieter können also nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden, wenn eine Nutzerin oder ein Nutzer mit dem von ihnen zur Verfügung gestellten Internetanschluss eine Straftat begeht. Offensichtlich sah also auch der Gesetzgeber ein Problem darin, jemanden für Straftaten verantwortlich zu machen, die sie oder er nicht begangen hat. Bisher ist § 8 des Telemediengesetzes aber besonders auf große kommerzielle Internetanbieter zugeschnitten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Haftungsfreistellung nur für diese gelten soll, nicht aber für lokale oder private, die ein WLAN nicht kommerziell oder nur als begleitenden Service anbieten. Aus diesem Grund bezieht letztere unser Gesetzentwurf ausdrücklich mit ein.
Unser Gesetzentwurf tut dabei zwei Dinge. Zum einen stellt er klar, dass auch Betreiber von WLANs als Diensteanbieter im Sinne des § 8 des Telemediengesetzes gelten und damit die dort aufgeführten Regelungen ebenfalls für sie gelten. Dabei ist egal, ob sie den Zugang absichtlich oder aufgrund unzureichender Sicherungsmaßnahmen fahrlässig anbieten. Zum anderen geht der Gesetzentwurf das bereits ausgeführte Problem der Störerhaftung an, in dem er die Haftungsfreistellung auch für Ansprüche auf Unterlassung ausweitet. Bisher ist nämlich unklar, ob die Haftungsfreistellung auch Unterlassungsansprüche ausschließt. Das sind Fälle, in denen der Anbieter eines WLAN dafür zur Verantwortung gezogen werden kann, was ein Nutzer mit dem Zugang zum WLAN anstellt. Um hier die dringend notwendige Rechtssicherheit zu schaffen, schlagen wir vor, Unterlassungsansprüche gegen Anbieter von WLANs ausdrücklich auszuschließen.
Kurz und gut: Unser Gesetzentwurf würde die dringend benötigte Rechtssicherheit für Anbieter offener WLANs schaffen. Außerdem beseitigen wir das absurde Risiko, wegen Straftaten, die andere begehen, haftbar gemacht zu werden, auch für Anbieter offener WLANs. Damit würden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, die einen umfassenden Aufbau eines offenen WLAN-Netzes ermöglichen. Wir täten deshalb gut daran, nicht unnötig Zeit mit irgendwelchen Prüfaufträgen zu verplempern, sondern die Rechtssicherheit endlich herzustellen. Am besten auf Basis unsere Gesetzentwurfes.